Am United World College in Freiburg hat jetzt das zweite Schuljahr mit 206 Schülerinnen und Schülern begonnen. Finanzminister Nils Schmid (SPD) lobte die Privatschule, die vom Land mit 2,5 Millionen Euro jährlich unterstützt wird.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Im ersten Jahr haben wir noch geübt, jetzt geht es richtig los“, sagt Laurence Nodder (56). Der Leiter des United World College in Freiburg, das dort „Robert-Bosch-College“ heißt, hat unlängst die Rückkehrer des ersten und die Neulinge des zweiten Jahrgangs der Privatschule begrüßt. Zu Beginn des neuen Schuljahres besuchte am Donnerstag auch Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) das UWC. Er lobte die Bildungseinrichtung als „perfekte Vorbereitung auf die globalisierte Welt.“ Außerdem stehe das UWC Robert Bosch College „für die Toleranz und Offenheit Baden-Württembergs.“

 

Bis das erste und einzige United World College in Deutschland an den Start gehen konnte, mussten jedoch „jede Menge organisatorischer Probleme“ bewältigt werden, wie Laurence Nodder erklärt. Die Häuser waren noch nicht ganz fertig, die Verwaltung und der Lehrkörper – mit jetzt 28 Lehrkräften – noch nicht komplett. „Wir waren die Versuchskaninchen“, sagt May Shin Lyan lächelnd. „Jetzt haben sich alle Probleme in Luft aufgelöst.“ Die 18-Jährige aus Myanmar (Birma) will nach dem zweiten Studienjahr Chemieverfahrenstechnik studieren, am liebsten in Amerika.

Die Schüler wohnen jeweils zu viert in einem Zimmer

Von dort kommt Claire Hayes (18), sie staunt über die historische Bausubstanz. „Wir haben bei uns nicht solche alten Häuser.“ Neu dagegen sind die Unterkünfte für die Schüler, die getrennt nach Geschlechtern jeweils zu viert in einem Zimmer wohnen, 24 in jedem Haus. Die Gemeinschaftsräume auf den Etagen werden geteilt, alles ist modern und großzügig gestaltet.   „Wir kochen hier Gemüse, das wir im Klostergarten ernten“, erzählt Katja Della Libera (17) aus Stuttgart begeistert. Der von Gärtnerin Eva Schüle – der Agraringenieurin und Jägerstochter, die in der Kartaus aufgewachsen und nun im UWC beschäftigt ist – seit Jahren gehegte Garten ist eins der Projekte, die neben dem Fachunterricht verpflichtend sind. Rizwan Mian Farooq (18) aus Hamburg ist mit elf anderen Schülern nach Prag gefahren, um dort mit Zeitzeugen über das Leben in der früheren Diktatur zu diskutieren. Seine Eltern sind aus Pakistan geflohen, wegen ihrer Religion sind sie dort verfolgt worden und haben in Deutschland Asyl gefunden.  Im Robert-Bosch-College trifft sich buchstäblich die ganze Welt, die 206 Schülerinnen und Schüler – die „students“ – kommen aus 88 Ländern. Schul- und Umgangssprache ist Englisch. 70 Prozent der Schüler bekommen ein Vollstipendium, nur wenige Eltern können das volle Schulgeld bezahlen. „Wir sind keine Eliteschule“, betont Lawrence Nodder. „Die nationalen Komitees entscheiden über ihre Plätze und sie sorgen für eine soziale Ausgewogenheit“.

Die meisten „Students“ haben sich bereits irgendwo engagiert

Eine Förderschule ist das UWC aber auch nicht, wer aus Tausenden von Bewerbern einen der begehrten Plätze in 14 UWCs der Welt bekommt, hat bereits eine Bildungskarriere auf anderen Colleges hinter sich und in aller Regel die Unterstützung gebildeter Eltern. „Ja, meine Eltern waren auch schon auf dem UWC“, sagt Geeta Randas Renuse (18) aus Indien.   Und es sind junge Leute, die sich bereits irgendwo engagiert haben. Marwan Hashem (17), Palästinenser aus Nablus zum Beispiel, war als Schüler in der Gruppe „Seeds of Peace“ aktiv, in der Juden und Araber gemeinsam für den dauerhaften Frieden im Nahen Osten eintreten. Er will Mechatronik studieren, in Freiburg geht er jetzt zusammen mit der Israelin Yarden Attiras (16) zur Schule, sie kommt aus Givat Shemuel bei Tel Aviv. Das war die Idee des mit dem Industriellen Robert Bosch befreundeten Reformpädagogen Kurt Hahn, die er nach dem Zweiten Weltkrieg verwirklichte: Junge Leute aus allen Ländern vor dem Abitur gemeinsam lernen zu lassen, auf dass sie künftig keine Kriege miteinander führen sollten.  

Das ist der hehre Anspruch, der Schulalltag ist profaner. „It’s not heaven, it’s a real place“, sagt Schulleiter Nodder. Mit den üblichen Problemen. „Ich hatte wahnsinnig Heimweh“, gesteht May Shin Lyan. Wie viele der außereuropäischen Schüler konnte sie in der Weihnachtspause nicht nach Hause fahren. „Es geht vorbei“, trösten sie gleich mehrere Mitschüler.

Die Ausgangszeiten sind relativ rigide

Und es gilt, sich an die Regeln zu halten: Striktes Alkoholverbot auf dem Schulgelände, kein Übernachtungsbesuch. Die Ausgangszeiten in die nahe Stadt enden werktags um 22.45 Uhr und am Wochenende um 23.45 Uhr. Ein paar Schlauberger meldeten sich auch zurück – stahlen sich später aber wieder davon. „Wir hatten einige Gespräche“, sagt Lawrence Nodder bedeutungsvoll, die Schülerrunde lacht. Der südafrikanische Chef ist streng, aber äußerst beliebt, sein ganzes Lehrerleben, zuletzt im UWC in Swasiland, hat er schon mit solchen Spielchen von Heranwachsenden zu tun.  

„Wir sind hier, um zu lernen, nicht um Party zu machen“, entrüstet sich Rizwan Mian Farooq geradezu über den Verdacht, Versuchungen nicht widerstehen zu können. Er habe sich in den letzten neun Monaten mehr verändert als in neun Jahren zuvor. „Wir lernen und zwar nicht nur im Unterricht.“ Und nicht nur untereinander, auch durch den Kontakt mit Freiburger Gastfamilien.

Und die Schüler haben mitbekommen, dass Freiburg erneuerbaren Energien besondere Beachtung schenkt. Nicht nur, dass die Schule ein Blockheizkraftwerk mit Pellets hat. Die Schüler selbst planen mit ihren Lehrern ein kleines Pumpspeicherkraftwerk und bauen bereits ein Gewächshaus, das mit Computersteuerung bewässert wird.