Viele Zuschauer sind unzufrieden mit dem Angebot und Service des Kabelnetzbetreibers. Der Wechsel zu einem konkurrierenden Unternehmen ist jedoch in zahlreichen Fällen nicht problemlos möglich.

Stuttgart - Wenn junge Menschen ihren eigenen Haushalt gründen, stehen sie unter anderem vor der Wahl, ob sie ihr TV-Programm per Kabel oder über Satellit empfangen wollen. Vermutlich werden sie zunächst im Internet forschen, und wenn sie in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen leben, dürfte es nicht einmal fünf Minuten dauern, bis die Entscheidung gefallen ist: In verschiedenen Foren lassen die Kunden des Kabelnetzbetreibers Unitymedia Kabel BW kaum ein gutes Haar an dem Unternehmen. Im „inoffiziellen Unitymedia Kabel BW-Forum“ ist von „Verschlimmbesserung“ die Reden, von „falschen Versprechen und Inkompetenz zum Quadrat“. Andere beschweren sich über die teure Hotline beim „Abenteuer Unitymedia“.

 

Eine Nachfrage bei professionellen Beobachtern der Branche bestätigt den ersten Eindruck. Bei den Landesmedienanstalten gehen regelmäßig Beschwerden ein, weil Unitymedia Kabel BW zum Beispiel die ortsfremden dritten Programme entfernt hat, obwohl die sich gerade bei älteren Kunden großer Beliebtheit erfreuen. Als Grund steht zu vermuten, dass es sich um eine Retourkutsche handelt. ARD und ZDF haben ihre Verträge mit den Netzbetreibern gekündigt, denn zuvor mussten sie Einspeisegebühren bezahlen, obwohl die Unternehmen verpflichtet sind, ihren Kunden die wichtigsten öffentlich-rechtlichen Sender zur Verfügung zu stellen. Bei Unitymedia Kabel BW hat das offenbar zu einer Trotzreaktion geführt, denn prompt flogen Programme, die nicht unter die sogenannte Must-Carry-Regelung fallen – etwa das „Dritte“ vom NDR – aus dem Angebot.

Ein regelmäßiges Ärgernis sind auch die Neuordnungen der Senderfrequenzen. Gerade ältere Zuschauer haben sich im Lauf der Jahrzehnte an ein festes System gewöhnt: ARD auf Taste 1, ZDF auf 2, das bevorzugte dritte Programm auf 3 etcetera. Oftmals ist ihnen nicht klar, dass ein Sender nicht etwa verschwunden, sondern bloß von Programmplatz 13 auf 29 gewandert ist – zum Beispiel. Weil es ein aufwendiger Prozess ist, die alte Senderreihenfolge wiederherzustellen, notieren sich viele Zuschauer zähneknirschend die neue Tastenbelegung.

Im Callcenter wird man mit Floskeln abgespeist

In der Regel greifen Kunden, wenn sie Beschwerden dieser Art haben, zum Telefon, und schon kommt neuer Unmut auf. Im Callcenter, sagt ein Marktbeobachter, werde man häufig mit Standardantworten abgespeist. Ein anderer Experte bestätigt, dass der Kundenservice von Unitymedia Kabel BW „ein Knackpunkt“ sei. Er weist zwar darauf hin, dass dies für alle Anbieter gelte, sagt aber auch, hier bestehe „massiver Optimierungsbedarf“.

Angesichts der Unzufriedenheit vieler Kunden stellt sich natürlich die Frage, warum nicht deutlich mehr Haushalte auf Satellitenempfang umsteigen. Im Unterschied zu den monatlich fälligen Kabelgebühren zahlt man hier nur einmal: für die Anschaffung von Schüssel, Verbindungskabel und Empfangsgerät. Über Satellit sind zum Beispiel alle HD-Programme der öffentlich-rechtlichen Anbieter kostenfrei empfangbar, dazu mehrere Dutzend Minisender, die allerdings kaum jemand braucht. Dass trotzdem knapp die Hälfte der Haushalte dem Kabel treu bleibt, ist oft nicht zuletzt eine Frage des Mietvertrags: Sind die Kabelgebühren fester Bestandteil der Nebenkosten, überlegt man sich den Wechsel zweimal. Zudem verbieten viele Wohnungsbesitzer ihren Mietern auch das Anbringen einer Satellitenschüssel.

Laut Kartellamt kann man trotzdem nicht von einer Monopolsituation sprechen, weil jeder Haushalt theoretisch vier Rundfunkempfangswege nutzen könne: Kabel, Satellit, per Internet (IPTV) über die Deutsche Telekom oder Vodafone sowie über digitale terrestrische Verbreitung (DVB-T). Ein Sprecher von Unitymedia Kabel BW verweist auf „die wachsende Zahl neuer Player wie Netflix, Watchever, Amazon, Magine oder Zattoo, deren Geschäftsmodelle darauf basieren, bezahlte Bewegtbildinhalte via Internet zum Kunden zu bringen“. Dennoch ist aus Sicht vieler Kabelkunden exakt die Situation eingetreten, die schon vor gut zehn Jahren verhindert werden sollte. Damals musste sich die Deutsche Telekom aufgrund des Drucks der EU von ihrem TV-Kabelnetz trennen; es wurde aufgeteilt und an verschiedene Investoren verkauft.

Manchmal liegen die Probleme am Fernseher

Im Gegensatz etwa zum Strommarkt hat man als Kabelkunde keine freie Wahl seines Anbieters, denn die Kabelnetzbetreiber sind nicht verpflichtet, das Angebot eines Konkurrenten durchzuleiten. Wegen der Datenmenge wäre das derzeit ohnehin problematisch. In fünf bis zehn Jahren, wenn ein Großteil der Kabelhaushalte direkten Zugang zum Glasfasernetz mit seinen hohen Übertragungskapazitäten hat, könnte sich das ändern, derzeit ist das noch Zukunftsmusik.

Der falsche Adressat ist Unitymedia Kabel BW, wo es um die digitalen Dienste geht, die fast alle Unitymedia-Haushalte nutzen können. Siebzig Prozent der Kunden machen von diesen Angeboten Gebrauch. In vielen Mehrfamilienhäusern sind die Verteilnetze allerdings dreißig Jahre und älter, durch diese Leitungen können häufig keine digitalen Signale störungsfrei übertragen werden. Die Hausbesitzer haben wenig Interesse, diesen Zustand zu ändern, weil das mit viel Aufwand verbunden wäre: Man kann die alten Kabel oft nicht einfach gegen neue austauschen, da sie unter Putz liegen oder brüchig sind.

Manchmal liegen die Probleme aber auch schlicht am Fernsehapparat: Ältere Zuschauer wundern sich mitunter, dass ihre Nachbarn viel mehr Programme empfangen als sie selbst, wollen sich aber auch nicht von ihrem betagten analogen Röhrenfernseher trennen. Diesen Kunden kommt Unitymedia Kabel BW mit einem besonderen Service entgegen: Eigentlich werden die TV-Signale nur noch digital ausgestrahlt, weil die meisten Haushalte mittlerweile über Flachbildfernseher verfügen. Trotzdem lässt das Unternehmen den Kabelkunden nach wie vor die Wahl, und zwar „als einziger Infrastrukturanbieter“, wie ein Sprecher betont.

Er räumt aber auch ein, dass es in Baden-Württemberg zuletzt einige „Serviceprobleme“ gegeben habe: „Kabel BW hat in den letzten Wochen nicht immer das geboten, was unsere Kunden von uns erwarten.“ Der Sprecher erklärt dies mit der nunmehr abgeschlossenen „technischen und organisatorischen Integration von Unitymedia und Kabel BW“; bei diesem Vorgang habe es aus Kundensicht „gelegentlich geknirscht“. Aber jetzt, sagt der Sprecher, werde alles besser: „Der Rückstand bei der Bearbeitung von Störungstickets hat deutlich abgenommen und die Wartezeiten in den Hotlines sind rückläufig.“