Die Aufsicht der Umweltzonen läuft in Baden-Württemberg sehr unterschiedlich. Die Deutsche Umwelthilfe hat jetzt fünf Städte ermahnt, weil sie unzureichend kontrolliert haben. Die zeigen aber wenig Einsicht.

Stuttgart - Zum Beispiel Schramberg. Die Stadt mit ihren fünf Tälern war im vergangenen Jahr mit einer Umweltzone versehen worden – gegen ihren ausdrücklichen Willen. Der Grund: auf der Bundesstraße 462 war wegen des starken Lastwagenverkehrs und bis zu 18 000 Fahrzeugen eine ungewöhnlich hohe Stickstoffbelastung festgestellt worden. Doch nach der seit 2005 geltenden europaweiten Grenzwerte für Feinstaub blieb dem Regierungspräsidium Freiburg nichts anders übrig, als einzuschreiten. Wird der Tagsmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an mehr als 35 Tagen im Jahr überschritten, muss die Stadt eine Umweltzone einrichten. Um die Qualität der Luft in der Innenstadt zu verbessern, dürfen dann nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in die Stadt fahren.

 

„Begeistert war niemand hier“, sagen Mitarbeiter im Rathaus hinter vorgehaltener Hand. Dabei hätten Aufwand und Begleitung durch die Behörden größer und besser gar nicht sein können. Verkehrsbüros erstellten aufwendige Gutachten zur Verkehrs- und Schadstoffbelastung. Das Regierungspräsidium erließ Verfügungen. Passiert ist – nichts. Im ganzen Jahr 2013 hat die Stadt Schramberg kein einziges Bußgeld verteilt.

Ein Land der „Dieselstinker“

Schramberg ist typisch für ein Land, in dem „Dieselstinker“ noch immer eine Chance haben, sagt Jürgen Resch, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit Sitz in Radolfzell und Berlin. Die Umweltorganisation hat das Kontrollverhalten in den 60 deutschen Umweltzonen untersucht und Schramberg sowie vier weiteren Kommunen in Baden-Württemberg eine Rote Karte wegen ungenügender Aufsicht erteilt. Die Städte Pforzheim, Pfinztal, Mühlacker und Wendlingen kommen in der Übersicht der Umwelthilfe ebenso schlecht weg. Selbst Universitätsstädte mit positivem Umweltimage wie Freiburg und Tübingen bekommen wegen unzureichender Kontrollen eine Gelbe Karte angeheftet.

Die traditionell wegen ihrer hohen Feinstaubbelastung in der Kritik stehende Stadt Stuttgart aber kommt gut weg. Die Landeshauptstadt erhielt wegen flächendeckender Kontrolle des ruhenden wie des fließenden Verkehrs eine „Grüne Karte“ für vorbildliches Verhalten. Insgesamt 12 584 Verstöße haben die Polizei und der Gemeindevollzugsdienst in der 600 000 Einwohner zählenden Metropole geahndet, 9058 Bußgeldbescheide wurden ausgestellt. Zwischen 53 und 106 Euro mussten die Fahrer bezahlen.

Allerdings hat das Regierungspräsidium für Stuttgart auch mit 13 312 die höchste Zahl an Ausnahmegenehmigungen erteilt. Auch Ludwigsburg, dessen Umweltzone die Gemeinden Bietigheim-Bissingen und Kornwestheim umschließt, hat mit 7817 Verstößen und 4035 Bescheiden von den Umweltschützern ein Lob bekommen. Die einzige Kommune im Land aber, die sich ihrer Pflicht zu Kontrolle überhaupt nicht verpflichtet fühlte, ist Schramberg, die 20 000 Einwohner zählende Große Kreisstadt im Kreis Rottweil.

Dort ist nichts von Einsicht oder Reue zu spüren. Auf Anfrage teilt die Stadt mit, sie halte „die im Luftreinhalteplan angeordneten Maßnahmen für ungeeignet und unverhältnismäßig, um die vorgegebenen Grenzwerte für die Stickstoffdioxidbelastung zu erreichen“. Die Kommune werde die im Luftreinhaltplan angeordneten Fahrverbote für den ruhenden Verkehr „im Rahmen unserer Möglichkeiten“ kontrollieren. Für den fließenden Verkehr sei die Stadt „nicht zuständig“.

Wenig Einsicht bei den ertappten Umweltsündern

Eine Haltung, die typisch ist für die ertappten Sünder. Pforzheim gibt kühl zurück, man habe „alle feststellbaren“ Verstöße geahndet. Insgesamt seien 90 000 Verstöße im ruhenden Verkehr festgestellt worden. Laut Umwelthilfe waren aber nur 268 Bußgeldbescheide wegen Umgehung der Umweltbestimmungen ausgesprochen worden.

In der DUH-Auflistung fehlten laut Stadt Pforzheim „weitere 120 Kostenbescheide, 40 Verwarnungen und Weiterleitungen an die Staatsanwaltschaft“. An der Untersuchung des Verbandes lässt ein Sprecher kaum ein gutes Haar. „Die Umweltzonen lassen sich wegen ihrer unterschiedlichen Größe nur schlecht vergleichen“, sagt der Sprecher. „Die Aussagekraft der Studie ist daher sehr eingeschränkt“.

Im rund 15 000 Einwohner großen Wendlingen (Kreis Esslingen) hatte das Regierungspräsidium Stuttgart 2010 eine Umweltzone eingerichtet. 2013 waren dort nur ganze acht Verstöße festgestellt worden. Zum Vergleich: im um die Hälfte kleineren Ilsfeld (Kreis Heilbronn) wurden im gleichen Zeitraum 178 Verfehlungen zur Anzeige gebracht.

Laxe Kontrollpraxis wird trotz Tadel aufrechterhalten

Man habe bei den „routinemäßigen Untersuchungen“ eben nicht mehr Verstöße festgestellt“, teilt der Wendlinger Bürgermeister Steffen Weigel (SPD) lapidar mit. Die laxe Kontrollpraxis werde man trotz des schlechten Zeugnisses „nicht ändern“, lässt Weigel wissen. Schließlich würden immer mehr ältere Fahrzeuge durch neue mit grüner Plakette ersetzt. Dann habe sich das Problem erledigt.

Die Umweltzone ist eine kommunaler Maßnahmen gegen verkehrsbedingte Luftqualitätsprobleme, die europaweit möglich ist, wenn die Luftqualitätsgrenzwerte nach Gemeinschafts- oder Landesrecht in städtischen Gebieten nicht eingehalten werden. In einer Umweltzone dürfen nur die Fahrzeuge fahren, die hierfür mit einer Plakette gekennzeichnet sind.

Grundlage für die Umweltzonen sind die seit dem 1. Januar 2005 europaweit geltenden Grenzwerte für Feinstaub. Hier wurde ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und ein Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft festgelegt.Der Tagesmittelwert darf an maximal 35 Tagen pro Kalenderjahr überschritten werden.

In Deutschland sind gegenwärtig 60 Umweltzonen aktiv, darunter in 20 Kommunen in Baden-Württemberg. In Darmstadt, Offenbach und Siegen sind derzeit weitere Zonen geplant. Dabei liegen noch zahlreiche weitere deutsche Städte teilweise deutlich über der tolerierten Anzahl von Überschreitungen bei der Feinstaubbelastung.