Die geplante Fahrradservicestation unter der Paulinenbrücke ist nicht überall beliebt.

S-Süd - Vor allem die Vorgehensweise missfällt ihm. Bei einem städtischen Vorhaben hätte er auf eine bessere Kommunikation gehofft. „Niemand hat mich gefragt, wie ich das finde“, sagt Hotte Hoss. Denn so richtig gut findet er die städtischen Pläne, unter der Paulinenbrücke eine Fahrradservicestation unter der Trägerschaft des Sozialunternehmens Neue Arbeit einzurichten, nicht. „Ich werde das spüren“, sagt er. Seit nicht ganz vier Jahren betreibt der Existenzgründer in der Römerstraße 3 die Radtheke Stuttgart. Er bietet Reparaturen, Montage und Recycling von Fahrrädern an. Einen ähnlichen Service bieten auf die Fahrradservice-Stationen der Neuen Arbeit an: Sie machen kleine Reparaturarbeiten und bieten zusätzlich einen sicheren, weil bewachten Fahrradstellplatz. „Das kann ich eben aus Platzgründen nicht bieten“, sagt Hoss.

 

Zudem sei es eine ungleiche Konkurrenzsituation: Die Neue Arbeit wird subventioniert dafür, dass sie Langzeitarbeitslosen eine Perspektive bietet. „Ich bin auf dem freien Markt unterwegs“, sagt Hoss. Persönlich findet er es auch schlimm, dass er etwas vor die Nase gesetzt bekommt, was er eigentlich gut findet – nämlich ein soziales Projekt, welches den Radverkehr fördert. Nun stehe er damit in Konkurrenz.

Die städtischen Pläne, unter der Paulinenbrücke ein Gebäude für eben jene Fahrradstation zu bauen, gehen auf einen Antrag der grünen Gemeinderatsfraktion zurück und wurden im Zuge der Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr beschlossen. Dabei geht es um ein Gesamtkonzept für das Areal vor dem Wohn- und Einkaufszentrum Das Gerber. Ziel ist es laut dem grünen Antrag vom Mai 2015, „den Bereich zwischen dem neu gestalteten Quartieren beidseits der Paulinenbrücke gestalterisch und funktional aufzuwerten“.

Prinzipiell ist dies natürlich keine schlechte Sache, zumal die Gegend unter der Paulinenbrücke aufgrund der dort angesiedelten Alkohol-, Drogen- und Obdachlosenszene seit jeher das Sorgenkind der Stadt ist. Auch gegen ein soziales Unternehmen welches den Radverkehr fördert, ist per se ja nichts zu sagen. Der Bezirksbeirat Süd ist dennoch genau wie Hotte Hoss nicht wirklich begeistert von dem Unterfangen. In einem Antrag fordert die SPD-Fraktion des Bezirksbeirats die Stadt auf, detailliert Auskunft über die Pläne an der Paulinenbrücke zu geben. Die Lokalpolitiker fühlen sich übergangen: „Ich bin etwas unglücklich, weil die Entscheidung am Bezirksbeirat vorbei getroffen wurde“, sagte Bezirksvorsteher Raiko Grieb in der letzten Sitzung. Roland Petri von der CDU findet da deutlichere Worte: „Es ist eine Sauerei!“ Klar ist ihm, dass jammern wenig hilft: „Wir schlagen eine Schlacht von gestern, die Sache ist entschieden.“

Dennoch will man Antworten und eine erneute Prüfung. In dem SPD-Antrag, der im Bezirksbeirat einstimmig abgesegnet wurde, fordert die Partei zudem den Standort der Fahrradstation zu überdenken und über andere Nutzungsmöglichkeiten dort nachzudenken. „Es ist eine gute Sache. Vielleicht ist dieser Platz für noch bessere Ideen geeignet“, sagte Ulrike Holch (SPD). Zudem hatte sich der Jugendrat Süd jahrelang über den Platz Gedanken gemacht und Vorschläge erarbeitet. Eine Fahrradstation wertet aus Sicht von Lena Mayländer (SPD) die Fläche kaum auf: „Es ist eine super Aktion, eine super Idee, aber ein anderer Ort wäre gut.“

Nicht ganz unbedeutend für die Standortwahl ist sicherlich, dass aus dem Gerberviertel eine „Anschubfinanzierung der Fahrradstation“ in Aussicht gestellt wurde. So steht es in der Antwort der Verwaltung auf den einstigen Grünen-Antrag. Konkret hatte das Einkaufszentrum Das Gerber einen Zuschuss für das neue Gebäude angeboten. Wie genau dies verlaufe und in welcher Höhe dieser sein werde, sei noch abzuklären, sagt Claus Köhnlein dazu. Im Moment befinde man sich insgesamt noch in der Planungsphase.

Köhnlein findet die Station eine „tolle Sache“. Muss er ja, das ist sein Job als städtischer Fahrradbeauftragter. Aus seiner Sicht passt die Station aber ideal zum Fahrradkonzept der Tübinger Straße, die Teil der Hauptradroute eins ist und in Kürze als Fahrradstraße ausgewiesen wird. Er sieht in der Fahrradstation durchaus eine Aufwertung für den Platz. Eine Konkurrenz für ansässige Geschäfte befürchtet er nicht. „Es geht ja vor allem um Parken dort.“ Es gebe keinen Anbieter vor Ort, der dies anbiete und umfangreiche Reparaturarbeiten wie die Radtheke mache die Servicestation nicht. „Und das sind auch alles Dinge, die sich noch lösen lassen“, so glaubt er.

Die Neue arbeit bietet sichere Unterkünfte für Fahrräder

Station
Bereits an vier Standorten in Stuttgart bietet das Sozialunternehmen Neue Arbeit Fahrradservicestationen an. In Vaihingen, Feuerbach, Möhringen und Bad Cannstatt befinden sich diese jeweils direkt an S- beziehungsweise Stadtbahnstationen. Die Stationen bieten Pendlern die Möglichkeit, ihre Räder sicher und witterungsgeschützt unterzubringen, dazu gibt es ergänzende Serviceleistungen wie kleinere Reparaturen. Zudem haben Langzeitarbeitslose und benachteiligte Menschen die Möglichkeit, neue berufliche Perspektiven zu entwickeln.

Finanzierung
Für die vier Fahrradstationen in Stuttgart sind jährlich 100 000 Euro vom Gemeinderat genehmigt, die im Haushalt im Bereich Arbeitsförderung laufen. Jede der erhält 25 000 Euro, um die laufenden Betriebskosten decken zu können.

Unternehmen
Die Neue Arbeit ist ein diakonisches Sozialunternehmen und ein Unternehmen der Eva-Gruppe, welches Langzeitarbeitslosen und benachteiligten Menschen eine Perspektive gibt. Das Sozialunternehmen bietet Beschäftigung, Integration, Qualifizierung und Vermittlung für rund 1400 Menschen. Damit ist die Neue Arbeit bundesweit eines der größten Beschäftigungsunternehmen in freier Trägerschaft.