Für die neue Sonderausstellung des Ludwigsburg-Museums durften Studenten das riesige Depot durchforsten – auf der Suche nach Alltagsdingen, die eine Geschichte erzählen. Die Schau überzeugt mit einem ungewöhnlichen Konzept, das Lyrik und Objekte kombiniert.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Heutzutage würde man ein solches Objekt vermutlich nicht mehr ohne Weiteres kaufen. Aber Adolf Feyerabend hat sich wohl nichts dabei gedacht, als er vor weit mehr als einem Jahrhundert über einen ägyptischen Markt schlenderte und mehrere Mumienteile erwarb, es waren eben andere Zeiten. 1897 vermachte der Ludwigsburger Stadtrat die Exponate dem gerade erst gegründeten Historischen Verein seiner Heimatstadt, seither lagerten sie im Depot. Erst jetzt hat das Ludwigsburg-Museum MIK eines von Feyerabends Exponaten, eine Hand, wieder hervor gekramt. „Das ist natürlich ein etwas heikles Objekt“, sagt die Museumsleiterin Alke Hollwedel. Denn damals wurden, um die Nachfrage der Souvenirjäger zu befriedigen, in Ägypten ganze Fundstätten geplündert. Dass das MIK die Gruselhand trotzdem zeigt, hat einen guten Grund: Sie erzählt eine Geschichte.

 

Und genau das will das Museum mit der neuen Ausstellung Poesie der Dinge: Geschichten erzählen. Der Historische Verein bildet mit seiner gewaltigen Sammlung quasi das Fundament des Hauses, das nun, fast 120 Jahre nach der Gründung, tief in den Depots gewühlt hat. Aus den mehr als 25 000 Objekten der Sammlung wurden 26 herausgefiltert, seit Sonntag werden die Stücke der Öffentlichkeit präsentiert – die meisten davon zum ersten Mal.

Die Objekte entfalten ihre Wirkung nicht kraft ihrer Anmutung. Das Fahrrad wird dadurch interessant, weil es auf Fritz Teufel verweist. Der in Ludwigsburg aufgewachsene Politaktivist und Mitbegründer der Kommune 1 hat einst in der Asperger Straße einen Fahrradunfall erlitten. Sammelbüchsen für das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes, teils mit Hakenkreuzen versehen, erinnern an die ebenso wirkungs- wie verhängnisvolle Propaganda der Nationalsozialisten. Anhand eines Tintenbehälters mit Feder erfahren die Besucher, dass der ebenfalls in Ludwigsburg geborene Lyriker Eduard Mörike noch lange an seiner Gänsefeder festhielt, obwohl längst bessere Schreibwerkzeuge auf dem Markt waren. Ein umfangreicher Formensatz der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur veranschaulicht den enormen Aufwand, der nötig war, um Porzellane für die herzogliche Tafel zu produzieren.

Hitlers Rede und Tucholskys Satire

So zusammenhanglos die Objekte wirken, so streng durchdacht ist das damit verbundene Konzept. Für die Sonderausstellung ist das MIK eine Kooperation mit der Hochschule für Technik in Stuttgart eingegangen. Die Studenten haben die Objekte ausgewählt und den Ausstellungsraum in eine überdimensionierte schwarz-weiße Schreibmaschine verwandelt – was nicht nur damit korrespondiert, dass die Objekte selbst etwas mitzuteilen haben. Denn darüber hinaus hat die Kuratorin Margrit Röder passend zu jedem einzelnen Ausstellungsstück einen lyrischen Text ausgewählt: zu einem Lautsprecher, mit dem einst eine Rede von Adolf Hitler ins Ludwigsburger Stadion übertragen wurde, etwa ein Gedicht des Satirikers Kurt Tucholsky. Folglich wird für die Schau kein klassischer Ausstellungskatalog herausgegeben, sondern ein Poesiealbum.

In einem abgetrennten Raum dürfen sich Besucher dann selbst als Literaten versuchen: an einer Schreibmaschine aus dem 19. Jahrhundert, mit Stift und Papier oder wie einst Mörike mit der Feder. Fast 40 Personen waren beteiligt, um das alles auf die Beine zu stellen. „Eine szenische Ausstellung in dieser Dimension hatten wir noch nie“, sagt Museumsleiterin Hollwedel.