Die Umweltministerin Barbara Hendricks will 40 Prozent Kohlendioxydemissionen bis 2020 einsparen. Dazu soll die Landwirtschaft auch einen Beitrag leisten. Ein Besuch in einem Rinder-Versuchsstall sorgt für erstaunliche Erkenntnisse.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Kleve - Sie heißt nicht Bertha, Minna oder Wilhelmine. Ein gelber Chip am Ohr weist sie aus als Kuh 238. Sie ist schwarz-bunt, wie ihre Artgenossen neben ihr und gibt im Durchschnitt 30 bis 35 Liter Milch am Tag. Und auch wenn Kühe in der Region ganz und gar keine Seltenheit sind, weil der Landkreis Kleve im tiefen Westen von Nordrhein-Westfalen mit 116 000 Rindern und fast 47 000 Milchkühen der rinderreichste des Landes ist, ist Kuh 238 doch etwas besonderes. Egal, was sie macht – Silage mampfen, wiederkäuen, Milch geben und sogar verdauen – sie tut es im Dienst der Wissenschaft.

 

Deshalb ist Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auf ihrer Sommerreise zu Besuch im landwirtschaftlichen Versuchsstall von Haus Riswick. Denn die Kuh als solche ist zum Risiko für das Weltklima geworden, weil sie beim Wiederkäuen das klimaschädliche Methan produziert und ihr Mist Ammoniak enthält. Einerseits. Andererseits sind das Tier und die Kuhhaltung damit zum Instrument des Klimaschutzes und zum Reduktionspotenzial geworden. Zwar schüttelt der Agrarwissenschaftler Wolfgang Büscher über Dramatisierungen wie „die Kuh als Klimakiller“ den Kopf; und Fragen, ob nun rülpsen oder pupsen schlimmer sei, verbittet er sich gleich ganz. Aber die Tatsache, dass die Landwirtschaft ein Klimafaktor ist, nährt das Interesse an seinem ausgeklügelten Versuchsstall. Dort kann getestet und gemessen werden kann, wie unterschiedliche Haltungsbedingungen – etwa die Beschaffenheit der Böden im Stall – und unterschiedliches Futter – Mais- oder Grassilage – sich auf die tierische Gasproduktion auswirken.

Beim Klimaziel klafft noch eine deutliche Lücke

Deshalb ist Barbara Hendricks, die in Kleve zuhause ist, ganz Ohr. Sie weiß nicht nur, dass die Landwirtschaft in Deutschland insgesamt immerhin acht Prozent zu den Emissionen beisteuert und dass mehr als ein Viertel – 26 Prozent – auf die Verdauungsgase der Tiere entfallen. Hendricks weiß darüber hinaus auch nur zu gut, dass die Bundesregierung derzeit noch weit von ihrem Ziel entfernt ist, die Kohlendioxyd-Emissionen bis zum Jahr 2020 um vierzig Prozent zu reduzieren (gemessen am Basisjahr 1990). Selbst wenn alle bisher beschlossenen Reduktionspläne umgesetzt werden, klafft zwischen Anspruch und Ergebnis eine Lücke von mindestens sieben Prozent oder 85 Megatonnen CO2.

Um diese Lücke zu schließen, sammeln die Ministerien in Berlin derzeit Beiträge für Hendricks Aktionsprogramm Klimaschutz 2020. Im April hat sie die Leitlinien dazu verschickt, im November soll das Programm im Kabinett beschlossen werden. Die Ministerin gibt sich sicher, dass die Minderung um weitere sieben Prozent machbar ist – ob aber die freiwilligen Beiträge reichen, die ihr Haus in den unterschiedlichen Ressorts derzeit einsammelt? Klar sei, dass auch die Landwirtschaft einen Beitrag leisten solle, sagt Hendricks. Wegen der Suche nach „Stellschrauben im Stall“, wie es eine ministerielle Landwirtschaftsexpertin formuliert, macht Barbara Hendricks Visite im Haus Riswick, lässt sich die Versuchsanordnung, die Fütterung und die Gasmessanlage erklären.

Weniger Methan bei Fütterung mit Silage

Hoffnungen auf einen schnellen Beitrag der Rinder- und Milchviehwirtschaft zum Klimaschutz dämpfen Wolfgang Büscher und seine Mitarbeiter jedoch. Im Test haben die Kühe, die mit Maissilage gefüttert wurden, zwar etwas weniger Methan produziert als die Artgenossen, die frisches Gras bekommen hatten. Gleichwohl hält Büscher die Methanreduktion für ein sehr schwieriges Geschäft. „Wir können aus Wiederkäuern keine Monogastrier machen,“ sagt der Wissenschaftler, und dass „der Pansen einer Kuh ein sehr sensibles Ökosystem ist. Da heißt es erst einmal: weiterforschen.“

Deshalb ist es gut, dass Hendricks bei ihrer Sommertour noch andere Projekte gezeigt bekommt. Die gerade modernisierte und klimaeffiziente Kläranlage von Isselburg beispielsweise. Würden alle Kläranlagen in Deutschland deren Emissionswerte erreichen, würden nach Berechnungen des Ministeriums jährlich 600 000 Tonnen weniger CO2 in die Atmosphäre gepustet. Das ist gemessen an der Menge, die noch eingespart werden muss, zwar ein Klacks. Aber die Devise „Kleinvieh macht auch Mist“ will das Umweltministerium bei der Sammelaktion für den Klimaschutz auch nicht außer Acht lassen.