Eine Branche steuert um: Immer mehr Kreuzfahrtschiffe sollen statt mit giftigem Schweröl mit Flüssiggas die Meere queren. Der Umstieg ist nicht freiwillig – und wird noch lange dauern.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Turku - Für Tom Strang gibt es in den nächsten Jahren viel zu tun. Der Topmanager der Carnival Corporation aus Miami soll das größte Kreuzfahrtunternehmen der Welt auf Kurs zu mehr Nachhaltigkeit bringen. Der erste Schritt ist getan: Der Marktführer, zu dem zehn Unternehmen mit 120 000 Beschäftigten gehören, hat erstmals sieben neue Luxus-Dampfer geordert, die dank Energieversorgung mit flüssigem Erdgas (LNG) viel weniger schädliche Abgase aus ihren Kaminen blasen.

 

Bisher wird die LNG-Technik von einigen Fähren in Skandinavien genutzt. Die Kreuzfahrtschiffe dagegen und die Carnival-Flotte von 102 Schiffen, zu der die deutsche Aida und die italienische Costa gehören, verbrennen in den Motoren vor allem hochbelastetes Schweröl. Das Abfallprodukt der Ölraffinerien ist zwar billig zu haben und treibt deshalb auch die weltweit riesige Flotte von mehr als 40 000 Containerschiffen an. Doch den Preis zahlen Menschen, Klima und Ökosysteme tagtäglich durch enorme Schadstoffbelastung.

Denn mit dem dunklen Rauch aus den Schiffskaminen wird ein gefährlicher Mix zahlreicher giftiger Abgase freigesetzt: Schwefel-, Kohlen- und Stickoxide, aber auch krebserregende Feinstaubpartikel wie Ruß und problematische Schwermetalle. Die Luxusliner seien in Wahrheit schwimmende Müllverbrennungsanlagen, kritisiert der Naturschutzbund Deutschland.

Zwei Millionen Deutsche buchten im vergangenen Jahr eine Hochseetour

Die Umweltprobleme kratzen am Image der schwimmenden Hotels, die seit Jahren auf Erfolgskurs steuern. Allein voriges Jahr buchten erstmals mehr als zwei Millionen Bundesbürger eine Hochseetour, gut elf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Handlungsdruck für die Branche wächst zudem wegen strengerer Abgasvorschriften, die in Fahrgebieten wie der Ostsee und küstennahen Gewässern bereits gelten. Ab 2020 werden die Grenzwerte weiter verschärft. Das erfordert den verstärkten Einsatz saubereren Kraftstoffen oder von teuren Abgas-Reinigungssystemen. Einige sind in Betrieb, benötigen aber viel Platz auf den Schiffen. Den Vorreiter machte Tui Cruises, deren Luxusdampfer „Mein Schiff 3“ seit Mitte 2014 die Schadstoffe mit einem System des finnischen Motorenherstellers Wärtsilä filtert. Schädliche Schwefel-Emissionen werden laut Tui so um 99 Prozent, die für den sauren Regen verantwortlichen Stickoxide um bis zu 75 Prozent und Rußpartikel um 60 Prozent reduziert.

Die Branche weiß, dass etwas getan werden muss. Denn Medienberichte über hohe Abgasbelastungen auch an Bord von Schiffen, die für Passagiere und Crew gesundheitsgefährdend sein können, verunsichern die Kundschaft. Marktführer Carnival sieht LNG als „beste Lösung für die Zukunft“, wie Manager Tom Strang betont.

Noch fehlen die Versorgungsstationen

Der Einsatz von Flüssiggas löse nicht alle Probleme, sei aber ein großer Schritt nach vorne, sagt der Experte. Denn damit werde der Stickstoff-Ausstoß um bis zu 90 Prozent verringert, der CO2-Ausstoß um bis zu einem Viertel. Zudem gibt es anders als bei der Schweröl- und Dieselverbrennung fast keine Schwefel- und Feinstaub-Emissionen.

Das langfristige Ziel seien „100 Prozent LNG-Nutzung im Betrieb“, betont Strang. Dafür habe Carnival mit Meyer und dem LNG-Lieferanten Shell „sehr verlässliche Partner“ gefunden. Nun müsse massiv in die Infrastruktur und Ausbildung investiert werden. Das klingt leichter als es ist. Denn bisher gibt es – ähnlich wie bei Elektro-Autos – das Henne-Ei-Problem. Solange es keine nennenswerte Zahl von LNG-Schiffen gibt, bauen die Energieriesen auch keine Versorgungsstationen auf.

Experten halten es ohnehin für entscheidender, dass die ungleich größere Flotte von 40 000 Containerschiffen endlich sauberer wird, die zumeist Schweröl verbrennen. Denn darunter sind viele abwrackreife und besonders ineffiziente Dreckschleudern aus aller Herren Länder, die Menschen und Umwelt um ein Vielfaches mehr belasten.