Die Umwelthilfe stellt der Stadt Stuttgart ein schlechtes Zeugnis bei der Kontrolle von roten Plaketten aus. Die Polizei wehrt sich dagegen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Seit dem 1. März 2008 dürfen keine Autos mit roter Plakette mehr durch Stuttgart fahren - und am Anfang hatte die Polizei auch kräftig kontrolliert, um diesem Fahrverbot Nachdruck zu verleihen. Bei zwei Kontrollen Anfang März sind beispielsweise 47 Autofahrer ermahnt worden, die trotz roter Plakette die Straßen Stuttgarts verpestet haben, so lehrt ein Blick ins Archiv.

 

Seither hat der Elan der Politessen und Polizisten stark nachgelassen: Denn die Deutsche Umwelthilfe hat jetzt bei einer Umfrage in 43 deutschen Städten Stuttgart ein ziemlich schlechtes Zeugnis ausgestellt. "Die Städte zeigen wenig Interesse an einer effektiven Kontrolle und Durchsetzung der selbst erlassenen Regeln", sagt Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe.

Umwelthilfe bescheinigt schlechte Kontroll-Bilanz

Konkret hat der Verein - die Umwelthilfe mit 80 hauptamtlichen Mitarbeitern setzt sich für den Schutz von Natur und Umwelt ein - fünf Punkte abgefragt. Wird der fließende Verkehr überwacht, und werden dort Verstöße auch geahndet? Wird der ruhende Verkehr kontrolliert, und werden Bußgelder vergeben? Und sind die Kontrollen so effektiv, dass mindestens zehn Verstöße pro 1000 Einwohner im vergangenen Jahr festgestellt wurden?

Stuttgart hat von fünf möglichen Punkten nur zwei erhalten, nämlich dafür, dass der fließende Verkehr kontrolliert wird und Bußgeldbescheide verschickt werden.

Kontrollen erfolgen eher sporadisch

Doch selbst diese Kontrollen, für die die Polizei zuständig ist, erfolgen eher sporadisch. "Die Polizei prüft nicht speziell die Einhaltung des Fahrverbotes", sagt Polizeisprecher Olef Petersen. Vielmehr werde bei normalen Kontrollen geschaut, ob die Plakette an der Windschutzscheibe in Ordnung sei."

Bei der Fülle der Aufgaben kann die Polizei gar keine speziellen Kontrollen übernehmen", so Petersen. So wundert es nicht, dass die Zahl der erteilten Bußgelder "verschwindend gering" ist, wie Bernd Eichenauer sagt, der Leiter der Verkehrsbehörde im Ordnungsamt. Ob die Polizei ihre Präsenz verstärkt, wenn zum 1.Januar 2012 das Fahrverbot für Autos mit gelber Plakette eingeführt wird, kann Petersen noch nicht sagen.

"Wir wollen ja kontrollieren"

Der ruhende Verkehr, für den die Stadt zuständig ist, wird in Stuttgart gar nicht überwacht - weil solche Kontrollen nicht zulässig seien, argumentiert Bernd Eichenauer: "Wir haben am Anfang Bescheide verschickt, aber alle Anzeigen sind vom Amtsgericht eingestellt worden." Das Problem: ein Verstoß liege erst vor, wenn das Auto fährt; der Halter eines parkenden Autos mit roter Plakette habe sich noch nicht ins Unrecht gesetzt.

In anderen Bundesländern oder auch in Ulm ist eine Ahndung im ruhenden Verkehr laut Umwelthilfe aber möglich - vielleicht ist das Stuttgarter Amtsgericht besonders streng. Das Ordnungsamt hofft jetzt auf eine angekündigte Änderung der Straßenverkehrsordnung: "Denn wir wollen ja kontrollieren", sagt Eichenauer. Er kündigt an, dass der Westen dann als erster Stadtteil frei von Autos mit roter Plakette werden dürfte - denn dort sind derzeit durch das neue Parkkonzept am meisten Politessen unterwegs.

Am besten schneiden Berlin und Hannover ab

Insgesamt liegt Stuttgart unter den 43 befragten Städten im Mittelfeld. Auffällig ist allerdings, dass es gerade in baden-württembergischen Städten kaum Kontrollen gibt: Von den 18 befragten Städten im Ländle erhielt keine mehr als zwei Punkte. Spitzenreiter sind dagegen Berlin und Hannover: "Die Feinstaubwerte verbessern sich spürbar, wenn Plakettensünder mit Sanktionen rechnen müssen", sagt Jürgen Resch. In Berlin seien die toxischen Dieselrußemissionen seit Einführung der Umweltzone um 58 Prozent zurückgegangen.

In diese Kerbe schlagen jetzt die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat. Das Fahrverbot sei nicht aus irgendeinem diffusen Grund eingerichtet worden, sondern um "Stuttgarter Bürger vor Erkrankung und vorzeitigem Tod" zu schützen, so die Stadträte Peter Pätzold und Michael Kienzle in einem Antrag an die Stadtverwaltung.

Aus diesem Grund müsse eine wirksame Überwachung der Plaketten stattfinden. Sie fordern, dass einige neue Mitarbeiter in der Verkehrsüberwachung eingesetzt werden; die Stadt hatte zugesagt, zehn neue Stellen zu schaffen, um die Einführung der nächsten Stufe der Umweltzone zu bewältigen. Eichenauer dämpft aber die Erwartungen: "Wir brauchen alle diese Leute für die Bearbeitung der vielen Anträge."