Krankheitserreger, Agrargifte, Lebensraumverlust: Bienen drohen viele Gefahren. Weltweit sucht man nun nach Wegen, um den nützlichen Insekten zu helfen – auch auf einer Tagung in Emmendingen. Es geht auch darum, den Bienen mehr Nahrung zu bieten

Stuttgart - Es ist schon ein jammervoller Anblick, wenn im Frühjahr nur noch tote Bienen im Stock liegen. Dann kann der Hobbyimker nur noch den in den Waben übrig gebliebenen Honig ernten. Und hoffen, dass sein nächstes, im Schrebergarten aufgestelltes Bienenvolk im kommenden Winter mehr Glück hat.

 

In Deutschland hat fast jedes zehnte Bienenvolk die vergangene kalte Jahreszeit nicht überlebt. Nach Angaben des Deutschen Imkerbundes entsprach dies ziemlich genau dem natürlichen Sterben von etwa zehn Prozent. Damit kamen die Berufs- und Hobbyimker dieses Mal vergleichsweise glimpflich davon. Denn in den vergangenen Jahren waren teils weit höhere Ausfälle zu beklagen. So starben einer EU-Studie zufolge im Winterhalbjahr 2012/13 in Deutschland 13,6 Prozent der Bienenvölker. In Belgien überstand sogar rund ein Drittel der Völker diesen Winter nicht. Im warmen Mittelmeergebiet ging es den Bienen dagegen besser: So war in Italien nur ein Verlust von 5,3 Prozent zu beklagen. Für die Studie wurden von Herbst 2102 bis Sommer 2013 knapp 32 000 Bienenvölker untersucht.

Für den kommenden Winter

Für den kommenden Winter befürchtet der deutsche Imkerbund allerdings, dass die Verlustrate wieder auf das höhere Niveau der Vorjahre ansteigt. Schon jetzt gebe es seitens der Forschung Warnungen vor erneut sehr hohen Verlusten, heißt es bei den Imkern. Damit setzt sich offenbar ein seit etwa 15 Jahren zu beobachtender Trend fort: der ungewöhnliche Rückgang der Bienenzahl sowie der Verlust ganzer Bienenvölker. Betroffen sind nach Angaben der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA vor allem westeuropäische Länder, aber auch die USA. Dort habe das seit 2005 registrierte Bienensterben dazu geführt, dass heute weniger Bienen gehalten werden als jemals zuvor in den vergangenen 50 Jahren. Und aus China kommen Berichte, wonach Menschen bereits die Arbeit der Bienen übernehmen und Blüten von Hand mit dem Pinsel bestäuben müssen.

Inzwischen kümmern sich nicht nur Imker, Naturschützer und Wissenschaftler um die sterbenden Honigbienen, sondern auch die Politik. Nach wie vor sind die Ursachen nicht vollständig geklärt. Weil aber das Bienensterben noch schlimmer zu werden droht, können die Politiker die damit verbundenen Probleme nicht auf die lange Bank schieben, sondern müssen reagieren. Dabei geht es nicht nur um den Honig, sondern vor allem auch um die Bestäubungsleistung der nützlichen Insekten. Deren finanziellen Wert seriös abzuschätzen, ist schwierig. Auf jeden Fall ist er sehr hoch: Die EFSA geht von weltweit mehreren hundert Milliarden Euro pro Jahr aus. Und die Welternährungsorganisation FAO betont, dass 71 der 100 Nutzpflanzenarten, die 90 Prozent der Lebensmittel weltweit liefern, von Bienen bestäubt werden.

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass neben der EU jetzt auch die USA aktiv werden. So hat Präsident Barack Obama erst Ende Juni ein landesweites Programm gegen das Bienensterben auf den Weg gebracht. Unmittelbarer Anlass war wohl, dass in den USA rund 23 Prozent der Bienenvölker den vergangenen Winter nicht überlebt haben, sodass die Regierung nun die Nahrungssicherheit bedroht sieht. Als besonders gefährdet wird unter anderem die kalifornische Mandelindustrie angesehen: Dort werden zur Bestäubung der Mandelblüten alljährlich rund 1,4 Millionen Bienenvölker benötigt.

Europa ist bereits seit längerer Zeit aktiv. So hat die EU-Kommission 2010 eine „Mitteilung zur Gesundheit von Honigbienen“ veröffentlicht und darin betont, die Bienengesundheit müsse „proaktiv geschützt werden“. Den Worten ließ sie Taten folgen: So wurden Ende 2013 die Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit Neonikotinoiden als Wirkstoffe vorläufig auf Eis gelegt, die im starken Verdacht stehen, Bienen zu schädigen.

Damit trägt die EU den Erkenntnissen einer europaweiten EFSA-Studie Rechnung, dass bisher zwar keine alleinige Ursache für das Bienensterben gefunden werden konnte, Insektizide aber eine wichtige Rolle spielen. Die weiteren möglichen Faktoren sind: Bienenkrankheiten, Schädlinge wie die Varroamilbe, Auswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen und Stress aufgrund von Veränderungen in der Bienennahrung bis hin zu akutem Nahrungsmangel durch Monokulturen sowie klimatische Veränderungen. 2012 stellte die EU-Kommission zur Bekämpfung des Bienensterbens 3,3 Millionen Euro zur Verfügung. Damit sollen in den Mitgliedsländern vorrangig Überwachungsstudien durchgeführt und Daten zum Verlust von Bienenvölkern zusammengetragen werden.

Vielen Imkern, aber auch Naturschutzorganisationen geht dies alles nicht schnell genug. So sieht Greenpeace das „globale Bienensterben als ein Symptom einer krankenden industriellen Landwirtschaft, die von einseitigen Anbausystemen und stetig steigendem Chemikalien-Einsatz geprägt ist“. Dabei seien nicht nur Nutz-, sondern auch Zierpflanzen betroffen, betonen die Umweltschützer. So präsentierte Greenpeace im Mai eine Studie, bei der in zehn europäischen Ländern 86 Proben von 35 Pflanzenarten wie Vergissmeinnicht, Hornveilchen und Lavendel untersucht wurden. In 79 Prozent davon seien Stoffe gefunden worden, die Bienen gefährlich werden können, so Greenpeace.

Tatsache ist, dass in den vergangenen Jahren immer mehr wissenschaftliche Studien auf mögliche Zusammenhänge zwischen Agrargiften und der Gefährdung bestäubender Insekten hinweisen. So veröffentlichten Forscher um Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin im März Studienergebnisse, wonach die als Bienengifte im Verdacht stehenden Neonikotinoide bereits in geringen Mengen das Nervensystem von Wildbienen und Hummeln so beeinträchtigen, dass diese bei der Nahrungssuche häufig die Orientierung verlieren.

Vor wenigen Tagen stellte nun das Nationale Französische Forschungszentrum CNRS eine internationale Studie zum Bienensterben vor, an der es mitgearbeitet hatte. Die Beweise gegen Insektizide mit den Wirkstoffen Fipronil und aus der Gruppe der Neonikotinoide seien ausreichend, um ein Eingreifen der Regulierungsbehörden zu rechtfertigen, lautet das Fazit des Instituts. Die Autoren der Studie empfehlen den zuständigen Behörden daher, die Regelungen für die Verwendung von Neonikotinoiden und Fipronil zu verschärfen und „Pläne für die erhebliche Reduktion ihres globalen Einsatzes“ auszuarbeiten.

Einfach dürfte dies jedoch nicht werden, weil die die moderne Agrarwirtschaft glaubt, auf solche Pflanzenschutzmittel angewiesen zu sein. Gleichwohl ist nun durch die Initiative der EU ein Anfang gemacht. Auch in Deutschland hat das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) das „Ruhen der Zulassung“ für bestimmte Pflanzenschutzmittel mit den bienengefährlichen Wirkstoffen angeordnet.