In der CSU sägen sie an Horst Seehofers Stuhl. Aber noch hält selbst der Taktierer Markus Söder die Zeit nicht reif für einen Sturz des Parteichefs. In sechs Wochen sehen alle weiter, dann ist Parteitag.

München - Eigentlich, so hatte es in der CSU geheißen, werde Horst Seehofer diese Woche alle öffentlichen Termine absagen; die „extrem schwierigen“ Gespräche mit der Schwesterpartei CDU am Sonntag, sie bräuchten eine extrem gründliche Vorbereitung. Dann war der Parteichef aber doch unterwegs: In seiner Heimat Ingolstadt feierte er am Donnerstag die 50 Jahre jener Pipeline, die vom italienischen Hafen Triest aus den kompletten Erdöl-Durst Bayerns stillt. Und am Freitag half er mit warmen Worten bei BMW in München, den Grundstein für ein Autoforschungs- und Entwicklungszentrum zu legen.

 

Das waren also zwei Termine, wo sich habhafte bayerische Vergangenheit und wolkige Zukunft ballten. Sie passten damit perfekt in die Woche. Und was sagte Seehofer da zur aktuellen Politik? Nichts. Nur was zum Dieselfahrverbot. Dass er dagegen sei. Das überraschte niemanden.

Derweil sägen sie in der CSU immer heftiger an Seehofers Stuhl. Maliziös erinnert ein Günther Beckstein an das Jahr 2008: „Da bin ich mit 43,8 Prozent als Ministerpräsident zurückgetreten.“ Seehofers Ergebnis bei der Bundestagswahl: Fünf Punkte drunter. Ein Haudegen wie Peter Gauweiler vom rechten Flügel, CSU-Vize bis 2015 und dann aus Protest gegen die Griechenlandrettung mittels Euro-Milliarden gegangen, greift gar zu herbstlich blätterfallenden Dichterworten: „Horst“, sagt er in der Süddeutschen Zeitung, „es ist Zeit.“

„Horst, es ist Zeit“

Derjenige allerdings, bei dem praktisch alle die Zukunft der CSU geballt sehen, sagt erst einmal nichts: Markus Söder hält sich an den Beschluss der Landtagsfraktion vor einer Woche, zuerst müssten die Sachgespräche mit der CDU geführt werden; für Personalfragen und –wahlen sei der Parteitag Mitte November zuständig. Söder hat zum einen im Lauf der Fraktionssitzung bemerkt, dass trotz aller Grummelei die Lust auf eine Spontanrebellion begrenzt ist; zum anderen kommt es ihm als notorischem Hauptstadtverweigerer zupass, wenn die schwierigen Gespräche in Berlin einer führt, der sich dort auch auskennt. Welchen Draht hat Söder zu Merkel? Eben.

Aber wenn Seehofer aus Berlin mit einem Erfolg heimkommt, bei der berühmten Obergrenze etwa? Kaum eine Chance, heißt es in der Söder-Truppe. Offen ist nur, was passiert, sollte Seehofer zum Parteitag ein halbes Ergebnis präsentieren. Mit mehr rechnet er selber nicht; CSU-Leute aber vermuten, eine Zwischenbilanz könnte er bis Mitte November irgendwie hindrehen. Seehofer sei machtpolitisch gewieft genug, die Berliner Gespräche mit Blick auf seine eigene Zukunft in Bayern zu führen. Erhält Seehofer dann ein weiteres Mandat vom Parteitag? Oder sagt die dort vertretene Ortsvereinsbasis: Jetzt reicht’s? Söder, der sich „immer als Mann der Basis verstanden“ hat, macht sich begründete Hoffnungen. Aber die Gruppendynamik eines Parteitags hat er nicht in der Hand.

Seehofer bemerkt das Misstrauen

Seehofer versucht derweil, die Landtagsfraktion von Söders auf seine eigene Seite zu ziehen. Allzu oft hat er die 101 Abgeordneten ja mit unvorhersehbaren Kehrtwenden brüskiert – etwa bei der Rückkehr vom acht- aufs neunklassige Gymnasium; am Ende hat er auch noch die eisern eingeschärfte Konfrontation mit Angela Merkel durch Kuschelei ersetzt. Da kamen nicht immer alle mit. Um sein Handeln diesmal transparent zu machen, hat Seehofer nun den CSU-Fraktionschef, Thomas Kreuzer, in die Berliner Gespräche eingebunden. Der knorrige Allgäuer sei – so sagen Abgeordnete recht befriedigt – der härteste Knochen von allen.

Mancher in der CSU hat sogar schon wieder vergessen, wie schwach die Partei gegenüber der AfD abgeschnitten hat. Hans Reichhart, der Chef der Jungen Union in Bayern, brachte gegenüber der Deutschen Presseagentur sogar schon Neuwahlen ins Gespräch. Die CSU habe ihre „roten Linien“, etwa in der Flüchtlings- und der Steuerpolitik: „Und wenn man sich nicht einigt...“ Reichhart übrigens, wenn sie in Bayern schon so munter am Sägen sind, er hat sich gleich den größeren Stuhl gegriffen: das Personalangebot in der Union sei „breiter“, sagt er – durchaus in Hinblick auf Angela Merkel, die den Generationswechsel behindere.