Die SPD will im Aufsichtsrat den harten Sanierungskurs von Bahn-Chef Grube nicht stützen. Gleichzeitig wächst aber Einfluss des CDU-Manns und Merkel-Vertrauten Pofalla im Staatskonzern.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Krise und der Machtkampf bei der Deutschen Bahn AG führen zu wachsendem Unmut und Spannungen in der Berliner Regierungskoalition. „Offensichtlich wird im Bahn-Vorstand gerade mit harten Bandagen gegeneinander gearbeitet“, heißt es in SPD-Kreisen. „Das muss aufhören“, sagte ein hochrangiger Politiker der Koalitionspartei unserer Redaktion. Und weiter: „Einige Bahn-Manager sollten endlich ihren Job machen und ihre Machtspielchen sein lassen. Es gibt genug zu tun, damit die Bahn wieder in Schwung kommt.“

 

Nach Informationen unserer Redaktion mehren sich in der Regierungskoalition und bei der einflussreichen Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) die Zweifel, ob Bahn-Chef Rüdiger Grube den schwer angeschlagenen Staatskonzern wieder auf Kurs bringen kann. Die Arbeitnehmerbank und einige SPD-Vertreter im Aufsichtsrat verweigern dem Sanierungskonzept „Zukunft Bahn“, das die DB-Spitze mit der US-Beratung McKinsey entworfen hat, bereits seit einem halben Jahr die Zustimmung.

Der Streit könnte weiter eskalieren, falls Grubes Konzept in der nächsten Aufsichtsratssitzung am kommenden Mittwoch erneut durchfällt. Die DB-Spitze erklärte sich allerdings bei einem Sondertreffen der Kontrolleure in der abgelaufenen Woche, bei dem rund 1000 Beschäftigte vor dem Berliner Bahn-Tower protestierten, erstmals bereit, über das alternative Wachstumskonzept der Arbeitnehmer für den Güterverkehr auf der Schiene zu verhandeln. EVG-Chef Alexander Kirchner hofft nun, dass noch ein kurzfristiger Kompromiss gefunden wird.

Die Bahn ist Verlustbringer und Unruheherd

In der Regierungskoalition wächst aber die Sorge, dass der Staatskonzern zum dauerhaften Unruheherd und Verlustbringer werden könnte, anstatt – wie bisher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eingeplant – jedes Jahr dreistellige Millionendividenden beim Bund abzuliefern. Die Zielkonflikte in der Bahn-Politik erschwerten eine Lösung, heißt es. Einige Parteistrategen halten eine weitere Bahn-Reform und neue Weichenstellungen nicht zuletzt mit Blick auf den Bundestagswahlkampf 2017 für dringend geboten.

Aktuell könnte die Regierung mit einer harten Sanierung den Schienenriesen zwar rasch wieder in die Gewinnzone bringen. Doch damit riskiert die Koalition weitere Konflikte, denn ein größerer Stellenabbau stößt auf Proteste der Arbeitnehmer und der EVG, die besonders in SPD-Kreisen einflussreich ist. Weitere Angebotskürzungen wie die umstrittene Einstellung aller Nacht- und Autozüge zum Jahresende oder die nochmalige Ausdünnung im Schienengüterverkehr laufen zudem den Zielen einer nachhaltigen Verkehrs- und Klimapolitik zuwider. Die Lage verschärft sich, weil mit Stuttgart 21 auch das größte, teuerste und riskanteste Bauprojekt der DB AG erneut den Termin- und Kostenplan zu sprengen droht. Statt wie versprochen 2019 könnte S 21 erst Ende 2023 fertig werden, die Finanzierungsgrenze von 6,5 Milliarden Euro ist erreicht. Wenn Sparmaßnahmen beim Bau nicht greifen, die bisher nur auf dem Papier stehen, droht S 21, für das sich Kanzlerin Merkel einst persönlich ausgesprochen hat, zu einer noch größeren Milliardenbelastung für den verlustreichen Staatskonzern zu werden.

DB-Vize Kefer steht wegen Stuttgart 21 im Kreuzfeuer

Deshalb steht nun DB-Vize Volker Kefer im Kreuzfeuer der Kritik. Als „Mister S 21“ und Infrastrukturvorstand ist der smarte Ex-Siemens-Manager für das Projekt seit Jahren federführend verantwortlich, seine Kalkulationen erweisen sich nun erneut als realitätsfern. Die Chancen Kefers, die Nachfolge Grubes anzutreten, sind dadurch weiter gesunken.

Doch Grube wie Kefer können bisher nicht sicher sein, ob ihre 2017 auslaufenden, millionenschweren Vorstandsverträge verlängert werden. Die Bilanz des Führungsduos gilt nicht nur in Koalitionskreisen als enttäuschend. Auch bei der EVG, die neun der 20 Aufsichtsratssitze kontrolliert, gibt es zahlreiche kritische Stimmen.

Doch die DB AG ist ein hochpolitisches Unternehmen, in das die großen Parteien hineinregieren. Umso mehr, seit mit dem früheren Kanzleramtschef Ronald Pofalla einer der engsten Vertrauten der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel ausgerechnet den Vorstandsposten für korrekte Unternehmensführung übernommen hat. In SPD-Kreisen herrscht darüber bis heute spürbare Verärgerung, manche sehen den CDU-Mann an der Seite Grubes als machtgierigen Ränkeschmied, andere als U-Boot der Kanzlerin.

Wer sich in SPD-, EVG- und Betriebsrats-Kreisen umhört, bekommt ein lautes Lachen auf die Frage zur Antwort, ob Pofalla als Bahn-Chef mehrheitsfähig wäre. „Schlechter Witz“, meint einer. Pofallas eigenwillige Personalpolitik hat bereits Ärger im Konzern ausgelöst, verdiente Manager in seinem Umfeld wurden plötzlich ohne ersichtlichen Grund abgelöst. Im Aufsichtsrat, so ist zu hören, hätte der CDU-Mann kaum eine Chance auf Grubes Nachfolge.

Öffentliche Demontage

Die öffentliche Demontage seines Kronprinzen Kefer nutzt daher aktuell vor allem dem Bahn-Chef. Solange es keine mehrheitsfähige Alternative gibt, hat Grube trotz aller gravierenden Fehlentwicklungen in seiner siebenjährigen Amtszeit die Chance weiterzumachen. Eine Vertragsverlängerung um zwei Jahre wäre denkbar, heißt es in Koalitionskreisen. Mancher DB-Aufsichtsrat aber hat das Vertrauen in das aktuelle Führungstrio an der DB-Spitze völlig verloren und liebäugelt mit externen Kandidaten. Die Hoffnung: Von Fehlschlägen unbelastete Bahn-Manager mit nachgewiesener Expertise im Schienenverkehr könnten den schlingernden Staatskonzern eher wieder zurück in die Erfolgsspur bringen.