Immer wieder kommt es auf den Straßen im Kreis Böblingen zu teils schweren Unfällen. Häufig waren die Fahrer dabei zu schnell unterwegs. Rund um das Glemseck krachte es im vergangenen Jahr besonders oft.

Böblingen - Ein Motorradfahrer verliert am Ortseingang von Steinenbronn die Kontrolle über seine Maschine, stürzt, rutscht über die Straße und prallt gegen ein Verkehrsschild. Er wird schwer verletzt. In Weil der Stadt-Merklingen übersieht eine Autofahrerin beim Abbiegen einen Biker. Bei der Kollision erleidet der 59-Jährige schwere Verletzungen.

 

Immer wieder kommt es im Kreis Böblingen zu teils schweren Motorradunfällen, 118 waren es im vergangenen Jahr. Dabei wurden 68 Menschen leicht und 28 schwer verletzt, drei starben. Häufig war dabei ein zu hohes Tempo im Spiel, das hat die Polizei bei einer Auswertung ihrer Statistik festgestellt. „Generell stellen überhöhte beziehungsweise nicht angepasste Geschwindigkeit, oft auch in Kombination mit einem Überholmanöver, das Hauptrisiko des Motorradfahrens dar“, sagt die Polizeisprecherin Tatjana Wimmer. Dazu kommen innerorts Fehler beim Abbiegen, auch durch Autofahrer, außerorts registriert die Polizei auch viele Auffahrunfälle.

Freiheit und Rausch der Geschwindigkeit

Ralf Gliemer, der Spartenleiter Motorrad beim IBM Klub in Böblingen und seit gut 40 Jahren passionierter Biker, kennt die Faszination des schnellen Fahrens. Das Gefühl der Freiheit, der Rausch der Geschwindigkeit. „Da juckt es einen schon“, sagt er. Trotzdem ist seine Devise: Erst denken, dann fahren. „Man darf sich nicht wegreißen lassen.“ Vielleicht ist es auch dieser besonnenen Art zu verdanken, dass er bisher noch keinen schweren Unfall hatte.

Das Wichtigste beim Motorradfahren sei das Gefühl für die Maschine, aber auch das Verständnis der physikalischen Gesetze. Denn es seien oft nur Bruchteile von Sekunden, die im Ernstfall über Wohl und Wehe entschieden, sagt Gliemer. Wenn er mit den rund 20 aktiven Mitgliedern seiner Gruppe einen Ausflug unternehme, führen die Neulinge im Tross deshalb immer direkt hinter ihm, sagt er. So könnten sie Sicherheit gewinnen und sich Tricks und Kniffe abschauen.

Als besonders unfallträchtig empfindet Ralf Gliemer jeweils den Beginn und das Ende der jährlichen Bike-Saison. Im Frühjahr müsse man sich erst wieder an das Motorradfahren gewöhnen. Auch für Autofahrer seien die vielen Biker, die plötzlich auf den Straßen auftauchten, zunächst ungewohnt. „Am Ende der Saison überschätzt man dann sein Können gern mal.“ Auch führten dann die schlechter werdenden Wetterverhältnisse zu vielen Unfällen, sagt der 58-jährige Biker.

Unfallträchtige Strecken in anderen Kreisen

Während es in den Kreisen Böblingen, Ludwigsburg und Esslingen laut Polizei keine typischen Biker-Strecken gibt, sieht es im Kreis Göppingen durch die Lage am Albtrauf anders aus. Die kurvenreiche Landesstraße zwischen Göppingen und Hohenstaufen beispielsweise sei bei Motorradfahrern sehr beliebt, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Ulm. „Dort kommt es immer wieder zu schweren Unfällen.“

Und auch im Rems-Murr-Kreis mit seiner idyllischen Landschaft etwa im Welzheimer Wald gibt es einige unfallträchtige Motorradstrecken. Dazu gehören beispielsweise die Landesstraße vom Ebnisee in Richtung Kaisersbach oder die Sulzbacher Steige auf der B 14, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen. 203 Motorradunfälle verzeichnete die Polizei in diesem Kreis in 2016, das war der höchste Wert der vergangenen fünf Jahre. Bei mehr als 80 Prozent kamen Menschen zu Schaden, 33 Biker wurden schwer verletzt, einer starb. „Wenn man einen Motorradunfall hat, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, verletzt zu werden“, sagt der Polizeisprecher. Deshalb haben die Beamten diese Strecken besonders im Blick und kontrollieren dort regelmäßig die Geschwindigkeit und den Zustand der Motorräder.

Unsere Karte zeigt unfallträchtige Motorradstrecken sowie Gegenden mit hoher Lärmbelästigung:

Drei Menschen starben in 2016

Auch ohne solch klassische Biker-Strecken kracht es auch im Kreis Böblingen auf bestimmten Abschnitten häufiger als auf anderen. Dazu gehört etwa die Kreisstraße zwischen Dagersheim und Aidlingen mit drei Biker-Unfällen im vergangenen Jahr, sagt die Polizeisprecherin Tatjana Wimmer. Vier Mal krachte es ihr zufolge auf der B 464 zwischen Holzgerlingen und dem Schaichhof. Der traurige Spitzenreiter ist allerdings die Gegend rund um das Glemseck. Auf den dortigen Landes- und Kreisstraßen registrierte die Polizei gleich neun Biker-Unfälle im Jahr 2016. Drei Menschen ließen ihr Leben – zwei auf der Bundesstraße 295 am Ortsausgang von Leonberg, einer auf der B 464 bei Maichingen.

Ihrer gedenkt die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Motorradfahrer (ACM)  Schönbuch einmal im Jahr mit einer Gedenkfahrt und einem Gottesdienst. „Das ist sehr bewegend“, sagt Ralf Gliemer, der bereits daran teilgenommen hat. „Da ist man froh, dass man die Saison heil überstanden hat.“

Statistik: Jeder fünfte Verkehrstote im Land war ein Motorradfahrer

Kreis Böblingen: Die Gesamtzahl aller Verkehrsunfälle im Kreis, die die Polizei in ihrer jährlichen Statistik ausweist,betrug im Jahr 2016 11 874 – das ist ein Plus von 7,2 Prozent im Vergleich zu 2015. In 148 Fällen waren „motorisierte Zweiräder“ – dazu zählen Motorräder und Mofas, aber auch E-Bikes – beteiligt. Im Vergleich zu 2015 ist dies eine Steigerung um 6,5 Prozent. 73 Unfälle – also rund die Hälfte – verschuldeten die Biker selbst.

Baden-Württemberg: Im Land ereigneten sich im Jahr 2016 insgesamt 313 100 Unfälle – das ergibt ein Plus von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Motorradunfälle sank allerdings: Ergab die Statistik aus 2015 eine Zahl von 5408 Unfällen, an denen Biker beteiligt waren, wurden 2016 noch 5073 gezählt. 75 Biker verunglückten in 2016 tödlich. Damit handelte es sich bei jedem fünften Verkehrstoten im Land um einen Motorradfahrer. Mehr als zwei Drittel von ihnen verunglückten wegen nicht angepasster Geschwindigkeit.