In den vergangenen Jahrzehnten tauchten viele Probleme im Zusammenhang mit der Umwelt auf. Manche sind gelöst - andere noch lange nicht.

Stuttgart - Der Leserbrief war eindeutig: Wie können die Redakteure der Stuttgarter Zeitung nur so mit Blindheit geschlagen sein und das Märchen vom menschengemachten Ozonloch glauben? Vielmehr meinte der Leserbriefschreiber, die Redaktion davon überzeugen zu müssen, dass der Ozonschwund über dem Südpolgebiet nicht von den Fluorchlorkohlenwassserstoffen, den FCKW, verursacht werde, sondern von den Rauchgasen des in der Antarktis gelegenen Vulkans Mt. Erebus.

 

Das war Anfang der 90er Jahre, also lange Zeit, nachdem Wissenschaftler Alarm geschlagen hatten. Messungen zufolgen nimmt bereits seit Ende der 70er Jahre der Ozongehalt in den oberen Schichten der Atmosphäre über der Antarktis im dortigen Frühjahr ab. Richtig erkannt wurde dies aber erst Mitte der 80er Jahre. Damals wurde auch der Begriff Ozonloch geboren. Und die Wissenschaftler warnten vor Gefahren: Wird die schützende Ozonschicht dünner, kann mehr ultraviolette Strahlung an die Erdoberfläche vordringen - was für alle Lebewesen dort auf vielfältige Weise gefährlich werden kann.

Die Krise ist nicht ausgestanden

Es dauerte nicht lange, und die Wirkungskette - und damit die Ursache - war erkannt: Vor allem das Chlor in den FCKW-Molekülen kann das aus drei Sauerstoffatomen bestehende Ozon knacken. Die internationale Reaktion der Politiker kam erfreulich schnell: Bereits im Herbst 1987 beschlossen sie im kanadischen Montreal, die Verwendung der FCKW und anderer ozonschädigender Substanzen zu verbieten. In Kraft trat das Abkommen zum 1. Januar 1989. Zunächst jedoch nahmen die FCKW-Konzentrationen noch zu. Doch seit 1993 sinken sie, wenn auch nur langsam. Vor einem Jahr veröffentlichten Schweizer Wissenschaftler eine Studie, die den Beweis dafür lieferte, dass die Erholung der Ozonschicht begonnen hat, weil die FCKW verboten wurden. Doch die Freude über diese klare Botschaft währte nicht lange: Im Frühjahr dieses Jahres wurde über dem Nordpolgebiet ein Ozonverlust nachgewiesen, der alles übersteigt, was jemals über der Arktis gemessen wurde. Sogar Norddeutschland wurde damals vom Ozonloch gestreift, wie auch in der Stuttgarter Zeitung zu lesen war.

Diese jüngste Episode in der nunmehr über 40 Jahre währenden Geschichte des Ozonschwunds über den Polgebieten zeigt, dass sich die Welt - ozonmäßig gesehen - zwar erholt, aber die Krise noch lange nicht ausgestanden ist. Sie beweist aber auch, dass es sich lohnt, die Ursachen für eine Umweltmisere zu erforschen und Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Einfach ist dies jedoch in aller Regel nicht: Am Beispiel des erwähnten Leserbriefs lässt sich erahnen, wie Wissenschaftler, die mit Ursachenforschung und Therapievorschlägen aufwarten, der Häme vieler Zeitgenossen ausgesetzt sind. Das gilt oft genug auch für Journalisten, die darüber berichten.

Dem Chemikaliencocktail hatten Bäume wenig entgegenzusetzen

Ein anderes Beispiel ist das Waldsterben, das ab Anfang der 80er Jahre zunächst die deutschen Forste und dann die Medien fest im Griff hatte. "Stirbt der deutsche Wald?", lautete damals die bange Frage, die sich - trotz nach wie vor anhaltender Baumschäden - heute klar mit nein beantworten lässt. Doch obwohl sich die Wälder inzwischen selbst in exponierten Lagen wieder erholen, heißt das noch lange nicht, dass die Wissenschaftler mit ihren Warnungen damals übertrieben hatten - und damit auch nicht die Journalisten, die darüber ausführlich berichteten.

Vielmehr war es, wie zuvor schon bei der Gewässerverschmutzung und später beim Ozonloch, die intensive Forschung, die den Ursachen auf die Spur kam: Rauchgase, die ungefiltert aus den Schloten von Kraftwerken und Fabriken in die Luft quollen. Und deren Inhalt - vor allem das darin enthaltene Schwefeldioxid - dann teilweise erst in hunderten Kilometern Entfernung an Orten niederregnete, die bis dahin als Inbegriff einer intakten Natur galten. Dem sauren Chemikaliencocktail hatten die Bäume wie auch der Boden dort wenig entgegenzusetzen.

Heute redet niemand mehr von Waldsterben

Es bedarf wenig Fantasie, um sich auszumalen, was passiert wäre, wenn - nach den massiven Warnungen der Wissenschaftler und den entsprechend aufgeregten Berichten in den Medien - die Politiker nicht dem sauren Regen den Kampf angesagt hätten. Und das mit Erfolg: die Entschwefelung der Rauchgase an der Quelle, aber auch kurierende Maßnahmen vor Ort wie die Kalkung von Wäldern haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Heute redet niemand mehr vom Waldsterben. Die jährlichen Waldschadensberichte, die inzwischen politisch unverfänglicher Waldzustandsberichte heißen, zeigen jedoch deutlich, dass es nach wie vor viel zu viele kranke Bäume gibt.

Immerhin: die Umweltprobleme saurer Regen und Ozonloch sind weitestgehend gelöst, wenn auch die "Nachwehen" bis heute fortdauern. Und sie waren harmlos im Vergleich zu einer tiefgreifenden Veränderung des Ökosystems Erde, die seit mehr als zwei Jahrzehnten die Welt beschäftigt: die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung. Wobei auch hier bis heute die vom Waldsterben und Ozonloch bekannten Muster greifen: Viele Menschen bezweifeln die Erkenntnisse der Forscher und prügeln sozusagen gleich die Boten mit, die sie verkünden, nämlich die Journalisten. Dies bekommen immer wieder auch die Wissenschaftsredakteure der Stuttgarter Zeitung zu spüren.

Dabei gründet sich das Wissen der Redakteure keineswegs nur auf die Aussagen einzelner Forscher. Vielmehr stützt sich die Meinungsbildung auf die Lektüre von Fachartikeln, die Besuche von Fachkongressen und Laboren sowie auf intensive Gespräche mit Wissenschaftlern zahlreicher Fachrichtungen. In der StZ-Wissenschaftsredaktion ist dabei im Laufe der Jahre die Erkenntnis gereift, dass die Menschheit eine Entwicklung in Gang gesetzt hat, die sie nur schwer - wenn überhaupt noch - kontrollieren kann. Und im Gegensatz zu Waldsterben und Ozonloch zeichnet sich bis heute trotz vielfacher internationaler Bemühungen noch keine Strategie ab, wie die Klimaerwärmung wirkungsvoll gebremst werden kann.


Gewässerverschmutzung: Ende der 1950er Jahre warnten Wissenschaftler, dass der Bodensee zu viele Abwässer aufnehmen musste. In der Folgezeit wurden überall im Land Kläranlagen gebaut.

Saurer Regen: Vor allem das in Rauchgasen enthaltene Schwefeldioxid ließ den Regen sauer werden und Wälder sterben. Die Rauchgasentschwefelung löste das Problem weitestgehend. Doch nach wie vor sind Bäume insbesondere durch Stickstoffverbindungen belastet, die von der Landwirtschaft in die Luft abgegeben werden.

Ozonloch: Mitte der 80er Jahre berichteten Forscher erstmals über das Ozonloch in der Antarktis. Abhilfe kam 1989, als FCKW verboten wurden.

Bodenozon: Die Luftverschmutzung in Ballungsgebieten sorgt für die Bildung von bodennahem Ozon, das die menschliche Gesundheit beeinträchtigt und Pflanzenschäden hervorruft. Viele Maßnahmen, unter anderem das Absaugen von Bezindämpfen an Tankstellen, haben das Problem gelindert.

Feinstaub: Vor allem Dieselruß aus Autoabgasen belastet die Menschen in Ballungsgebieten. Rußfilter sollen helfen.

Klimaerwärmung: Die nach wie vor weitgehend ungezügelte Verbrennung fossiler Brennstoffe wärmt die Erde auf. Eine wirkliche Abhilfe ist noch nicht in Sicht.