Allein der Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten reicht nicht, um einem Professor Mittel zu kürzen und Zusagen nicht einzuhalten. Das hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Fall des Stammzellforschers Thomas Skutella entschieden. Die betroffene Universität Heidelberg hat Berufung angekündigt.

Stuttgart - Die Universität Heidelberg muss dem umstrittenen Zellforscher Thomas Skutella die Mitarbeiter und Sachmittel zur Verfügung stellen, die ihm bei seiner Berufung zugesagt wurden. Das hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe nach einem anderthalbjährigen Rechtsstreit zwischen dem Professor und der Hochschule entschieden. Die Universität sei nicht befugt gewesen, die vereinbarten Mittel zu kündigen, ihr Klinikum sei daher verpflichtet, dem Professor „die entsprechende Ausstattung seines Lehrstuhls bereit zu stellen“, heißt es in dem Urteil des Verwaltungsgerichts (Az. 7 K 1099/12).

 

Skutella war 2009 von der Universität Tübingen auf einen Lehrstuhl für Anatomie nach Heidelberg berufen worden, nachdem er 2008 in der Zeitschrift „Nature“ mit vermeintlich bahnbrechenden Arbeiten zur Erzeugung pluripotenter humaner Stammzellen aus Hoden Aufsehen erregt hatte. Bei seiner Berufung waren ihm unter anderem mehrere wissenschaftliche Stellen für neuroanatomische Forschungen und Laboreinrichtungen für knapp 2,4 Millionen Euro zugesagt worden.

Zweifel an der wissenschaftlichen Arbeit

Wenig später hatten dann allerdings Fachkollegen Zweifel an Skutellas Arbeiten angemeldet und den Verdacht geäußert, bei den angeblichen Stammzellen habe es sich wohl nur um Bindegewebszellen gehandelt. Eine Untersuchung der Uni Tübingen kam in der Folge zu dem Ergebnis, dass Skutellas Arbeitsgruppe in ihren Publikationen „sowohl hinsichtlich der Durchführung, als auch hinsichtlich der Dokumentation und Auswertungen der Daten und deren Erstellung erheblich gegen die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis verstoßen“ habe. Gleichwohl gaben ihm die Prüfer am Ende nur den „dringenden Rat“ die Veröffentlichung zu korrigieren. Im Übrigen stellten sie das Verfahren im November 2011 mit der Begründung ein, es liege im Sinne der Tübinger Verfahrensordnung „kein evidentes Fehlverhalten vor“.

Während man dieses Regelwerk in Tübingen auf Empfehlung externer Experten anschließend geändert hat, hätte man sich in Heidelberg am liebsten gleich wieder von dem Anatomen getrennt: Die Uni hat ihm die zugesagten Mittel verweigert und ihn auf die Grundausstattung verwiesen. „Man hat mir das Leben schwer gemacht“, erklärt Skutella im Nachhinein.

Kündigung von Zusagen

Wie dem Karlsruher Urteil zu entnehmen ist, mahnte er zwei Jahre lang mehrfach vergeblich die Einhaltung „seiner“ Zusagen an. Der Dekan der Fakultät legte ihm stattdessen im Februar 2012 nahe, im Rahmen eines Vergleichs innerhalb von zwei Jahren freiwillig aus dem Institut und dem Beamtenverhältnis auszuscheiden.

Als Skutella darauf nicht einging, folgte die Kündigung der Zusagen. In ihr wurde im Mai 2012 ein Großteil der Berufungsvereinbarung zurückgenommen. Zugleich wurde Skutella die Bewirtschaftungsbefugnis entzogen. Angesichts der Prüfungsergebnisse und der Unsicherheit der von ihm publizierten Ergebnisse sei es der Universität nicht zumutbar, mehr als die Grundausstattung des Lehrstuhls zu finanzieren. In Anbetracht knapper Mittel müsse man sich „auf wissenschaftlich unumstrittene Vorhaben konzentrieren“, hieß es.

Nur der Verdacht auf Fehlverhalten reicht nicht

„Wissenschaftliches Fehlverhalten eines Hochschullehrers dürfte grundsätzlich die Lösung von einer Berufungszusage rechtfertigen können“, haben die Karlsruher Richter dazu erklärt. Zugleich haben sie aber einschränkend festgestellt, die Wissenschaftsfreiheit gestatte Abweichungen von solchen Zusagen nur bei erheblichen Änderungen. Das Grundrecht schütze den wissenschaftlichen Freiraum „grundsätzlich ohne Vorbehalt“. Dies gelte auch für Forschungsansätze, „die sich als irrig oder fehlerhaft erweisen“.

„Allein ein Verdacht eines Fehlverhaltens“ genüge für eine Kündigung von Zusagen nicht, sie komme nur in Betracht „wenn es nachgewiesen und erheblich ist“, heißt es in dem Urteil des Karlsruher Verwaltungsgerichts jetzt. Beweise dafür habe die Hochschule aber nicht erbracht. Sie habe noch nicht einmal die zuständige Rektoratskommission mit dem Thema befasst.

Die Universität Heidelberg hat umgehend Berufung gegen das Urteil angekündigt. Parallel dazu wolle man auch Vergleichsgespräche mit Thomas Skutella führen, sagte eine Sprecherin der Uni.