Die Bundesregierung vergibt immer mehr Straßenabschnitte an Baukonzerne und Banken. Doch die Kritik an den teuren Betreiber-Modellen wächst. Der 1999 eröffnete Engelberg-Tunnel bei Leonberg gehört zu den ersten Projekten mit privater Beteiligung.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Immer mehr Abschnitte des deutschen Fernstraßennetzes werden von Bau- und Finanzkonzernen ausgebaut und betrieben. Die Verträge sind undurchsichtig und geheim. Kritiker warnen, dass die Privatisierung auf Zeit am Ende für den Steuerzahler teurer wird und große Risiken birgt. Trotzdem treibt auch der neue Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die Projekte voran. Beim Startschuss für den Ausbau der Autobahn 7 nördlich von Hamburg geriet der CSU-Politiker kürzlich geradezu ins Schwärmen. Die öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) seien ein „wichtiger Teil der Infrastrukturpolitik“. Geeignete Strecken könnten durch Beteiligung privater Konsortien schneller realisiert werden, was den volkswirtschaftlichen Nutzen erhöhe. Deshalb werde ÖPP weiter ausgebaut.

 

Bei der A 7 übernimmt und finanziert ein Konsortium des Bauriesen Hochtief, der DIF Infra und des Bauunternehmens Kemna den sechs- und achtspurigen Ausbau eines 65 Kilometer langen Abschnitts zwischen Bordesholm und Hamburg-Nordwest. Dafür können die Unternehmen 30 Jahre lang die Lkw-Maut auf fast dem kompletten Abschnitt kassieren. Der Ausbau der stark befahrenen Strecke soll im Herbst beginnen und Ende 2018 abgeschlossen sein.  Das ÖPP-Projekt wird auch von der EU gefördert. Bis jetzt gibt es ein halbes Dutzend privat finanzierte Autobahnabschnitte, darunter die A 5 Malsch-Offenburg und die A 1 zwischen Hamburg und Bremen. Die zweite Staffel umfasst weitere sechs Vorhaben. Das gesamte Vergabevolumen wird auf mehr als 11 Milliarden Euro veranschlagt.

Konzerne verdienen an den Projekten

An den Projekten verdienen vor allem Baukonzerne wie Hochtief, Bilfinger, Vinci und Strabag, Berater und Anwälte sowie die finanzierenden Banken, darunter Unicredit, Depfa und Deka Bank, Commerzbank und LBBW. Seit Beginn sind die ÖPP-Projekte heftig umstritten, denn Paragraf 7 der Bundeshaushaltsordnung schreibt vor, dass private Lösungen nur bevorzugt werden dürfen, wenn sie besser oder wenigstens gleichwertig sind. Der Bundesrechnungshof hegte bereits in mehreren Fällen den Verdacht, dass die ÖPP-Varianten schöngerechnet werden. Zum Beispiel, indem bei der privaten Variante Baukosten zu niedrig angesetzt, beim herkömmlichen Bau in staatlicher Regie dagegen Zinsrisiken überbewertet werden.

Erst unlängst rieten die Bonner Prüfer erneut mit Nachdruck von weiteren ÖPP-Projekten ab, die nur auf den ersten Blick eine günstige Alternative seien. In Wahrheit lohne sich der privat finanzierte  Autobahnbau weder für den Staat noch die Steuerzahler. Um ihre Kritik zu untermauern, hat die Behörde fünf der bisher sechs umgesetzten Projekte untersucht. Das alarmierende Ergebnis: die gefeierten ÖPP-Projekte waren insgesamt um gut 1,9 Milliarden Euro teurer als der herkömmliche Bau in staatlicher Regie und mit Bundesmitteln. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen erwarten die privaten Unternehmen und Geldgeber – im Gegensatz zum Staat – eine hohe Rendite. Zudem kann sich die private Wirtschaft lange nicht so günstig verschulden wie der Staat, der für seine Investitionen sehr zinsgünstige langfristige Anleihen am Kapitalmarkt begeben kann. 

Befürworter wie Dobrindt und die Bauindustrie dagegen argumentieren, bei ÖPP-Projekten sei die Wirtschaftlichkeit, Terminsicherheit und Bauqualität besonders hoch, weil die Unternehmen nach der Fertigstellung auch Jahrzehnte für Betrieb und Wartung zuständig seien. Zudem wird darauf verwiesen, dass sich im Ausland die ÖPP-Modelle in vielen Ländern durchgesetzt haben.  Für die Grünen im Bundestag ist Dobrindt mit seinem Faible für öffentlich-private Partnerschaften auf dem Holzweg. Der CSU-Mann sei „Minister für Geldverschwendung“, kritisiert Fraktionschef Anton Hofreiter. Der Rechnungshof habe die Mehrkosten von ÖPP im Straßenbau klar belegt. „Statt einer soliden Finanzierung“, so Hofreiter, „will der Minister die Infrastrukturkosten verschleiern und die Schuldenbremse aushebeln“.

Rechnungshof zweifelt an Kostenvorteilen

Nach Angaben des Rechnungshofs wurden bisher sechs Projekte mit einem geplanten Auftragswert von 5,1 Milliarden Euro vergeben. Sieben weitere seien in Vorbereitung, für die 6,1 Milliarden Euro veranschlagt seien. Die Prüfer halten die vom Verkehrsministerium genannten Kostenvorteile von bis zu 40 Prozent für nicht nachvollziehbar. Allerdings könne der Bund mit ÖPP-Projekten die gesetzliche Schuldenbremse und Steuererhöhungen für den Infrastrukturausbau umgehen.   Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die privaten Modelle weder für innovativ noch qualitativ besser, sondern für unwirtschaftlich.  „Die Bundesregierung stellt nicht nur viel zu wenig Geld für den Erhalt und Ausbau der Straßen und Schienen zur Verfügung. Ein Teil wird auch noch verbrannt, weil sie die Umsetzung Privaten überlässt“, kritisiert Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Der Bau in staatlicher Regie sei im Vergleich zur Vorfinanzierung durch Private derzeit um vier Prozent billiger. Die Privaten müssten im operativen Geschäft fast 20 Prozent einsparen, um ihre Finanzierungsnachteile wieder auszugleichen.

Die Gewerkschaften befürchten, dass dieser Spardruck bei ÖPP-Projekten vor allem die Beschäftigten trifft. „Die öffentliche Hand hat hier Kontrollpflichten. Bei ÖPP müssen von der Bauausführung bis zum Betrieb tarifliche und soziale Standards eingehalten werden. Dies gilt auch für die Untervergabe von Aufträgen“, mahnt Körzell. Der DGB verlangt, dass die Rahmenbedingungen für eine konventionelle Realisierung der Straßenbauprojekte wieder verbessert werden. „Die Idee vom schlanken Staat hat offensichtlich in die Sackgasse geführt“, so Körzell. Der öffentlichen Hand seien die finanziellen und personellen Kapazitäten so lange gekürzt worden, bis ÖPP nun als einzige Lösung erscheine.