Nadja Drygalla distanziert sich von rechtem Gedankengut und betont: Meine Karriere geht weiter.

Kessin - Die Tränen laufen Nadja Drygalla über die Wangen. Zwei Tage nach ihrer Abreise von Olympia fällt ihr das Sprechen über den heiklen Fall sichtlich schwer. Sogar Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat sich inzwischen eingeschaltet.

 

Mit deutlichen Worten distanziert sich die 23-Jährige von rechtem Gedankengut und kämpft um ihre Karriere. "Natürlich möchte ich mit dem Sport weitermachen", sagt Drygalla am Sonntag in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa und gesteht mit stockender Stimme: "Mir geht es nicht gut, die letzten Tage waren ziemlich anstrengend und ziemlich überraschend."

Die Debatte um ihre Beziehung zu Michael Fischer, Direktkandidat der rechtsextremen NPD in Rostock zur Landtagswahl 2011, hat höchste politische Kreise erreicht. Der auch für den Sport verantwortliche Minister Friedrich fordert eine "gründliche Aufklärung", DOSB-Präsident Thomas Bach appelliert an die deutsche Öffentlichkeit, das Olympia-Team aus der Affäre rauszuhalten. "Kein Athlet der Olympia-Mannschaft hat es verdient, in diese Geschichte hineingezogen zu werden", so der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in London.

"Belastung von der Mannschaft nehmen"

Von dort war Achter-Fahrerin Drygalla nach einem langen Gespräch mit der deutschen Teamleitung per Zug abgereist. "Ich wollte einfach die Belastung von der Mannschaft nehmen, die zum Teil immer noch im Wettkampf steckte und sich darauf konzentrieren sollte", sagt sie. Trotzdem herrschte zwei Tage lang helle Aufregung im deutschen Team. "Ich begrüße, dass sich Nadja Drygalla jetzt auch öffentlich klar vom Rechtsextremismus distanziert hat", erklärt der Chef de Mission Michael Vesper, "ihre Aussagen bestätigen meinen Eindruck aus unserem Gespräch. Sie zeigen überdies, dass man einem Menschen nicht gerecht werden kann, wenn man ihn nur über sein Umfeld beurteilt." Er wünsche sich zudem, dass sich Drygallas Partner tatsächlich und dauerhaft aus der rechtsextremen Szene verabschiede.

Ihr Freund sei seit Mai 2012 kein NPD-Mitglied mehr und habe "persönlich mit dieser ganzen Sache gebrochen und sich verabschiedet", sagt die Athletin im Vereinshaus des Olympischen Ruder-Clubs Rostock. Sie spreche sich gegen rechte Ideologie aus. "Ich habe keine Verbindung in seinen Freundeskreis und diese Szene gehabt und lehne das absolut ab."

Berichte, nach denen sie auf Bildern bei einer Demonstration 2009 in Malchow zu sehen sei, weist Drygalla zurück: "Das bin ich nicht, das kann ich ganz klar sagen. Ich empfinde das als unfair und ungerechtfertigt." Wegen der politischen Orientierung ihres Freundes habe sie zeitweise auch an eine Trennung gedacht. "Ich bin froh, dass ich vor den Olympischen Spielen noch einmal klar gesagt habe, dass es so nicht weiter laufen kann."

Berufliche und sportliche Zukunft in der Schwebe

Wie für die Rostockerin die sportliche und berufliche Zukunft aussieht, ist derzeit noch völlig in der Schwebe. Im vergangenen Jahr war sie freiwillig aus dem Polizeidienst ausgetreten. Ihre Vorgesetzten hatten aufgrund der Liaison mit Fischer an ihrer "Loyalität gegenüber dem Polizeidienst gezweifelt". Ein Antrag auf Eintritt als Soldatin in die Sportfördergruppe der Bundeswehr zum 1. September liegt nun auf Eis.

"Weitere Förderanträge haben wir ausgesetzt und natürlich muss man von ihr mindestens eine öffentliche Distanzierung von rechtsextremem Gedankengut erwarten", so Siegfried Kaidel, Vorsitzender des Deutschen Ruderverbandes (DRV). "Ob sie dann eine Chance erhalten kann, werden diese Ermittlungen zeigen."

Untersucht werden soll zudem, warum die Spitzenverbände vor Olympia nach eigener Darstellung keine Kenntnis von der Beziehung hatten. "Ich bin erbost über Äußerungen aus der Politik in Deutschland, die sagen, dies sei bekanntgewesen. Warum hat man es uns dann nicht gesagt?", zürnte Deutschlands Ober-Olympier Bach und verurteilte diese Vorwürfe als "inakzeptables Vorgehen".

Bundesinnenminister Friedrich betonte, das "extremistisches Gedankengut" im Sport keinen Platz habe. "Denn Sportler sind auch Vorbilder. Der Sachverhalt muss deshalb umfassend und gründlich geklärt werden", sagte er der "Bild"-Zeitung. Auch für Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, besteht Aufklärungsbedarf. Die SPD-Politikerin hält es für kaum vorstellbar, dass sowohl der DOSB als auch der DRV nichts von dem Fall gewusst haben.

Die Aussagen des Vorsitzenden des Landessportbundes Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Remer, lassen vermuten, dass die Verbindungen des Drygalla-Umfeldes regional bekannt waren. Anscheinend wurden sie aber nicht offiziell an die Spitze des deutschen Sports weitergereicht. "Wir wissen seit über einem Jahr, dass es Probleme gibt mit ihrem Freund", sagte Remer. Der LSB habe den DOSB aber nicht informiert. "Auf die Idee sind wir gar nicht gekommen. Denn mit der ganzen Olympia-Mannschaft haben wir letzten Endes gar nichts zu tun."

Gespräche am Rande

Auch der DRV sei zumindest offiziell nicht informiert gewesen, bestätigte Hans Sennewald, Vorsitzender des Landesruderverbandes Mecklenburg-Vorpommern. "Es hat aber Gespräche am Rande gegeben. Wenn der Deutsche Ruderverband jetzt von dem Thema überrascht worden ist, kann ich das nicht kommentieren", betonte der stellvertretende Vorsitzende von Drygallas Heimatverein.

Er hoffe nun, "dass der Deutsche Ruderverband wie auch der Deutsche Olympische Sportbund sich mehr unterstützend Nadja annimmt." Immer wieder suchen Drygallas Augen während des mehr als halbstündigen Gesprächs den Blickkontakt mit ihrem Vertrauten Sennewald. Nach den Sommerspielen in London solle es weitere Gespräche mit dem DRV geben, kündigt sie an und sagt mit Blick auf die Zukunft zum Abschluss: "Wenn einfach nur die falschen Dinge richtig gestellt würden, wäre ich schon zufrieden." Im September will sie wieder mit dem Training beginnen.