Auch 16 Jahre nach dem tragischen Unglück im Degerlocher Wald ist das Gedenken an den jungen Waldarbeiter Thomas Köfer aus Winterbach sehr lebendig.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Gerhard Raff kann es sich schon richtig vorstellen. Er steht vor dem Steinkreuz in der staubigen Werkstatt des Plieninger Bildhauers Markus Wolf. Wolf hat mit Kreide einen Kreis aufs Kreuz gezeichnet. Raff ist dabei, den Text für die Tafel zu formulieren. „In Großbuchstaben“, sagt der Degerlocher, der sich selbst einen Benefiz-Schwätzer nennt. In Großbuchstaben soll da also stehen: „Im Andenken an Thomas Köfer, Geburts- und Sterbedatum, verunglückt bei Aufarbeitungen der Schäden des Orkans Lothar am 26.12.1999“, diktiert Raff. Was er da noch nicht weiß: Es wird eine Idee bleiben.

 

Fritz-Eberhard Griesinger, der Spender des Steinkreuzes, steht neben Raff. Es war sozusagen der Zufall, der ihn in die Werkstatt nach Plieningen geführt hat. Raff hatte in der Zeitung über den tragischen Unfall im Degerlocher Wald gelesen, er war berührt von Thomas Köfers Schicksal. Und er dachte sich: Für den jungen Kerle braucht es doch ein Gedenkmal, das bleibt. Stein statt Holz.

Markus Wolf (l.) und der Ex-Forstpräsident Foto: Sägesser

Einen Tag nach dem 20. Geburtstag verunglückt

Bei irgendeiner Gelegenheit hat er Griesinger von seinen Plänen erzählt. Griesinger musste gerade das Grab seiner Tante abräumen, das Steinkreuz war übrig. Er bot es Raff an, für diesen jungen, angehenden Forstwirt, der am Tag nach seinem 20. Geburtstag im Degerlocher Wald tödlich verunglückt ist (siehe Textende). Griesinger ist übrigens nicht irgendjemand. Er ist Tübinger Forstpräsident im Ruhestand und hat damals freilich von dem Unglück im Degerlocher Wald gehört. Er erzählt, dass immer heftigere Stürme toben, und dass der Wald somit zum hochriskanten Arbeitsplatz würde. Und nun besuchen Raff und Griesinger also Markus Wolf, der soll den Stein bearbeiten, den Grabstein der Tante in einen Gedenkstein für Thomas Köfer verwandeln. Eine Stunde später wird sich die Idee allerdings zerschlagen haben. Denn nachdem sie in den Degerlocher Wald gestapft sind, stellen sie fest: Das Gedenken ist nach 16 Jahren sehr lebendig.

An der Stelle, wo der Wellingweg auf den Mörikeweg trifft, lädt eine Sitzbank zum Verweilen ein, daneben liegt eine Wurzel mit einer Holztafel, in sie ist „Thomas“ graviert und dass er am 12. April 2000 gestorben ist. Die Wurzel ist von den Kollegen.

Erst im Herbst hat Jürgen Traub alles zum dritten Mal erneuert und diesmal etwas mit Steinen eingefasst. Der 39-jährige Forstwirt ist der Einzige aus dem damaligen Team, der im Degerlocher Wald geblieben ist. „Wir waren damals sehr geplättet.“ Traub sagt, er bekomme Gänsehaut, wenn er von damals erzähle. Das mit Thomas sei allen mehr als nah gegangen. „Man hatte ein Aber, die Motorsäge in die Hand zu nehmen.“ Von den anderen haben einige den Job gewechselt, er konnte nicht. „Bei dem Beruf gehört viel Herzblut dazu“, sagt er. „Da war der Thomas gleich.“ Deshalb werde er ihn niemals vergessen. Die Wurzel ist seine Verbindung zum verunglückten Freund.

Grüße auf dem Friedhof

Rose Köfer mag die Wurzel. „Sie passt gut zu meinem Sohn.“ Thomas Köfer muss sehr beliebt gewesen sein. Noch heute kommen die ehemaligen Kollegen am Todestag nach Winterbach und sitzen bei Rose Köfer in der Stube. Und immer noch hinterlassen Schulkameraden Grüße auf dem Friedhof. „Das ist überhaupt nicht selbstverständlich“, sagt die Mutter.

Der Findling der Familie Foto: Sägesser

Hin und wieder fährt Rose Köfer nach Degerloch und läuft an die Stelle, an der es passiert ist. Es ist ein paar Schritte von der Wurzel entfernt, wohin es des Weges geht, zeigt der leicht angedeutete Trampelpfad ins Unterholz. Er wird ganz offensichtlich oft gelaufen. Die Familie hat einen Abschiedsgruß auf den Waldboden gesetzt: einen roten Findling. Der Findling, die Wurzel, „das reicht uns vollkommen aus“, sagt Rose Köfer. Auch wenn sie sich über die Geste der ihr unbekannten Herren Raff und Griesinger freut.

Dass der Plieninger Steinmetz Markus Wolf den Auftrag am Steinkreuz behält, darf als ausgemacht gelten. „Wir finden eine andere Möglichkeit für das Kreuz“, sagt Raff. Solange er noch nicht weiß, wofür, muss er sich mit dem Diktat der neuen Inschrift noch gedulden.

Biografisches zu Thomas Köfer

Thomas Köfer ist in Winterbach bei Schorndorf aufgewachsen. Er wollte unbedingt Forstwirt werden. Der Wald war sein Leben, er fühlte sich zu dieser Arbeit berufen. Zunächst stand auf der Kippe, ob daraus etwas wird, denn der junge Mann hatte Neurodermitis.

Thomas Köfer Foto: privat

Doch die Krankheit war kein Hindernis. Thomas Köfer war im dritten Lehrjahr, als er von einem Baum erschlagen wurde. Das war beim Aufräumen nach dem Sturm Lothar, der Ende 1999 über West- und Mitteleuropa hinwegfegte. Köfer starb am 12. April 2000 und damit einen Tag nach seinem 20. Geburtstag. Die ganze Geschichte gibt es zum Nachlesen unter http://stzlinx.de/koefer.