Ist bei der umstrittenen Auftragsvergabe an eine deutsche Firma in Kamerun alles mit rechten Dingen zugegangen? Korruptionsvorwürfe eines deutsch-kamerunischen Unternehmensberaters weist die Bundesregierung zurück. Doch Zweifel bleiben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart/Berlin - Ernst Burgbacher (FDP) brachte es bis auf die Titelseite der kamerunischen Zeitung „Integration“. Freundlich lächelnd war der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium da auf einem Sofa neben dem Staatspräsidenten Paul Biya zu sehen. Weniger freundlich fiel die Schlagzeile darüber aus: „Le scandale“ betitelte das Blatt in Riesenlettern seinen Bericht über eine merkwürdige Auftragsvergabe während eines Burgbacher-Besuchs in der Hauptstadt Jaunde, deren Nachwehen das zentralafrikanische Land noch immer umtreiben. Sogar der deutsche Bundestag, erfuhren die Leser, werde sich mit den Hintergründen des Millionengeschäfts für das Münchner Unternehmen Giesecke & Devrient (G&D) beschäftigen.

 

Tatsächlich nahm die Grünen-Abgeordnete Ute Koczy einen StZ-Bericht zum Anlass, um detailliert bei der Bundesregierung nachzufassen. Böses Blut hatte es um die Vergabe für ein System zur biometrischen Wählererfassung gegeben, mit dem künftig Unregelmäßigkeiten bei Wahlen verhindert werden sollen. Auf wundersame Weise, so der Eindruck von Kritikern in Kamerun, war Giesecke & Devrient an anderen in- und ausländischen Bietern vorbeigezogen – obwohl die Firma später als andere ins Rennen ging und teurer als diese war. Dass der Vertrag just bei Burgbachers Visite zusammen mit dem Vorsitzenden des deutschen Afrikavereins, dem Ex-Stuttgarter Stefan Liebing, und dem G&D-Manager Hans Wolfgang Kunz, unterzeichnet wurde, schürte das Misstrauen in dem von Korruption geplagten Staat zusätzlich. War da etwa nachgeholfen worden?

Regierung sieht keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten

Durchaus, bekam Koczy jetzt vom Auswärtigen Amt bestätigt, aber nur im legalen Rahmen. Aufgabe aller Auslandsvertretungen sei, deutsche Unternehmen bei ihrem Engagement auf internationalen Märkten zu unterstützen, erläuterte die Staatsministerin Cornelia Pieper (FDP). Das habe auch der damalige Botschafter Reinhard Buchholz getan – in Gesprächen mit der kamerunischen Regierung und dem Afrikaverein. Diesen habe der aus Aalen stammende Diplomat auf das Biometrieprojekt aufmerksam gemacht. Der Verein gab den Hinweis an drei deutsche Firmen weiter, darunter einen Kunden von Liebings Beratungsfirma. Mit der Vergabe selbst habe die Botschaft nichts zu tun, versicherte das Außenamt; die kamerunische Wahlbehörde habe sich wegen des Preis-Leistungs-Verhältnisses für das Angebot der  Münchner entschieden. Hinweise auf „Unregelmäßigkeiten“ lägen der Regierung nicht vor.

„Jeglicher Grundlage entbehren“ der Auskunft zufolge die Korruptionsvorwürfe eines deutsch-kamerunischen Unternehmensberaters. Das habe eine „intensive Überprüfung“ durch Burgbachers Wirtschaftsministerium ergeben. Ebenso äußerte sich Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) kürzlich bei einem Besuch in Kamerun: Ihm lägen „keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, im Rahmen der Ausschreibung sei es zu Manipulationen gekommen“. Niebel lobte dort „erhebliche Fortschritte“ im Kampf gegen die Korruption, betonte aber zugleich, es bleibe „dennoch sehr viel  zu tun“.

Schon in Uganda sorgte der Diplomat für böses Blut

Das Auswärtige Amt, heißt es in der Antwort weiter, habe auch die Rolle des Botschafters Buchholz „sehr genau geprüft“. Zum Ergebnis hatte es auf StZ-Anfrage zunächst jede Auskunft verweigert. Sein Verhalten als Behördenleiter sei „nicht zu beanstanden“, erfuhr nun die Abgeordnete Koczy. Dabei stand der inzwischen pensionierte Diplomat schon einmal im Mittelpunkt einer ganz ähnlichen Affäre. Damals, 2010, hatte er als Vertretungschef in Uganda einer bayerischen Firma zu einem Millionenauftrag bei der Einführung biometrischer Personalausweise verholfen. Nach einem nächtlichen Treffen im Palast des Präsidenten bekam die Mühlbauer AG den Zuschlag, vorbei am Innenminister, den zuständigen Behörden und den Parlamentariern. „Bei solchen Entscheidungen darf man sich nicht auf Arbeitsebene aufhalten – da muss man oben einsteigen“, wurde Buchholz im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ zitiert.

Prompt gab es böses Blut in Uganda – und kritische Fragen in Deutschland. Was habe das noch mit Good Governance zu tun, also gutem Regieren, erkundigte sich der Grüne Hans-Christian Strö bele. Schon damals wiegelte die Bundesregierung ab: Man habe keine Hinweise, dass „rechtsstaatliche Verfahren nicht eingehalten wurden“, die Verantwortung für die Auftragsvergabe liege alleine bei der ugandischen Regierung und der Firma. Deren Angebot habe Buchholz lediglich „flankierend begleitet“. Keinen Zusammenhang gebe es zur Zusage von 120 Millionen Euro deutschen Entwicklungshilfegeldern, die das Land kurz nach dem 64-Millionen-Auftrag erhalten hatte. Auch im Fall Kameruns bestreitet die Regierung jeglichen „inhaltlichen Zusammenhang“ zwischen Auftragsvergabe und Förderung: Schon 2010 habe man dem Land 83,5 Millionen Euro für drei Jahre zugesagt, im September seien noch einmal 3,4 Millionen Euro draufgelegt worden.

„Der Kunde ist mit dem Projekt sehr zufrieden“

Inwieweit der Botschafter Buchholz im Ruhestand zusammen mit dem Berater Liebing Geschäfte in Afrika anbahnt, bleibt weiterhin unklar; beide haben auf eine entsprechende StZ-Anfrage nicht reagiert. Auch das Auswärtige Amt gibt dazu nur allgemein Auskunft: Man wisse von vier ehemaligen Leitern von Auslandsvertretungen, die auch in Entwicklungsländern aktiv seien – als Aufsichtsräte deutscher Firmen oder (selbstständige) Berater: zwei in Afrika, zwei in Usbekistan. Drei Jahre nach der Pensionierung nämlich gilt für solche Tätigkeiten eine Anzeigepflicht.

In welchen Staaten derzeit noch Biometrieprojekte geplant sind, weiß die Regierung angeblich nicht. Auch bei Giesecke & Devrient gibt es dazu keine Auskunft: Man werde „öffentlich keine laufenden Ausschreibungsverfahren kommentieren“. Das Kamerun-Projekt beurteilen die Münchner übrigens völlig anderes als oppositionelle Kräfte im Land. Nach Medienberichten haben die größte Zweifel, ob die biometrische Wählererfassung ihren Zweck erreichen werde; schon vor dem Start erscheine sie gescheitert. Ein G&D-Sprecher versicherte der StZ hingegen, alles laufe nach Plan: die 1200 mobilen Wählererfassungsanlagen und das Hintergrundsystem würden derzeit aufgebaut. Sein Fazit: „Der Kunde ist mit dem Fortgang des Projekts sehr zufrieden.“