Ist der Polizeipräsident wirklich alleine für den "schwarzen Donnerstag" verantwortlich? Nun wird auch der Ministerpräsident hinterfragt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Stuttgart - Das Fernsehteam lauerte Stefan Mappus im Foyer auf. Kaum hatte der Ministerpräsident den Landtag betreten, stand der Reporter mit seinem Präsent vor ihm: einem vergoldeten Schlagstock, wie ein Orden drapiert auf einem roten Samtkissen. Die Auszeichnung, erläuterte er, erhalte die Landesregierung für ihr eindrucksvolles Exempel, wie man Demonstranten aus dem Weg knüppele. Mehrere Sekunden lang war Mappus sprachlos und starrte verdattert ins Leere. Dann herrschte er die TV-Leute an ("Wer sind Sie überhaupt?"), wandte sich ab und ging eiligen Schrittes weiter.

Es war ein Team des Norddeutschen Rundfunks, das den Polizeieinsatz für seine Satiresendung "Extra drei" humoristisch aufarbeitete. Über die Witzigkeit der Idee lässt sich streiten, doch auf den Beitrag kam es ohnehin nicht mehr an. Seit zwei Wochen beschäftigt der "schwarze Donnerstag" im Schlossgarten die Medien quer durch die Republik. Noch immer werden bedrückende Bilder gesendet und gedruckt, die dem Ansehen des Regierungschefs nicht guttun.

Mappus Verantwortung rückt in den Mittelpunkt


Niemand wirft ihm ernsthaft vor, er habe sich die mehrstündige Schlacht gewünscht. Aber die Frage, wie weit er diese zu verantworten hat, rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt der politischen Aufarbeitung. Noch streiten SPD und Grüne über einen Untersuchungsausschuss. Doch ihre Rufe nach Aufklärung kreisen um das gleiche Thema: die Rolle des Ministerpräsidenten und seines Innenministers Heribert Rech vor und während des Einsatzes.

Mappus' politisches Kalkül liegt klar zutage. Lange schien er ratlos, wie er mit dem Widerstand gegen Stuttgart 21 umgehen sollte. Die Devise der Polizei, äußerste Deeskalation, war auch seine. Doch nach dem Sommerurlaub - ziemlich zeitgleich mit dem Dienstantritt seines von Roland Koch übernommenen Medienberaters - hatte der Pforzheimer seinen Kurs gefunden: Das Bahnprojekt, verkündete er CDU-intern, sei sein lange vermisstes Profilierungsthema für den Wahlkampf. Unbeirrt von allen Protesten ein demokratisch legitimiertes Infrastrukturvorhaben durchzuziehen - das würden die konservativen Wähler goutieren.

Prompt änderte sich die Wortwahl. Mal sprach Mappus von "Berufsdemonstranten", mal von dem "Fehdehandschuh", den er aufnehme. Im Rückblick erscheint die neue Tonlage wie eine Einstimmung auf den Tag X, der wohl seit Anfang September feststand. Aber mit dem tatsächlichen Ablauf des Einsatzes will der Ministerpräsident nichts zu tun haben. In das "operative Geschäft der Polizei", versichert er seither, hätten weder er noch die Staatskanzlei eingegriffen. Der Stuttgarter Polizeipräsident Siegfried Stumpf übernahm umgehend die alleinige Verantwortung: Nie habe ihm die Politik reingeredet.

"Wer gab den Befehl?", fragen trotzdem auch die Demonstranten. Auffällig ist, wie eng Mappus persönlich die Polizeiarbeit begleitete - und wie viel am eigentlich zuständigen Innenminister vorbeilief. Zunächst wurde bekannt, dass er sich am Mittwoch zuvor über den geplanten Einsatz im Schlossgarten informieren ließ. Das war wohl jene Besprechung im Staatsministerium, zu der Rech im Innenausschuss laut Teilnehmern sagte: "Ich war nicht dabei." Nach Polizeiangaben hat es mindestens ein weiteres Treffen zwischen Mappus und der Polizeiführung gegeben.