Lange hat die Wirtschaft das Feld den Kritikern des Freihandelsabkommens der EU mit den USA überlassen. Das ändert sich, meint StZ-Berlin-Korrespondent Roland Pichler.

Berlin - Eine Zeit lang hat es so ausgesehen, als mache die deutsche Wirtschaft die Diskussion um das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen sprachlos. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat zwar Recht mit der Bemerkung, dass die Konzernchefs in Reden und Interviews von Anfang an auf die Bedeutung des Freihandelsabkommens hingewiesen haben. Die einzelnen Äußerungen gingen aber im starken Chor der Kritiker unter. Zu langsam und zögerlich reagierten die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft auf den Diskurs. Wenn nun die Konzernchefs der Autoindustrie mit einem gemeinsamen Auftritt Farbe bekennen, kommt dieses Bekenntnis zwar reichlich spät. Das Eingreifen zeigt aber, dass sich die Industrie ernste Sorgen macht. Immerhin ist es ein Beitrag, die Debatte sachlicher zu führen.

 

Denn die Perspektiven von Unternehmen und Arbeitnehmern sind bisher eher zu kurz gekommen. Bei TTIP geht es um mehr als nur die Frage, ob Europa und die USA unterschiedliche Spiegel, Blinker oder Rücklichter benötigen. Für die Arbeitsteilung der deutschen Automobilindustrie bietet ein Abkommen handfeste Vorteile: So stammen beispielsweise heute schon einzelne Modelle deutscher Hersteller, die für den deutschen Markt bestimmt sind, aus US-Produktion – und umgekehrt. Dass der Wegfall von Zöllen und technischen Handelshemmnissen Kosten spart, steht außer Frage. Mit der gegenseitigen Anerkennung von Sicherheitsstandards wie etwa bei Crashtests können unnötige Arbeiten vermieden werden. An solchen praktischen Beispielen wird der Nutzen von Freihandelsabkommen erkennbar. Natürlich muss auch über Risiken gesprochen werden. Die Wirtschaft ist aber gut beraten, mit ihren jahrzehntelangen Erfahrungen im Umgang mit Freihandelsabkommen nicht hinterm Berg zu halten.