Ein Raum der Stille bietet im Herzen der Uni Tübingen Platz für ruhige Momente im Studentenleben. Er steht Mitglieder aller Religionen offen und auch jenen, die nur ein wenig meditieren wollen.

Tübingen - Noch nie waren an der Universität Tübingen so viele Studenten eingeschrieben: mehr als 29 000 sind es . Das macht sich deutlich bemerkbar- beispielsweise in den Gängen zwischen altem historischen Bonatzbau und der Universitätsbibliothek. Etliche Vierertische verkleinern die Flure. Die Tische sind gut besetzt von jungen Menschen. Die Atmosphäre ist aufgeladen, der Lärmpegel erheblich.

 

Ganz anders dagegen der Raum der Stille. Mitten im pulsierenden Studentenleben findet sich ein Hinweis auf den ungewohnte Ort. Verbunden mit der Bitte, dort nicht zu arbeiten oder gar Speisen und Getränke zu verzehren. Einige Schritte noch entlang eines Ganges, der Trubel bleibt hinter Holzstäben akustisch etwas zurück. So fäll der Eintritt in den Raum durch eine schallisolierte Türe nicht ganz so abrupt aus.

Spuren am Boden deuten auf die rege Nutzung hin

Ein Regal bietet Platz für Taschen oder den Labtop. Noch zwei Meter herum um einen Raumteiler. Dann warten drei mit hellem Stoff bezogene Würfel aus Holz als Sitzgelegenheiten auf Menschen, die sich nach Ruhe und Besinnung sehnen. Um die Mittagszeit sucht augenscheinlich niemand nach der stillen Zeit. Aber die Spuren auf dem hellen Holzboden deuten darauf hin, dass dieser erst vor wenigen Wochen eröffnete Raum durchaus seine Nutzer hat.

Rektor Bernd Engler betont, dass dieser Raum allen Mitgliedern der Universität und Angehörigen aller Religionen offen steht. Der Wunsch nach dem Rückzugsort war ihm schon länger nahe gebracht worden. 2011 begann die konkrete Planung. Zunächst sollte ein Wettbewerb mit Studenten des Fachrichtung Bautechnik und Gestaltung Ideen sammeln und bündeln. „Als Preis winkten ein Kopfhörer und Ohrstöpsel“, berichtet Bernd Selbmann, der als Vertreter des Landes für landeseigenen Bauwerke in der Region zuständig ist.

Keinerlei religiöse Symbole

Einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Konzeption befasste, gehörten Repräsentanten der jüdischen Gemeinde ebenso an wie Muslime, Anhänger östlicher Religionen und Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche. Das Ergebnis: In dem Raum wurde auf alle religiösen Symbole verzichtet. Für die Innenarchitektin Renate Rapp war die Ausgestaltung eine besondere Aufgabe: „Einen Raum der Stille, das durfte ich noch nie machen“, erzählt sie. Sie wählte viel helles Holz, viel Licht, viel nicht ganz so hellen Stoff zur Ausgestaltung. Die Handreichungen für die Benutzer sind auf Zetteln notiert. Keine Kerzen oder Öllampen, keine elektronischen Geräte, nur Meditationsbücher, Heilige Schriften der Religionen, Tagebücher und einzelne Stifte sind zugelassen.

Ganz still ist es nicht. Das rege Treiben ist als entferntes Rauschen auszumachen. Jedenfalls dann, wenn man genau darauf achtet. Durch die weißen Vorhänge hindurch lässt sich ein großer Baum erkennen. Der hat bestimmt schon viele Generationen an Studierenden kommen und gehen sehen. Und er steht dafür, dass es auch ein Leben außerhalb der Universität gibt. Zum Innehalten ist der Raum gut geeignet. Und mancher dürfte hier auch Beistand finden, von welchem Gott auch immer.