Der Flughafen Stuttgart setzt auf Solarenergie und Abfallrecycling. Doch der Lärm ist bei den Anrainern noch immer ein Thema.

Stuttgart - Der Stuttgarter Flughafen-Geschäftsführer Walter Schoefer hat bei der Präsentation der Unternehmenszahlen 2011 mit Genugtuung berichtet, dass die neuen Aufsichtsratsmitglieder der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) – vor allem aber der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann als Chef des Gremiums – mit Erstaunen die grüne Ausrichtung des Airports zur Kenntnis genommen hätten. Zwar seien 136 000 laute Starts und Landungen sowie die An- und Abfahrt von fast zehn Millionen Passagieren nicht wegzudiskutieren, so Schoefer; man bemühe sich aber, die Umwelt und die Nachbarn so wenig wie möglich dabei zu belasten – und noch dabei zu sparen. Eine so stark auf Umwelt- und Klimaschutz ausgerichtete Geschäftspolitik „haben uns manche offenbar gar nicht zugetraut“, so Schoefer.

 

So hat sich die FSG, nachdem der Primärenergieverbrauch nur noch 60 Prozent des Umfangs von vor zwölf Jahren beträgt und aufgrund des 2013 in Betrieb gehenden zehn Millionen Euro teuren Blockheizkraftwerks und bald 10 000 Quadratmeter Solarpanelfläche weiter gesenkt wird, nun zum Ziel gesetzt, die Kohlendioxid-Emissionen in den von ihr zu beeinflussenden Bereichen bis 2020 durch Kraft-Wärme-Kopplung um 20 Prozent gegenüber 2009 zu reduzieren.

Recycling stößt an seine Grenzen

Der FSG-Anteil am Gesamtaufkommen beläuft sich allerdings auf einen Wert unter zehn Prozent, den meisten Dreck machen die Flugzeuge. Um deren Emissionen im Blick zu behalten, kooperiert der Flughafen seit Sommer 2011 mit der Organisation Atmosfair und bietet Passagieren – bei bisher überschaubarem Erfolg – die Möglichkeit, den bei ihren Flügen entstehenden Schadstoffausstoß zu berechnen und durch einen freiwilligen Geldbetrag auszugleichen, der für ökologische Projekte verwendet wird.

Beim Abfallrecycling stößt der Flughafen offenbar schon an seine Optimierungsgrenzen: Die Quote betrage 99 Prozent, so die FSG. Sortiert wird der Abfall im betriebseigenen Zentrum. Der Grasschnitt wird in der Biogasanlage von Leinfelden-Echterdingen zur Energiegewinnung verwendet. Nun sei man dran, den Abfall besser zu bündeln und das Behältersystem zu optimieren, um die Zahl der Fahrten zu senken. In den Gewässerschutz habe das Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren rund 120 Millionen Euro investiert, so Schoefer. Durch 250 Kilometer Kanäle werde das Abwasser in Klär- und Rückhaltebecken geleitet und dort vorbehandelt. Das mit Enteisungsmitteln für die Stadtbahn vermischte Wasser wird direkt in die Kläranlagen gepumpt, das hochwertige Fluid für die Flugzeuge wird gesammelt und für weitere Enteisungen aufbereitet.

Triebwerke werden leiser

Der Aufsichtsrat habe ihn ermutigt, so Schoefer, den Weg zu nachhaltigem Wirtschaften, den man seit zwölf Jahren mit der Einführung eines Energiemanagers eingeschlagen habe, weiterzugehen und diese Haltung auch bei Neubauten zu berücksichtigen, wie dem Parkhaus mit Fernomnibusbahnhof, zu dem eine Infrastruktur wie Läden und Sanitäranlagen gehört.

Die Flughafenanrainer interessiert freilich vor allem das Umweltthema Lärm. Die Jahresbilanz 2011 weist in dieser Hinsicht eine erfreuliche Entwicklung aus: Die Zahl der Starts und Landungen ist gegenüber den Vorjahren trotz steigender Passagierzahlen sogar zurückgegangen. Weitere Maßnahmen seien lärmabhängige Start- und Landeentgelte. Mittlerweile gehören aber 99,9 Prozent der Flugzeuge zur besten Kategorie. „Wir setzen auf die psychologische Wirkung der Staffelung“, sagt Walter Schoefer. Die Airlines wollten ein positives Image und setzten deshalb bei Neubeschaffung auf immer leisere Triebwerke. Die FSG selbst arbeite mit der Flugsicherung permanent an der Optimierung von An- und Abflugrouten.

Dennoch meldeten sich immer wieder verärgerte Bürger, die keinen Fluglärm wollten. „Wir halten bei diesem Thema den Druck im Kessel hoch“, versichert Schoefer. Als Beispiele nennt er den Ausbau stationärer Bodenstromversorgungssysteme – wo sie im Einsatz sind, bleiben die Turbinen aus. Außerdem arbeitet man daran, den Verkehrsablauf zu optimieren. Die Flugzeuge sollen nach dem Verlassen ihrer Parkposition direkt auf die Startbahn rollen und abfliegen können.

„Trendsetter unter den deutschen Flughäfen“

Schoefer bezeichnet die FSG gerne als „Trendsetter unter den deutschen Flughäfen“. Man habe „mit Nachhaltigkeit begonnen, als wir noch gar nicht wussten, was das heißt“, sagt der Geschäftsführer. Mit dem kostspieligen Aufbau eines Messsystems, um erst einmal relevante Daten über die Energieverbräuche und –effizienz zu erhalten, hat alles begonnen.

Heute sind neben Energie und Lärm Themen wie Abfall, Landschaftspflege, Emissionen und Klimaschutz, Wasser und Gewässerschutz sowie Flug- und Bodenverkehr und Mobilität aktuell. 2010 wurde erstmals ein Umweltbericht erstellt. An den dort präsentierten Ergebnissen und Vorgaben muss sich der Flughafen nun messen lassen. Außerdem führt er bis zum Jahresende ein Umweltmanagementsystem nach den Vorgaben des EU-Ökoaudits Emas ein. Der Filderflughafen wird dann von unabhängigen Dritten zertifiziert. Tue Gutes und sprich darüber, sagt sich die Geschäftsführung und rief als erster und bisher einziger Flughafen einen Bildungsrundgang für Besucher zu den genannten Umweltthemen ins Leben.

Dabei stößt der interessierte Besucher auch auf Einsatzfahrzeuge mit Elektroantrieb. „Der Flughafen ist ein Schaufenster, deshalb haben wir uns schon 1991 für die Erprobung von E-Mobilität zur Verfügung gestellt“, sagt Schoefer. Die Gepäckschlepper sind batteriegetriebene Hybride. Zuletzt wurde der Fuhrpark um zwei Elektrotransporter ergänzt, 2011 kam ein Follow-me-Fahrzeug mit Brennstoffzelle hinzu.