Anwohnern am feinstaubgeschwängerten Neckartor geht der Stufenplan des Landes nicht weit genug: Nach zehn Jahren mit zu hohen Schadstoffwerten fordern sie Sofortmaßnahmen gegen die dicke Luft.

Stuttgart - Das Jahr 2021 soll ein höchst bedeutsames in der Geschichte Stuttgarts werden: Dann soll nicht nur der umstrittene Tiefbahnhof fertig sein, sondern es sollen auch die seit zehn Jahren viel zu hohen Feinstaubwerte am Neckartor zuverlässig unter dem Grenzwert liegen. Das Land hat – wie berichtet – wegen der dichten Schadstoffschwaden in Stuttgart gleich zwei blaue Briefe von der EU-Kommission in Brüssel erhalten, weil auch die Stickoxidwerte seit Jahren weit über dem gesetzlichen Limit liegen. Jetzt muss gehandelt werden, denn sonst drohen hohe Bußgelder von bis zu 250 000 Euro je Überschreitungstag.

 

„Wir sind zuversichtlich, dass wir 2021 beim Feinstaub unter dem Limit liegen“, sagte Christoph Erdmenger, Leiter der Abteilung Nachhaltige Mobilität im Landesverkehrsministerium, am Dienstagabend bei der Bürgerinformation im Linden-Museum vor etwa 100 vorwiegend in Umweltinitiativen und Verbänden engagierten Bürgern. Das Ziel des Zwei-Stufen-Plans des Landes sei es, „die Mobilität sicherzustellen und die Gesundheit der Bürger zu schützen“.

Blaue Zone für Autos mit Euronorm 6

Die erste Stufe setzt auf Appelle zur Verhaltensänderung, Informationskampagnen, und Nutzeranreize, etwa kostenlose Parkplätze für Elektroautos. Erst die Stufe 2 enthält verpflichtende Maßnahmen. Dann sollen in der Stadt nur noch Dieselfahrzeuge mit Euronorm 6 fahren dürfen. Dafür fehlt noch die gesetzliche Grundlage, die das Land aber durch eine Bundesratsinitiative bis 2018 schaffen möchte. „Weitere Vorschläge aus der Bürgerschaft sind willkommen“, betonte Helmut Bauer vom Tübinger Umweltinstitut „ufit“, der die Veranstaltung moderierte.

„Bessere Technik allein reicht nicht, Appelle sind wichtig, sie allein reichen aber auch nicht“, erklärte der Verkehrswissenschaftler Udo Becker von der Universität Dresden, der das Konzept des Landes auf dessen Machbarkeit überprüft hat. Notwendig seien viele kleine wirkungsvolle Maßnahmen und die Einführung der blauen Zone (nur Autos mit Euronorm 6 erlaubt), um die Schadstoffwerte ausreichend zu senken. „Jeder hat ein Recht auf Mobilität und auf saubere Luft, aber nicht auf Tempo 50“, so Becker. Um die eigenen Mobilitätsbedürfnisse zu erfüllen, müssten die Bürger stärker auf das Fahrrad, den Nahverkehr und die eigenen Füße zurückgreifen. „Wir brauchen in Stuttgart 20 Prozent weniger Autoverkehr“, konstatierte Becker. Um das zu ermöglichen, müsse das Nahverkehrsangebot fast verdoppelt werden. „Leichter wird es, wenn von 100 Autofahrern fünf aufs Rad, fünf mit Arbeitskollegen fahren und zehn weitere ihre Autofahrten halbieren.“