Fahrverbote und Fabrikschließungen in Santiago de Chile: in der Metropole herrscht eine so große Schadstoffkonzentration, dass der Umweltnotstand ausgerufen worden ist. Die Luftqualität in der Stadt ist seit langem ein großes Problem.

Santiago - Eine Millionen-Stadt, die im Smog versinkt – so stellt sich Santiago de Chile in diesen kalten Wintertagen der südlichen Halbkugel dar. Die Behörden erlassen Fahrverbote, Fabriken mit hohem Schadstoffausstoß liegen still. Wer nur mit Holz heizen kann, muss im Kalten sitzen. In den Schulen fällt die Turnstunde aus, vor Sport an der frischen Luft wird ausdrücklich gewarnt.

 

Die Schadstoffkonzentration am Himmel über der Sieben-Millionen-Metropole war am Montag so hoch, dass die Behörden den Umweltnotstand ausriefen – zum ersten Mal seit 1999. 40 Prozent der 1,7 Millionen Autos durften zunächst nicht mehr fahren, vor allem ältere Modelle mit hohem Schadstoffausstoß. Mehr als 1300 Betriebe, die schädliche Stoffe in die Luft entlassen, mussten ihren Betrieb einstellen. An den Stadträndern und in den Armenvierteln heizen die Menschen mit Holz; auch das wurde vorübergehend verboten.

Am Montagabend hatten sich die Werte etwas gebessert, so dass sich am Dienstag die Lage leicht entspannte und weniger scharfe Einschränkungen galten. Nicht mehr 680 000, sondern noch rund 300 000 Autos sind von den Straßen verbannt. Für die Fabriken wurde jedoch keine Entwarnung gegeben.

Die Anden stehen der Luft im Weg

Zurzeit findet in Chile die südamerikanische Fußball-Meisterschaft statt, was zusätzliche Luftbelastung nach sich zieht: Einerseits mehr Verkehr, andererseits zahllose Feuerstellen der Fußball-Freunde, die Sieg und Niederlage mit Grillfesten begehen, und schließlich die oft brennenden Straßensperren von Demonstranten, die die durch den Fußball erzeugte Aufmerksamkeit für ihre Ziele nutzen wollen und auf die Straßen gehen.

Die Luftqualität in Santiago ist seit langem ein großes Problem. Die Stadt liegt etwa 500 Meter hoch und ist im Osten von den bis zu 3250 Meter hohen, schneebedeckten Gipfeln der Sierra de Ramón begrenzt, hinter denen sich, von Santiago aus nicht sichtbar, die bis zu 6000 Meter hohen Berge der Anden anschließen.

Die Windzirkulation ist daher behindert, und vor allem im Winter kommt oft eine Inversionswetterlage hinzu: Die Sonne erwärmt die oberen Luftschichten, die unteren bleiben kalt, sodass kein Austausch stattfindet. Dies Jahr kommt hinzu, dass der Regen ausblieb. Santiago erlebt die krasseste Trockenheit seit 1968.

Warnungen werden immer häufiger

In den Fünfzigern, als sich durch Industrialisierung und Landflucht auch die ökologischen Probleme zu verdichten begannen, kam sogar der Vorschlag auf, die Berge im Osten zum Teil abzutragen, um den Luftaustausch zu verbessern. Das Projekt wurde jedoch fallengelassen, als man feststellte, dass benachbarte Regionen, die offener liegen, unter ähnlicher Luftverschmutzung zu leiden hatten. Die Stadt wuchs und wuchs, und erst in den Neunzigern wurden Umweltgesetze erlassen, die die Lage tatsächlich erträglicher machten. Vor allem wurden Katalysatoren zur Pflichtausstattung der Neuwagen, und für die Industrie-Schadstoffe wurden strengere Grenzwerte definiert.

Die ökologischen Folgen, die das hohe Wirtschaftswachstum des vergangenen Jahrzehnts nach sich gezogen hat, scheinen diese Erfolge jedoch zumindest zum Teil zunichte gemacht zu haben. Auch wenn der Umweltnotstand am Montag zum ersten Mal seit 16 Jahren ausgerufen wurde, haben sich die Warnungen von geringerer Dramatik in letzter Zeit gehäuft.

Nichtsdestotrotz konnte das Viertelfinal-Spiel bei der Fußball-Meisterschaft zwischen Chile und Uruguay am Mittwoch wie geplant in der Hauptstadt stattfinden.