Studenten aus Hohenheim und Nürtingen machen eine Exkursion der besonderen Art: Sie reisen ins ukrainische Potasch, um dort ein Agrarzentrum zu besuchen. Die Kampfgebiete wollen der Reiseleiter und die Studierenden meiden.

Hohenheim/Potasch - Natürlich sei in den vergangenen Wochen die Frage im Raum gestanden, ob es wirklich sein muss, sagt der Leiter der Exkursion, Heinrich Schüle. Die Reise von circa 30 Hohenheimer Studenten und Studenten der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen zum Deutschen Agrarzentrum im ukrainischen Potasch Anfang Juni steht im Schatten der blutigen Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate.

 

Im Osten der Ukraine eskalieren die Kämpfe zwischen pro-russischen Separatisten und den Truppen des frisch gewählten Präsidenten Pjotr Poroschenko nach dem Abschuss eines Militärhelikopters an Christi Himmelfahrt. Die Regierung in Kiew spricht von einem Krieg, ebenso wie ihre bewaffneten Gegner in den selbst ernannten Volksrepubliken im ukrainischen Osten.

Die Kampfgebiete werden gemieden

Die Teilnehmer der deutschen Exkursion wollen das Kampfgebiet im ostukrainischen Donbass meiden. Die Reiseroute durch die Ukraine wurde sogar geändert, nachdem Anfang Mai auch im südukrainischen Odessa Dutzende Menschen bei Auseinandersetzungen getötet worden sind. Stattdessen geht es nach einem Aufenthalt in der ukrainischen Hauptstadt Kiew in das circa 200 Kilometer südlich gelegene Potasch, wo das mithilfe des Osteuropazentrums der Universität Hohenheim koordinierte Deutsche Agrarzentrum (DAZ) in der Ukraine sein Quartier hat.

Danach setzt sich die Reise der Deutschen in andere Landesteile im Westen und Norden der Ukraine fort, die bisher als ruhig gelten. „Wir haben uns in den vergangenen Tagen bei der Deutschen Botschaft informiert. Die hält mittlerweile sogar Odessa wieder für sicher“, sagt Heinrich Schüle. Dennoch, ein Risiko eingehen wolle er auf keinen Fall. „Ich bin nicht nur für mich, sondern auch für meine Studenten verantwortlich“, sagt Schüle.

Der Hohenheimer Forscher hat ein paar Jahre dort gelebt

Hauptziel der Exkursion ist das Deutsche Agrarzentrum in Potasch, das Schüle einst selbst aufgebaut hat. Von 2008 bis 2013 hat er in der Ukraine gelebt. Noch vor dem Beginn der Proteste auf dem Maidan in Kiew kehrte Schüle im vergangenen Jahr nach Deutschland zurück, weil er eine Professur an der Nürtinger Hochschule für Wirtschaft und Umwelt antrat. Mit Studenten habe er sich im vergangenen Jahr mit der Ukraine als wichtigem Akteur am weltweiten Agrarmarkt beschäftigt und deshalb auch begonnen, die Exkursion zu planen – unabhängig von den Ereignissen, die sich in der Ukraine besonders nach einem brutalen Polizeieinsatz gegen Demonstranten in Kiew am 30. November 2013 zunehmend überschlugen.

Die Exkursion erhalte aufgrund des Umbruchs und der nach wie vor prekären Lage im Land einen anderen Charakter, als ursprünglich geplant. „Natürlich wird uns interessieren, wie sich die Situation auf die Landwirtschaft auswirkt“, sagt Heinrich Schüle.

Die Landwirtschaft könnte der angeschlagenen Ukraine helfen

Diese spiele in der Ukraine nicht nur schon bisher eine große Rolle, sie hätte auch Potenzial, das finanziell angeschlagenen Land wirtschaftlich voranzubringen. „Die Ukraine ist eine bedeutende Exportnation für viele Agrargüter, obwohl sie ihre Möglichkeiten nur zum Teil ausschöpft“, sagt er. Das DAZ in der Ukraine könne dabei helfen, die Ausbildung und die Fertigkeiten von Fachkräften in der Landwirtschaft zu verbessern, sagt Schüle.

Wichtig sei jedoch auch, dass in landwirtschaftliche Betriebe investiert werde. „Das hängt aber davon ab, ob es bald Ruhe und Stabilität in der Ukraine gibt“, sagt Heinrich Schüle. Wie weit das Land von diesem Zustand im Moment entfernt ist, können die Studenten aus Hohenheim und Nürtingen Anfang Juni nun eine ganze Woche lang selbst in Augenschein nehmen.