Spinnen in Metropolen werden größer und vermehren sich schneller als ihre Verwandten auf dem Land. In der Stadt ist es wärmer, weil sich Gebäude und Straßen stärker aufheizen als naturbelassene Flächen. Das gefällt den Achtbeinerinnen.

Stuttgart - Keine guten Nachrichten für Spinnenhasser: Ausgerechnet in der direkten Nachbarschaft des Menschen scheinen sich die unbeliebten Achtbeiner am wohlsten zu fühlen. Jedenfalls wachsen sie dort zu besonders stattlichen Vertretern ihrer Zunft heran und vermehren sich auch noch hervorragend. Zu diesem Ergebnis kommen Elizabeth Lowe von der University of Sydney und ihre Kollegen. Die Forscher haben ihre Untersuchungsergebnisee kürzlich im Fachjournal Plos One veröffentlicht.

 

Die australischen Wissenschaftler haben analysiert, wie sich das Stadtleben auf eine Seidenspinnen-Art namens Nephila plumipes auswirkt. Diese an der Ostküste Australiens häufigen Tiere bauen sich ein Netz, in dem sie ihr ganzes Erwachsenenleben verbringen. Welche Rolle aber spielt es, wo dieses Netz genau hängt?

Um das herauszufinden, haben die Wissenschaftler Spinnenweibchen aus verschiedenen Lebensräumen in und um die Millionen-Metropole Sydney untersucht. Das Spektrum reichte von kleinen Parks und Gärten mitten in der Stadt bis hin zu außerhalb gelegenem Buschland. Zwischen April und Juni diesen Jahres haben die Biologen dort insgesamt 222 fortpflanzungsfähige Spinnenweibchen gefangen und untersucht.

Demnach gibt es keinen Zweifel daran, dass den Achtbeinerinnen das Stadtleben ganz hervorragend bekommt. Denn je städtischer der untersuchte Lebensraum war, umso größere und fittere Bewohnerinnen lebten dort. Und diese Unterschiede fielen zum Teil auch sehr deutlich aus. So schwankte das Gewicht der Tiere, die ohne Beine mehr als zwei Zentimeter groß werden können, zwischen 0,13 und 2,63 Gramm. Auch hatten die Stadtspinnen deutlich mehr Fett im Körper und ihre Geschlechtsorgane waren schwerer.

Hinter diesem Trend stecken nach Ansicht der Forscher vor allem zwei Faktoren. Zum einen heizen sich Gebäude, Straßen und Plätze stärker auf als unbebaute und mit Pflanzen bewachsene Flächen. Deshalb ist es in Städten normalerweise deutlich wärmer als in ihrem Umland. Ein warmes Klima aber bringt auch größere Spinnen hervor. Außerdem sorgt es möglicherweise auch dafür, dass die Weibchen schneller geschlechtsreif werden und sich früher im Jahr paaren können als ihre Kolleginnen auf dem Land.

Ausgeklügeltes Erfolgsrezept

Das wäre eine wissenschaftliche Erklärung für die schwereren Geschlechtsorgane der Stadt-Spinnen. Und es könnte sogar Teil ihres Erfolgsrezeptes sein. Denn wer früh anfängt, kann auch besonders viel Nachwuchs in die Welt setzen und sich entsprechend gut in der Nachbarschaft des Menschen etablieren.

Allerdings nützt auch das angenehmste Klima nichts, wenn dafür der Magen leer bleibt. Doch auch in dieser Hinsicht kommen die achtbeinigen Städterinnen offenbar nicht zu kurz. Der Tisch scheint für sie sogar reicher gedeckt zu sein als für ihre Artgenossinnen auf dem Land. Typisch für Stadtlandschaften ist nämlich, dass sich viele kleine grüne Inseln im Häusermeer verteilen. Entsprechend häufig sind Vegetationsränder zwischen bewachsenen und offenen Flächen. Und dort siedeln sich oft viele Insekten und andere potentielle Spinnenopfer an.

Aus ähnlichen Gründen scheinen auch andere Spinnenarten wie etwa die Westliche Schwarze Witwe in Nordamerika ein Faible für Städte zu haben. Diese Tiere gehören wegen ihres Giftes zu den besonders unbeliebten Mitgliedern ihrer Verwandtschaft. Sie sind zwar nicht aggressiv, ihr Biss kann aber zu Schwellungen, Muskelkrämpfen, Übelkeit und Schweißausbrüchen führen. Typischerweise leben Westliche Schwarze Witwen eher verstreut in Trockengebieten, sie kommen aber auch in menschlichen Siedlungen gut zurecht – mitunter so gut, dass sie sich zu regelrechten Plagen entwickeln.

Patricia Trubl von der Arizona State University in Tempe und ihre Kollegen haben solche Spinnenversammlungen in verschiedenen Bereichen von Arizonas Hauptstadt Phoenix untersucht. Auch dort bieten städtische Lebensräume demnach besonders reiche Beute. Und je mehr tote Insekten die Spinnenexperten in den Spinnennetzen fanden, umso größer waren die darin lebenden Weibchen und umso dichter war die Umgebung mit Spinnen bevölkert. Wer die Achtbeiner nicht leiden kann, sollte also vielleicht doch lieber aufs Land ziehen.