Millionen von Urlaubern bringen Thailand an seine Grenzen. Das hat Folgen: Tauchgebiete werden gesperrt.

Bangkok - Die Szenerie in der Abendsonne raubt den Atem. So weit das Auge reicht erstreckt sich auf einem See im thailändischen Khao Sam Roi Et Nationalpark ein Meer von rosaroten Blüten der in Thailand als heilig verehrten Lotus-Pflanze. Die Bewohner in der Nachbarschaft des Parks sind mindestens so begeistert, wie von weither angereiste Touristen. Zehn Jahre lang musste die Menschheit auf das gewaltige Naturschauspiel verzichten. Nun weckt der blühende Lotus inmitten der lahmenden Wirtschaft unter der seit 2014 herrschenden Militärdiktatur wieder die Hoffnung auf klingelnde Kassen.

 

Den Wildhütern des Nationalparks wäre es sehr viel lieber, wenn die Begeisterung auf kleiner Flamme gekocht würde. „Es wäre gegenwärtig besser, wenn die Touristen nicht kommen würde“, sagt der Rungroj Aswakultarin, der Chefwildhüter des Nationalparks. „Wir sind dabei, die Gesundheit der Lotus-Blumen wieder herzustellen. Wenn die Umstände richtig sind, werden wir den See wieder öffnen.

Niemand weiß genau, warum die Lotus-Blumen von Khao Sam Roi Et ihre Blütenpracht ein Jahrzehnt lang versteckten. An Vermutungen und Verdächtigen mangelt es dagegen nicht. Die Ranger glauben, dass Kunstdünger in der Umgebung des Nationalparks und die Umweltvergiftung der Meeresfrüchteindustrie – vornehmlich durch Krabbenfarmer – den See im Nationalpark so verdreckten, dass dem Lotus die Lust auf seine Pracht verging.

Appelle um Mäßigung verhallen meist ungehört

Es käme freilich einer Sensation für Thailand gleich, wenn die Appelle um Mäßigung von Erfolg gekrönt werden sollten. Denn im Wettstreit zwischen Bewahrung der Schönheit des Landes und der Förderung des Fremdenverkehrs behielt seit Jahrtausendbeginn noch immer der wirtschaftliche Aspekt die Oberhand. Das 66 Millionen Einwohner zählende südostasiatische Königreich wurde im Jahr 2006 von 13,9 Millionen Touristen besucht. Im vergangenen Jahr waren es 32,5 Millionen Besucher. Kein anderes Land der Welt erlebte eine solche Explosion des Fremdenverkehrs. Thailand verdankt das mehr als spektakuläre Wachstum vor allem China. Die Filmklamotte „Lost in Thailand“ begeisterte das Publikum so sehr, dass seither viele Besucher aus dem Reich der Mitte zu jeder Station des Films in der nordthailändischen Stadt Chiang Mai pilgern.

Die Schattenseite des schier unvorstellbaren Booms, der gegenwärtig mit weitem Abstand der einzige Hoffnungsträger von Thailands Wirtschaft ist: Dank dem Massentourismus sind Strände, Paläste und sogar Einkaufszentren völlig überfüllt. Fremdenverkehrsunternehmen kennen keinerlei Scheu, ganze Busladungen mit chinesischen Touristen auf Booten zu Korallenriffen zu karren und sie dort im flachen Wasser über Korallen trampeln zu lassen.

Die Meereserwärmung und die zunehmende Zahl von Tauchtouristen bedrohen selbst abgelegene Gegenden wie die Similan-Insel so stark, dass die Behörden die Tauchgebiete bis auf wenige Ausnahmen sperrte. Die Tauchindustrie im Ferienort Phuket gaukelt Reisenden trotz Korallenbleiche im Meer eine heile Unterwasserwelt vor. Hua Hin, vor Jahren noch ein verträumtes Städtchen samt Königspalast und herrschaftlichen, rund 100 Jahre alten Villen des thailändischen Adels, verzeichnet während des europäischen Winters trotz Quallenplage am Strand eine regelrechte Invasion skandinavischer und deutscher Rentner. Der Ort am Golf von Thailand gilt als Paradebeispiel für die geplatzten Träume aller thailändischen Regierungen der vergangenen 15 Jahre.

Alte Restaurants müssen Betonbauten weichen

Ob Militärdiktatur oder zivile Regierung: Jeder Tourismusminister redet viel über Versuche, Luxustouristen anzulocken. In der sündhaft teuren Herberge Chivasom von Hua Hin treffen sich tatsächlich Gäste, deren Leibwächter häufig den Besuch eines Nachtmarkts im Zentrum als zu riskant ablehnen. Der Ort aber lebt von den europäischen Rentnerscharen und chinesischen Touristen, die in billigeren Hotels unterkommen.

Eine Folge: Uralte und teilweise wacklig aussehende aber ausgezeichnete Restaurants am alten, längst nicht mehr von Fischerbooten genutzten Pier des Hafens müssen nun weichen, um einer betonierten Vergnügungsanlage für den Massentourismus Platz zu machen.