Freiluft-Festival mit freiem Eintritt: beim "Umsonst & Draußen" in Stuttgart ist am Samstagabend die Ska-Band No Sports aufgetreten. Eine von insgesamt 18 Bands, die an diesem Wochenende auf dem Unigelände in Vaihingen spielen.

Stuttgart - "Die Sonne kommt ins Licht“, singt Lara von der Band Sonnenterrasse und es würde alles wunderbar passen – das gute Wetter, das kühle Bier und die funkige Popmusik – wenn das Quintett nicht in einem Zirkuszelt auftreten würde. Da drinnen ist es stickig-schwül, es riecht nach Stroh, Dreck und Schweiß, alle Festival-Gerüche konzentriert unter einer blauen Plane. Es ist später Samstagnachmittag und draußen knallt die Sonne unerbittlich auf Wiese, Stände und Besucher des 34. Umsonst & Draußen nahe der Vaihinger Universität.

 

Am Freitag war es schon gutes Wetter, als Das Neue Haus und The Mood“gespielt haben. Ein paar Tropfen Regen am Samstagvormittag haben auch niemanden eingeschüchtert. Und so liegen die vielen hundert Besucher auf ihren Decken, vor ihren Zelten oder einfach auf der Wiese und lassen sich brutzeln. Ein richtiger Punk lässt sich von der Sonne natürlich keine Kleiderordnung diktieren. Viele tragen wie zum Trotz schwarz, Lederjacke oder Springerstiefel sind auch nicht selten. Bei der Hitze auch beliebt sind Badehosen. Da passt es, dass beim Auftritt der Alternative Rockband Deaf Earplugs auf der Open-Air-Bühne ein Helfer die vereinzelten Poger mit einem Wasserschlauch abspritzt. So bekommt der Rasen vor der Bühne auch erst die richtige Festival-Matschigkeit.

Die „fünf chronischen Sonnenanbeter“, wie sich die Band Sonnenterrasse auch nennt, können aber auch ohne Tageslicht für Stimmung sorgen. Ihr Motto: „Ich will kein Rock’n’Roll, gib mir Soul.“ Einem älteren Herrn in bunt gebatiktem T-Shirt gefällt der Sound so gut, dass er gleich mit dem Geldschein wedelnd vor die Bühne hastet und das Album kaufen will. Er bekommt von Sängerin Lou Lala eine Umarmung und wird auf nach dem Gig vertröstet. Ihr Lied „Verschwendung“ kritisiert Zeitkiller, Eskapismus und Floskeln – ironischerweise mit viel „Lalala“ und „Dadada“. Die Sängerinnen ermutigen zu „ungleichmäßigen Bewegungen“, doch so richtig kommen die Zuhörer auf den Bierbänken nicht in Fahrt. Da hilft auch nicht, dass Lou Lala beim Song „Wasser“ in einem kräftigen Instrumental-Teil mit Sticks auf die Hi-Hat des Schlagzeugers eindrischt, mit weit ausholenden Bewegungen wie ein Taiku-Drummer.

Headliner des Abends sind No Sports

Ebenso mit Verve, aber deutlich mehr Tempo legen die Smalltown Rockets nach. Die Stuttgarter Punkrocker jagen rotzig und frech ihre Stücke durch, ein Lied schließt nahezu nahtlos ans andere an und die angekündigte Ballade ist noch schneller als die Stücke davor. Die Hitze macht aber auch den Musikern zu schaffen. Die Bassistin Caro findet es „abartig heiß“ und rät den Leuten: „Falls ihr Schatten sucht: Vor der Bühne gibt’s welchen.“ Und bei ihrem letzten Song tummeln sich dann tatsächlich einige ganz vorne. Die geforderte Zugabe verweigert Sänger Pete allerdings mit dem Hinweis, dass es Punkt 20 Uhr mit der nächsten Band weiterginge. Zumindest in der Hinsicht sieht Punk anders aus.

Das Trio von Lost Beyond the Sun geht es kontemplativ an. Die erfahrenen Rocker entlocken ihren Gitarren mal spacige, mal bluesige Töne. Sie improvisieren viel, spielen Hymnen an Country, Blues oder Folk. Die Mikrofone brauchen sie kaum, die meisten Stücke sind Instrumentals. Mick zaubert auf seiner Gitarre schrille Geistertöne, indem er beide Hände dicht beieinander am unteren Ende des Bundstabs zittern lässt. Bei so viel Saitenakrobatik kann mancher Besucher nur noch ungläubig den Kopf schütteln.

Die Headliner des Abends sind No Sports. Die Band gibt es seit 27 Jahren, sie sind die älteste Ska-Band Stuttgarts und erst vor drei Wochen stand die definitive neue Besetzung der sieben Musiker. „In der Besetzung ist es die absolute Weltpremiere“, sagt der Sänger im quietschbunten Hemd. Jetzt spielen sie eigenwillige Ska-Cover in gewagter Instrumentierung: Saxofon, loungiger E-Bass, Klarinette, Geige und Akkordeon. Wobei letzteres eher aussieht wie ein iPad, das über ein Kabel an den Verstärker angeschlossen ist. Weniger neu sind dagegen die Melodien: „Bang Bang“ von Nancy Sinatra, „Personal Jesus“ von Depeche Mode und ein gemächliche Version des „Ring of Fire“ von Johnny Cash. Als es um die Zugabe geht, flunkert der Sänger: „Wir können keine spielen, uns gibt es erst seit drei Monaten.“ Also spielen die sieben einfach noch mal den ersten Song: eine fetzige Ska-Version von Gwen Stefanis „Rich Girl“.

Für die größte Begeisterung an diesem Abend sorgen aber Zeitlust im Zirkuszelt. Das Quartett mischt basslastige Synthie-Klänge mit Querflöte und Trommel-Feuerwerk. Dazu gibt es Tanzeinlagen hinter einer Schattenwand oder als Roboter im Schutzanzug – das Publikum johlt vor Begeisterung. Dafür, dass es die letzte Band des Abends ist, ist ihre Musik vielleicht nicht die tanzbarste, aber ihre Performance auf der Bühne fesselt. Auch nach der zweiten Zugabe will es im Publikum niemand so richtig wahr haben, dass es jetzt schon vorbei ist. Aber es bleibt ja noch der Sonntag.