Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Aller guten Dinge sind drei

Einige Wochen vor dem Abflug haben wir den Gipfelstürmer in Tristach besucht, wo er mit seiner Ehefrau Sabine (52) wohnt. Wer ist dieser 1,76 Meter große und 85 Kilogramm schwere Mann mit dem aschblonden Pferdeschwanz, der ohne Sehkraft das größte Abenteuer im Alpinismus wagt?

 

„Ich gehe noch mal dorthin, weil ich zu wissen glaube: Wenn alles stimmt, meine Verfassung an diesem Tag, die Verfassung meiner Freunde dort, das Wetter, die Verhältnisse am Berg, dann könnte es für uns klappen“, sagt Holzer. Er und seine beiden Tiroler Freunde, Bergführer des Jägerbataillons 24 des österreichischen Bundesheeres in Lienz, seien ein „eingespieltes Team, wie es wohl nur wenige haben können“.

Vom Masseur zum Extremsportler

Von 1984 bis 2010 arbeitete Holzer als Heilbademeister und Heilmasseur im Lienzer Bezirkskrankenhaus. 2010 hing er seinen Beruf an den Nagel und ist seitdem Profi-Bergsteiger. Schon als Kind kraxelte er in der heimischen Bergwelt, doch dauerte es bis 1990, dass ihn ein Alpinist in seiner Seilschaft mitnahm.

Seitdem sammelt er Bergspitzen wie andere Briefmarken: die Hochstadel-Nordwand – mit 1300 Metern die dritthöchste Wand der Ostalpen –, den Großglockner, Großvenediger und Montblanc. 2004 durchkletterte Holzer als erster Blinder die Nordwand der Großen Zinne in den Dolomiten. Hier lernte er auch Weihenmayer kennen, der 2001 als erster Blinder den Everest bestieg.

Holzer absolvierte die Hauptschule, eine Blindenschule hat er nie besucht, genauso wenig die Brailleschrift erlernt. Dafür hätte er sein Dorf und die Familie verlassen müssen. „Die Ärzte sagten damals: Wenn der Andy nicht auf die Blindenschule geht, wird er ein Depp“, erzählt er. „Meine Eltern meinten: Du bleibst bei uns, auch wenn du ein Depp wirst.“

Das bisher schlimmste Bergunglück am Everest. 2015 hatte das verheerende Erdbeben in Nepal mit fast 9000 Toten dazu geführt, dass der Everest weder von der nepalesischen Südseite noch der tibetischen Nordseite bestiegen werden konnte.

Sechs der „Seven Summits“, der höchsten Berge aller Kontinente, hat Andy Holzer bereits bestiegen. Den Mount Elbrus (5642 Meter, Russland), Kilimandscharo (5895 Meter, Tansania), Aconcagua (6962 Meter, Argentinien), Mount McKinley (6194 Meter, USA), die Carstensz Pyramide (4884 Meter, Indonesien) und den Mount Vinson (4897 Meter, Antarktis) hat er schon bezwungen. Nur der allerhöchste, der Mount Everest, fehlt noch in seiner Sammlung. Wie schon 2015 geht es auch diesmal von China aus über die häufig begangene Nordroute.

Zuhause beim „Blind Climber“

Aller guten Dinge sind drei

Einige Wochen vor dem Abflug haben wir den Gipfelstürmer in Tristach besucht, wo er mit seiner Ehefrau Sabine (52) wohnt. Wer ist dieser 1,76 Meter große und 85 Kilogramm schwere Mann mit dem aschblonden Pferdeschwanz, der ohne Sehkraft das größte Abenteuer im Alpinismus wagt?

„Ich gehe noch mal dorthin, weil ich zu wissen glaube: Wenn alles stimmt, meine Verfassung an diesem Tag, die Verfassung meiner Freunde dort, das Wetter, die Verhältnisse am Berg, dann könnte es für uns klappen“, sagt Holzer. Er und seine beiden Tiroler Freunde, Bergführer des Jägerbataillons 24 des österreichischen Bundesheeres in Lienz, seien ein „eingespieltes Team, wie es wohl nur wenige haben können“.

Vom Masseur zum Extremsportler

Von 1984 bis 2010 arbeitete Holzer als Heilbademeister und Heilmasseur im Lienzer Bezirkskrankenhaus. 2010 hing er seinen Beruf an den Nagel und ist seitdem Profi-Bergsteiger. Schon als Kind kraxelte er in der heimischen Bergwelt, doch dauerte es bis 1990, dass ihn ein Alpinist in seiner Seilschaft mitnahm.

Seitdem sammelt er Bergspitzen wie andere Briefmarken: die Hochstadel-Nordwand – mit 1300 Metern die dritthöchste Wand der Ostalpen –, den Großglockner, Großvenediger und Montblanc. 2004 durchkletterte Holzer als erster Blinder die Nordwand der Großen Zinne in den Dolomiten. Hier lernte er auch Weihenmayer kennen, der 2001 als erster Blinder den Everest bestieg.

Holzer absolvierte die Hauptschule, eine Blindenschule hat er nie besucht, genauso wenig die Brailleschrift erlernt. Dafür hätte er sein Dorf und die Familie verlassen müssen. „Die Ärzte sagten damals: Wenn der Andy nicht auf die Blindenschule geht, wird er ein Depp“, erzählt er. „Meine Eltern meinten: Du bleibst bei uns, auch wenn du ein Depp wirst.“

Wie ist es mit der Angst?

Hat er nie Angst? „Angst habe ich nur vor objektiven Gefahren – Steinschlag oder einer Lawine“, sagt er. „Als blinder Kletterer muss ich mir jeden Griff zehnmal überlegen.“ In der Wand sei jeder allein, sinniert Holzer – egal, ob er sehe oder nicht. Dann oben auf dem Gipfel zu stehen, sei „ein erhabenes Gefühl, für das sich alle Strapazen lohnen“.

Anfangs musste er darum betteln, mitgenommen zu werden. Ein Blinder auf Alpin-Tour? Im 300-Seelen-Dorf Amlach, wo er aufwuchs, schüttelte man über so viel Vermessenheit den Kopf. 1990 nahm ihn der Bergretter Hans Bruckner auf die 2772 Meter hohe Sandspitze mit. Ein Erweckungserlebnis. Seitdem lässt ihn der Gipfelsturm nicht mehr los.

Bergsteigen – die absolute Freiheit

„Bergsteigen bedeutet für mich absolute Freiheit. Je höher ich hinaufkomme, desto weniger Leute sind da, die im Weg sind.“ Droben sei genügend Platz für einen Blinden, meint Holzer. „Die Stadt ist für mich mit ihrem Lärm und ihrer Hektik eine Katastrophe. Deshalb bin ich in der Stadt nie alleine unterwegs. Die Zivilisation ist für mich Stress.“

Andy Holzer geht drei-, viermal pro Woche ins Gebirge – oft auf seine sieben Kilometer lange „Hausstrecke“ zur Dolomitenhütte. „Mein Körper ist süchtig danach. Durch 30 Jahre Bergsteigen bekommst du so viel Stabilität.“ So beeindruckend sein Gipfelkonto ist, seine Tatkraft und sein Optimismus sind es nicht minder. Diese Lebensfreude strahlt auch auf blinde Kinder aus, denen er die ersten Kletterschritte beibringt.

Die Botschaft des „Blind Climbers“

Für den „Blind Climber“ – wie er sich selber nennt –, der jahrelang als Musiker und Sänger der Tanzkapelle Dolomitenduo auftrat, Mountainbike fährt und die steilste Skipiste hinunterbrettert, ist Widerstand stets eine Herausforderung.

Er ist ein gefragter Gastredner, der zu Themen wie Motivation und Hindernisbewältigung spricht. „Es muss nicht jeder Höhenbergsteiger werden“, lautet Andy Holzers Botschaft. „Aber man muss fest an sich glauben und auf seinen Bauch hören.“

Der nächste Teil unserer Serie Gipfeltraum „Ein Blinder auf dem Dach der Welt – Wie geht das eigentlich?“ erscheint am 27. April.