Der Beschluss des Landtags zu den neuen Finanzregeln muss nicht das letzte Wort sein. Per Volksantrag können neuerdings auch die Bürger mitreden. Der Steuerzahlerbund prüft bereits eine solche Initiative.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Bürger Baden-Württembergs könnten den Landtag dazu zwingen, die am Freitag beschlossenen umstrittenen neuen finanziellen Regeln für Abgeordnete noch einmal zu überdenken. Das Instrument dazu wäre ein sogenannter Volksantrag, eine erst seit 2016 bestehende, bisher kaum genutzte Möglichkeit der Beteiligung. Danach muss sich das Parlament mit einem von den Bürgern aufgegriffenen Thema befassen, wenn 0,5 Prozent der Wahlberechtigten dies verlangen. Nötig wären also knapp 40 000 Unterstützer, was angesichts des breiten Unmuts über die Änderungen des Abgeordnetengesetzes möglich erscheint.

 

Der Bund der Steuerzahler kündigte gegenüber dieser Zeitung bereits an, man prüfe „derzeit die Möglichkeit, einen Volksantrag zu initiieren“. Der Verein hatte massiv Kritik an der Rückkehr zur „Luxus-Altersversorgung“ geübt. Zugleich empfahl er kritischen Abgeordneten, wegen des Eilverfahrens vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen; dieses genüge nicht den Vorgaben des Grundgesetzes. Die Änderungen waren am Dienstag erstmals der Öffentlichkeit präsentiert worden. Am Freitag wurden sie bereits im Landtag beschlossen, gegen die Stimmen der AfD-Fraktion. Die FDP trug nur einen Teil mit.

Appell an die Abgeordneten

Auch der Verein Mehr Demokratie, der mehr Mitspracherechte maßgeblich mit erstritten hatte, zeigte Sympathie für einen Volksantrag. Man sehe „keinerlei rechtliche Bedenken“ dagegen, sagte die Landesgeschäftsführerin Sarah Händel der StZ. Das Instrument sei geschaffen worden, „um der Bevölkerung wichtige Themen ins Parlament zu tragen“. Bei offensichtlichem Bedarf nach einer Debatte sollten sich die Abgeordneten dafür offen zeigen, so Händel.

Auch der Landtag hält eine solche Intervention der Bürger für möglich. „Das Abgeordnetengesetz kann grundsätzlich Gegenstand eines Volksantrags sein“, teilte ein Sprecher mit. Die übrigen rechtlichen Voraussetzungen müssten ebenfalls erfüllt sein. Auf die Frage, ob die Möglichkeit eines Volksantrags vor der Beratung und Beschlussfassung über die neuen Regeln geprüft worden sei, sagte der Sprecher nur: „Nein.“

Instrument noch wenig bekannt

Im Bewusstsein der Abgeordneten ist das erst 2015 geschaffene Instrument offenbar noch nicht verankert. Es stellt die unterste Stufe der Beteiligung dar, entsprechend niedrig sind die Hürden. Laut Verfassung kann sich ein Volksantrag mit „Gegenständen der politischen Willensbildung“ befassen. Bisher gab es nur einen Anlauf dazu, zum Handelsabkommen Ceta, der aber versandete. Später kann der Antrag in ein Volksbegehren münden, das dann zehn Prozent der Wahlberechtigten unterstützen müssten.

Der Verfassungsrechtler und Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim hielte einen Volksantrag ebenfalls für möglich. Zunächst würde damit zwar nur eine neue Diskussion erreicht. Die Abgeordneten müssten sich wenige Monate vor der Bundestagswahl aber „gut überlegen, ob sie an dem Gesetz festhalten“, sagte von Arnim der StZ. Nach seiner Einschätzung würde keine der drei Ausnahmen greifen, in denen das Volk nicht mitreden soll. Es gehe weder um Steuern noch um Besoldung, und der Landeshaushalt würde beim Erfolg eines Volksbegehrens sogar entlastet. Von Arnim regte zudem an, die neuen Regeln auch vom Verfassungsgerichtshof des Landes überprüfen zu lassen. Verfassungsrechtliche Bedenken wecke nicht nur das Eilverfahren, sondern auch das gesamte Paket der Änderungen.