In der Palliativversorgung in Stuttgart hat sich viel getan. Die großen Kliniken und zwei Pflegeheime haben Palliativeinheiten eingerichtet, ein Kinderhospiz soll im Jahr 2014 folgen.

Stuttgart - Bei den Süddeutschen Hospiztagen machen sich Experten Gedanken darüber, wie man in den Tagen vor dem Sterben miteinander reden sollte. So wie sich in der Hospizbewegung einiges getan hat, so tief greifend sind die Veränderungen in der Palliativversorgung in Stuttgart. Der katholische Krankenhausseelsorger Josef Wiedersatz, der als Referent geladen ist, bringt die veränderte Geisteshaltung auf den Punkt: „Früher war die Maxime in den Krankenhäusern ,möglichst viel Therapie bis zum Schluss‘, heute werden selbst lebensverkürzende Maßnahmen in Kauf genommen, wenn dies für den Patienten besser ist.“ Und im Einzelfall könne dann auch mal eine Massage hilfreicher sein als ein weiteres Medikament.

 

Der andere Blickwinkel, der von der Hospizbewegung angestoßen wurde, ist äußerlich sichtbar: War das Marienhospital mit seiner Palliativstation vor 20 Jahren allein auf weiter Flur, so haben inzwischen alle großen Stuttgarter Häuser Palliativstationen eingerichtet. Diese unterscheiden sich nicht nur äußerlich von anderen Stationen, entscheidend ist der höhere Personalschlüssel. Im Diakonie-Klinikum etwa sind tagsüber zwei Krankenschwestern für maximal sechs Patienten zuständig, auf anderen Stationen kümmern sich drei bis vier Vollkräfte um 32 Patienten. Zusätzlich haben die Kliniken Palliativteams eingerichtet, die auf den anderen Stationen beraten.

Erstes Kinderhospiz soll 2014 eröffnen

Eng ist die Zusammenarbeit mit den Stuttgarter Hospizen, die vielfach sterbenskranke Patienten aus den Kliniken aufnehmen. Sowohl das katholische Hospiz St. Martin als auch das evangelische Hospiz betreuen jedes Jahr etwa hundert Menschen in ihrer letzten Lebensphase, die durchschnittliche Verweildauer liegt zwischen zwei und drei Wochen. Zusätzlich helfen beide Hospize Menschen bei der ambulanten Versorgung zu Hause. Auch in der Stuttgarter Hospizarbeit ist einiges im Fluss: Während das katholische Hospiz die Arbeit mit den Trauernden beständig ausbaut, richtet die evangelische Kirche ein stationäres Kinderhospiz ein, das erste in Baden-Württemberg. Ende 2014 soll in der Stafflenbergstraße das Kinderhospiz mit acht stationären Betten eröffnen, vorher zieht das bestehende Erwachsenenhospiz in die Diemershaldenstraße um. „Wir halten ein Kinderhospiz im Land für überfällig“, sagt der Stadtdekan Hans-Peter Ehrlich. Bei der Arbeit mit den Kindern handelt es sich oft um lange Begleitungen. „Es geht nicht wie bei den Erwachsenen in erster Linie um eine Sterbebegleitung, sondern darum, die Familien zu entlasten.“

Für den Palliativmediziner Dietmar Beck sind Hospize Inseln. Er schätzt, dass gerade ein Prozent der Menschen in Hospizen sterben, 70 bis 80 Prozent dagegen in Pflegeheimen und Krankenhäusern. „Die meisten Menschen wünschen sich, zu Hause zu sterben, die Wirklichkeit aber sieht anders aus“, sagt Beck. Aufgabe des Palliativmediziners ist es auch, mehr Menschen diesen Wunsch zu erfüllen. Beck leitet das Stuttgarter Palliative Care Team, bestehend aus Ärzten und Brückenschwestern, das seit Oktober 2010 insgesamt 425 Menschen zu Hause oder im Pflegeheim begleitet hat. Von dem Team betreut werden nur schwerste Fälle, etwa Patienten mit Bauchspeichelkrebs und Bauchwassersucht, bei denen es vor einigen Jahren noch undenkbar war, sie zu Hause zu betreuen.

Heimbewohnern die Einweisung in die Klinik ersparen

Beck geht davon aus, dass zusätzliche Gelder durch die Kassen es langfristig zwar ermöglichen, mehr Menschen zu Hause zu versorgen, diese Entwicklung aber habe Grenzen: „Die steigende Zahl der Singlehaushalte lässt das Sterben zu Hause nicht zu, weil niemand da ist, der sich kümmert.“ Er fordert deshalb von den 50 Stuttgarter Pflegeheimen, sich stärker der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung zu öffnen. „Damit können vielen Heimbewohnern Klinikeinweisungen am Lebensende erspart werden“, so Beck. Tatsächlich wurde das Palliative Care Team bisher in etwa die Hälfte der Stuttgarter Heime gerufen.

Eng ist die Kooperation schon jetzt mit dem Parkheim Berg und dem Pflegezentrum Bethanien, die eigene Palliativeinheiten eingerichtet haben. Nach Ansicht von Jörg Treiber, dem Leiter des Pflegezentrums, zahlt sich die Investition aus, auch wenn der Träger bisher mit dem Bereich ein Defizit erwirtschaftet: „Wir haben das Fachpersonal und die ärztliche Betreuung, die wir brauchen, um eine hospizähnliche Versorgung sicherzustellen.“ Praktisch heißt das: das Haus verfügt etwa über ein Depot an Betäubungsmitteln, damit die Pflegekräfte schnell handeln können – und nicht sofort den Notarzt rufen müssen. Laut Treiber hat sich auch in anderen Heimen die palliative Versorgung verbessert, aber: „Da ist noch Entwicklungspotenzial.“