In vielen Ökosystemen hat der Mensch die großen Tierarten ausgerottet oder stark dezimiert. Nun fehlt der Kot der Riesen in den Nährstoffkreisläufen.

Stuttgart - Man möchte da wirklich nicht reintreten. Doch der Haufen, der langsam unter der Tropensonne trocknet, ist zum Glück kaum zu übersehen. Wenn einen Elefanten ein tierisches Bedürfnis überkommt, landen mit einem Schlag bis zu 30 Kilogramm Kot im Staub der Savanne. An einem einzigen Tag kann sich das auf 120 bis 180 Kilogramm pro Dickhäuter summieren. Und diese üppigen Hinterlassenschaften spielen eine größere ökologische Rolle, als Wissenschaftler lange angenommen hatten. Wenn der Mensch die großen Tierarten ausrottet, können ganze Nährstoffkreisläufe aus den Fugen geraten, warnt ein Forscherteam um Christopher Doughty von der University of Oxford und Joe Roman von der Harvard University in Cambridge.

 

Die Aktivitäten verdauender Tiere wirken nämlich wie sehr effektive Förderbänder, die Nährstoffe über größere Gebiete verteilen. Schließlich liegen die Restaurants vieler Arten oft ein ganzes Stück von ihren Toiletten entfernt – manchmal sogar in verschiedenen Ökosystemen. Elche zum Beispiel fressen gern Wasserpflanzen, verdauen und sterben aber meist auf dem Trockenen. Mit ihrem Kot und ihrem toten Körper bringen sie daher beträchtliche Mengen Stickstoff aus Seen und Flüssen an Land. In umgekehrter Richtung wandern Nährstoffe über den Darm von Flusspferden aus den Uferregionen in die Gewässer.

Tierische Transportbänder

Auch zwischen Meer und Land gibt es verschiedene tierische Transportbänder. Eines davon treiben zum Beispiel zahllose Seevögel an, die ihre Beute aus den Ozeanen holen und ihren Kot in riesigen Mengen in ihren Brutkolonien deponieren. Vielleicht noch wichtiger sind die Aktivitäten von Lachsen und anderen Fischen, die zum Laichen aus dem Meer die Flüsse hinauf wandern und dort von Bären, Ottern, Adlern und anderen Tieren gefressen werden. Mithilfe sogenannter Isotopanalysen haben Thomas Reimchen von der University of Victoria in Kanada und seine Kollegen die Reise der Nährstoffe nachvollzogen, die in solchen Fischen enthalten sind. Demnach landen diese Substanzen über die Zwischenstation Raubtierkot schließlich im Boden sowie in den Pflanzen und Insekten im Umfeld der Flüsse.

Tierische Spediteure sind aber nicht nur zwischen Wasser und Land unterwegs, sondern auch zwischen verschiedenen Bereichen innerhalb der Meere. Denn etliche Meeressäuger wie etwa der Pottwal tauchen zum Fressen in die Tiefsee hinab, kommen dann mit vollem Bauch wieder an die Oberfläche und lassen dort riesige Wolken von Kot ins Wasser. Die Algen in der obersten Wasserschicht bekommen ihren Dünger also frei Haus geliefert. „Normalerweise fließen Nährstoffe ja von den Bergen ins Meer“, sagt Joe Roman. Die Tiere arbeiten aber auch in umgekehrter Richtung: Per Wal-Shuttle erreicht der Dünger die Oberfläche der Meeres, Seevögel und wandernde Fische schaffen ihn an Land, wo weitere Arten die Verteilung übernehmen. „So können Nährstoffe aus der Tiefsee schließlich auf einem Berg in British Columbia landen“, erklärt Joe Roman.

Die Spedition der Tiere

Die Frage ist allerdings, wie gut die Spedition der Tiere heute noch funktioniert. Schließlich leben in vielen Ökosystemen längst nicht mehr so viele große Arten wie in früheren Jahrtausenden. Die tonnenschweren Mammuts sind am Ende der letzten Eiszeit ebenso verschwunden wie die lastwagengroßen Riesenfaultiere oder die Riesenhirsche. Später hat der Mensch dann zum Beispiel die Bisons in den nordamerikanischen Prärien oder die Meeressäuger massiv dezimiert. „Diese Welt hatte früher zehnmal so viele Wale, 20-mal mehr Wanderfische, doppelt so viele Seevögel und zehnmal mehr große Pflanzenfresser“, resümiert Joe Roman. Mit einer Reihe mathematischer Modelle haben er und seine Kollegen abgeschätzt, welche Folgen dies hat. Demnach soll die Transportkapazität für Nährstoffe durch den Schwund der großen Landtiere und Wale weltweit um 94 Prozent zurückgegangen sein.

Den größten Verlust an tierischen Spediteuren dürfte dabei Südamerika erlitten haben. Noch während der letzten Eiszeit lebten dort 15 Arten von großen Pflanzenfressern, die ein Gewicht von mehr als tausend Kilogramm auf die Waage brachten. Keiner dieser Giganten aber hat überlebt. Die heutigen Rekordhalter der südamerikanischen Tierwelt, zu denen etwa die Tapire gehören, wiegen vielleicht 300 Kilogramm. Da muss man in Sachen Kotproduktion schon ein paar Abstriche machen.

Rinder füllen die Lücke

Die zahllosen Rinder und anderen Nutztiere des Kontinents bringen insgesamt zwar deutlich mehr Gewicht auf die Waage als die verschwundenen Riesen, trotzdem aber konnten sie die Lücken in den Reihen der Kotlieferanten nicht schließen. Denn zum einen können sie die Nährstoffe nicht großflächig verteilen, weil sie in der Regel auf eingezäunten Weiden stehen. Zum anderen bestehen die meisten Herden nur aus einer einzigen Tierart. Bei der Wahl ihrer Fress- und Kotplätze haben ihre Mitglieder daher ähnliche Vorlieben. Selbst wenn sie frei herumlaufen dürften, würden sie die Nährstoffe an populären Stellen konzentrieren, statt sie zu verteilen.

Südamerikas Transportkapazität für Nährstoffe, die früher wohl die höchste weltweit war, ist durch das Verschwinden der großen Vegetarier daher auf ein Prozent gesunken. Im Amazonasbecken werden dadurch offenbar deutlich geringere Mengen Phosphor aus den Überschwemmungsgebieten auf die abseits der Flüsse gelegenen Flächen transportiert. Und da dieses Element in den Böden des Amazonasgebiets chronisch knapp ist, dürfte das nicht ohne Folgen für die Fruchtbarkeit dieser Gebiete geblieben sein.

Defizit beim Phosphat

Überhaupt sei Phosphor „ein Schlüsselelement in Düngern“, wie es Chris Doughty formuliert. Doch die Vorräte an leicht abbaubarem Phosphat, das man zu diesem Zweck nutzen kann, werden Schätzungen zufolge nur noch vielleicht 50 Jahre reichen. „Tierbestände wieder aufzupäppeln könnte helfen, das Element aus dem Meer an Land zu bringen und so die global verfügbaren Vorräte aufzustocken“, meint der Forscher. Doch lassen sich die alten Transportbänder überhaupt wieder reaktivieren? Zumindest in einigen Fällen könnte das durchaus realistisch sein: „Es mag ja eine politische Herausforderung sein“, gibt Joe Roman zu. „Aber es ist sicher möglich, Bisonherden nach Nordamerika zurückzubringen.“ Und auch eine Welt mit einigermaßen zahlreichen Walbeständen sei durchaus wieder vorstellbar.