Das Geschäft mit Drohnen dürfte ein Milliardenmarkt werden. Aber noch sind nicht alle rechtlichen und regulatorischen Hürden aus dem Weg geräumt.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Auf der Luftfahrtmesse im britischen Farnborough ist vor einigen Tagen die Zukunft zu besichtigen gewesen. Es sind nicht die Riesenjets oder die neuesten Militärflugzeuge, welche die Branche zurzeit elektrisieren, sondern es ist das weit offene Feld der sogenannten „unbemannten Luftfahrzeuge“, im Volksmund Drohnen genannt.

 

Technologisch hat sich in den vergangenen Jahren enorm viel getan. Vom Mini-Fluggerät in Kolibrigröße bis zum ausgewachsenen Miniflugzeug ist das Spektrum inzwischen riesig. Es gibt kompakte Minihubschrauber, die wie fliegende Boxen aussehen oder Langstrecken-Versionen mit eleganten Segelflügeln. Von Elektromotoren, über Verbrennungsmaschinen bis hin zu Strahltriebwerken ist das gesamte Antriebsspektrum möglich. Beim Militär sind die Fluggeräte Alltag. Über die Frage, ob die Bundeswehr sich neben den Aufklärungsversionen auch bewaffnete Exemplare beschaffen soll, wird in Deutschland heftig diskutiert. Auch bei Hobbypiloten erleben kompakte Fluggeräte hierzulande einen Boom. Doch Hersteller wie die 2005 gegründete Siegener Firma Microdrones haben vor allem kommerzielle Anwender im Visier. Mehr als 1000 Mikrohubschrauber wurden nach eigenen Angaben im In- und Ausland bisher verkauft – und der Katalog der Anwendungen wird immer größer.

Von einem weltweiten Markt in der Größenordnung von 90 Milliarden Dollar (rund 67 Milliarden Euro) in den kommenden zehn Jahren spricht das auf die Luftfahrtbranche spezialisierte US-Beratungsunternehmen Teal Group in einer aktuellen Studie. Demnach soll sich der jährliche Umsatz mit diesen Fluggeräten verdoppeln. Die Mini-Fluggeräte werden trotz der Träume von der Express-Paketlieferung vor allem als Beobachtungsplattformen dienen. Das reicht von der Verkehrsüberwachung und Filmaufnahmen, über die Wartung von Pipelines und Stromtrassen bis hin zur Analyse der Ernteaussichten für Landwirte. Der Schritt vom manuell ferngesteuerten Fluggerät zum autonomen Flugroboter ist technologisch vollzogen.

Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Aber nun stößt die weitere Entwicklung nicht auf technische, sondern rechtliche Grenzen. Die Regulierungsprobleme reichen von Sicherheitsfragen bis zum Schutz der Privatsphäre, wenn etwa mit Kameras bewaffnete Miniroboter über den Balkon schwirren. Wie groß der Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit noch ist, dafür liefert Amazon ein Paradebeispiel. Im vergangenen Dezember faszinierte das Unternehmen die Weltöffentlichkeit mit der selbstbewussten Ankündigung von „Amazon Prime Air“, einem Expressdienst für Paketlieferungen aus der Luft. Doch selbst ein Milliardenkonzern muss hier klein anfangen. Ein Dreivierteljahr nach der Ankündigung hat Amazon bei der US-Flugsicherheitsbehörde gerade erst den Antrag auf die Genehmigung von Testflügen eingereicht – vorsichtshalber über dem eigenen Firmengelände. Während Überwachungsflüge in sicherer Höhe technisch kein Problem mehr sind, ist es eben eine relativ komplexe Aufgabe, mehrere Kilogramm Transportgut sicher und unfallfrei zum Empfänger zu bringen.

Bereits vor sieben Jahren hat die US-Flugsicherheitsbehörde die Zügel bei dem Thema Drohnen im übrigen kräftig angezogen: Jegliche kommerzielle Nutzung von unbemannten Fluggeräten ist genehmigungspflichtig. „Deutschland steht im internationalen Vergleich, was die rechtlichen Rahmenbedingungen angeht, gar nicht so schlecht da“, sagt Sven Juerss, der Geschäftsführer von Microdrones.

Unsicherheitsfaktor Mensch

Und dennoch ist erkennbar, dass das Luftsicherheitsgesetz aus einer Zeit stammt, in der es vor allem darum ging, die Modellfluglobby zufriedenzustellen und nicht darum, das Feld für kommerzielle Anwendungen zu eröffnen. Bis zu fünf Kilo Gewicht haben Privatanwender weitgehend freie Hand, sofern sie sich an die Sicherheitsregeln halten und ausreichend versichert sind. Kommerzielle Nutzer brauchen hingegen immer eine amtliche Genehmigung. Bei einem Gewicht von mehr als fünf Kilogramm muss sogar jeder Flug einzeln beantragt werden. Fluggeräte die schwerer sind als 25 Kilogramm und Flughöhen jenseits von 100 Metern sind prinzipiell untersagt – wobei die zuständigen Bundesländer von diesen Parametern abweichen können. Das deutsche Luftsicherheitsgesetz schließt zudem eine Verwendung von Drohnen außerhalb des Sichtfeldes eines menschlichen Bedieners kategorisch aus. Noch nicht einmal der Blick durch das Fernglas ist erlaubt.

Doch damit ist der entscheidende Vorteil einer modernen Drohne, die Fähigkeit zum autonomen Flug über größere Distanzen, erst einmal dahin. „Man merkt, dass diese Vorschriften unter ganz anderen Voraussetzungen entstanden sind“, sagt Juerss. Die Vorstellung vom wachsamen Bediener am Notknopf widerspreche der Realität: „Wenn der Mensch eingreift, fangen häufig die Probleme erst an. Der autonome Flug ist in der Regel deutlich sicherer.“ Die elektrisch angetriebenen und fast lautlosen Minihubschrauber von Microdrones fliegen grundsätzlich selbstständig. Der Bediener ist nur Zuschauer.

Die Großen der Branche warten lieber ab

Doch selbst wenn ein Unternehmen etwa über einem unbesiedelten Waldstück eine Drohne zur Kontrolle von Leitungen oder Pipelines einsetzen wolle, sei das nach heutiger Rechtslage nicht genehmigungsfähig, wenn das Gerät dafür das Sichtfeld verlassen muss. Mehr als 300 bis 400 Meter Entfernung sind deshalb kaum möglich – auch wenn der größere der beiden Mikrohubschrauber von Microcopter fast eineinhalb Stunden in der Luft bleiben kann. Auch das strikte Nachtflugverbot erschließt sich für Juerss nicht: „Nachts können sie eine hell beleuchtete Drohne sogar besser verfolgen als tagsüber.“ Insgesamt differenziere das deutsche Gesetz viel zu wenig nach konkreten Anwendungsbereichen: „Es gibt anscheinend die Angst davor, dass dann alle dieselben Rechte einfordern könnten.“

Doch selbst im Pionierland USA gibt es bis heute keinen Rechtsrahmen, der auf die kommerzielle Nutzung von Drohnen zugeschnitten ist. Bisher tummeln sich auf dem Markt viele Start-up-Unternehmen, welche diese Wild-West-Atmosphäre wenig stört. Doch die Großen der Branche werden erst an den Start gehen, wenn Rechtssicherheit besteht. Immer wieder hat die Flugsicherheitsbehörde FAA den angekündigten Entwurf für ein Drohnen-Gesetz verschoben. Nun ist er mit mehrjähriger Verspätung für den November dieses Jahres avisiert – ob aber das vom Kongress festgelegte Datum 2015 für die Freigabe des US-Luftraums eingehalten werden kann, ist offen.

In den USA ist eine Grauzone entstanden

Wie restriktiv die Praxis bisher ist, zeigt die Tatsache, dass bisher nur zwei offizielle Genehmigungen erteilt wurden. Eine davon betrifft bezeichnenderweise das ferne, dünn besiedelte Alaska. Im Juni gab die FAA dem Ölkonzern BP die Erlaubnis, seine riesigen Förderanlagen an der Prudhoe Bay in Alaska mit einer Drohne zu überwachen. Die Drohne mit dem Namen „Puma“ übersteigt mit fast drei Meter Flügelspannweite die Dimensionen eines Mikrohubschraubers deutlich. Auch der Flugzeughersteller Boeing, der die Genehmigung Nummer zwei erhielt, fliegt mit seinen ähnlich großen Fluggeräten namens Scan-Eagle erst einmal von Alaska aus. Sogar Universitäten, die künftige Drohnenpiloten ausbilden, müssen dies wegen der strengen Regeln am Simulator machen.

Doch die FAA muss Angst haben, dass ihr die Entwicklung aus dem Ruder läuft. Denn längst ist in den Vereinigten Staaten eine rechtliche Grauzone entstanden. Sogar erste Beinaheunfälle hat es gegeben. So meldete im März diesen Jahres der Pilot einer Maschine der Fluggesellschaft American Airlines beim Landeanflug auf den Flughafen von Tallahassee in Florida einen gefährlichen Beinahezusammenstoß in 700 Metern Höhe. Länder wie Australien, die bisher lockere Regularien hatten und in der Drohnen-Branche deshalb als Vorbild galten, haben die rechtlichen Regeln in jüngster Zeit verschärft. In Australien stand vor allem der Schutz der Privatsphäre vor Voyeuren aus der Luft im Mittelpunkt. Doch der Druck der Wirtschaft wächst. In den USA haben die entsprechenden Hersteller bereits einen Lobbyverband namens Association for Unmanned Vehicle Systems International (AUVSI) gegründet. Zehn Milliarden Dollar im Jahr an wirtschaftlichem Potenzial ließen sich die USA wegen ihres rechtlichen Korsetts entgehen, heißt es hier.

Die Zeit läuft ab

Wie hemdsärmelig der Umgang mit den bestehenden Verboten ist, das belegt eine Anekdote, die das „Wall Street Journal“ beschrieben hat. Nachdem der Chef einer in Orlando im Bundesstaat Florida ansässigen Firma, die sich auf Filmaufnahmen von Drohnen spezialisiert hat, eine Nachricht von der FAA erhielt, dass seine Geschäftspraktiken die geltenden Vorschriften brechen, beschloss der, die Mahnung einfach zu ignorieren. „Wenn ich noch einmal einen solchen Brief erhalte, werde ich ihn einrahmen, an die Wand hängen – und ansonsten weitermachen“, sagte er der US-Wirtschaftszeitung. Seither hat sich die Flugsicherheitsbehörde nicht mehr gemeldet – ein klares Indiz dafür, dass in den Vereinigten Staaten die rechtlichen Dämme für die Branche wohl nicht mehr lange halten werden.