Die Universität Stuttgart rüstet sich mit einem Hochleistungscomputer für neue Anforderungen bei Simulationen.

Stuttgart - Der schnellste zivile Supercomputer Europas steht in Stuttgart. Das Höchstleistungsrechenzentrum (HLRS) an der Universität feierte am Freitag den Start einer Maschine der Superlative, die 22,5 Millionen Euro gekostet und mehr als zwei Jahre Planungs- und Bauzeit gebraucht hat. In der Liste der Top 500 der Supercomputer der Welt steht die Cray XE6 an zwölfter Stelle. In Europa rangiert nur eine französische Maschine auf Platz neun vor ihr, doch die, so der Leiter des HLRS, Michael Resch, wird zumindest teilweise militärisch genutzt.

 

In der Liste der öffentlichen Supercomputer, die auch der Industrie zur Verfügung stehen, findet man die neue Stuttgarter Maschine sogar unangefochten weltweit auf Platz eins. Voller Superlative waren auch die Festreden vor den hundert geladenen Gästen im neuen HLRS-Gebäude an der Nobelstraße in Vaihingen. Wolfram Ressel, der Rektor der Universität, sprach von einem "Meilenstein in der Geschichte der Universität und der Computertechnologie".

Da die Maschine vornehmlich für Simulationen eingesetzt wird, passt sie zu einem Forschungsschwerpunkt an der Hochschule. "Wir etablieren uns zu einem der führenden Simulationszentren", sagte Ressel. Dieses Ziel hält Gratulant Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, für erreichbar: "Die Universität Stuttgart ist ein wissenschaftlicher Leuchtturm mit großer Strahlkraft."

Die Kooperation verschiedener Wissenszweige

Die Landesregierung werde auch in Zukunft beim Hochleistungsrechnen einen Schwerpunkt setzen, denn "die Dynamik der Wirtschaft ist immer mehr wissenschaftsbasiert". Das HLRS sichere damit auch die Konkurrenzfähigkeit der Industrie des Landes. Da das HLRS eine Einrichtung des Bundes an der Universität ist, war auch Wissenschaftsministerin Annette Schavan angereist. "Dies ist ein guter Tag für die Wissenschaft", sagte sie.

"Der Megatrend" in der Forschung sei die Kooperation verschiedener Wissenszweige. Das HLRS stellt seine Rechenkapazitäten für so unterschiedliche Dinge wie kleinräumige, hochaufgelöste Klimasimulationen, Simulation und Visualisierung in der Medizin, im Maschinen- und Automobilbau sowie die Optimierung von komplexen Verbrennungsprozessen in Kraftwerken zur Verfügung.

Das bekräftige auch Christoph Gümbel, dessen Arbeitgeber Porsche an der Betriebsgesellschaft des HLRS beteiligt ist. Die Automobilindustrie stehe vor den großen Herausforderungen Umwelt, Sicherheit und dem wirtschaftlichen Wettlauf. "Mit traditionellen Methoden würden wir daran hoffnungslos scheitern", sagte er.

In der Maschine rechnen 113.664 Prozessorkerne

Die Automobilunternehmen Porsche, Daimler und Opel haben sich mit Forschungsinstituten, Hard- und Softwareherstellern und weiteren Partnern aus der Wirtschaft zum Automotive Simulation Center Stuttgart (ASCS) zusammengeschlossen, um Simulationsverfahren weiterzuentwickeln und das Wissen darüber nutzbar zu machen. Bundesweit ist das HLRS im Gauss Centre for Supercomputing mit den großen Rechenzentren in Jülich (Nordrhein-Westfalen) und Garching (Bayern) zusammengeschlossen.

Die neue Maschine an der Nobelstraße erreicht eine Spitzenleistung von 1,045 Petaflops, das sind mehr als eine Billiarde Rechenoperationen pro Sekunde. 2013 will Cray in einer weiteren Ausbaustufe sogar fünf Petaflops erreichen. Im Inneren der XE6 werkeln Prozessoren des Herstellers AMD mit einer Taktrate von 2,3 Gigahertz. Die Taktrate kennt man von Standardcomputern. Allerdings rechnen in der Maschine nicht zwei oder vier Prozessorkerne, sondern 113.664. Um sie alle unter Strom zu halten, braucht der Rechner im Durchschnitt 1,55 Megawatt.

Dennoch, so das HLRS, sei es gelungen, mit einer "energieeffizienten Infrastruktur" die Wärme zumindest bis 18 Grad Außentemperatur an die Außenluft abzugeben. Die Rechnerkomponenten sind wassergekühlt. Die Cray XE6 hat übrigens für den Alltagsgebrauch den Beinamen Hermit. Das ist das englische Wort für Eremit. Es blieb Winfried Kretschmann überlassen zu erwähnen, dass Hermit noch etwas anderes ist: ein Käfer mit wissenschaftlichem Namen Osmoderma eremita. In Stuttgart ist er besser bekannt als Juchtenkäfer.