Deutschland hat keinen Grund, sich mit Amerikanern und Briten einen Kampf um Steuersenkungen für Unternehmen zu liefern, meint StZ-Autor Michael Heller. Die Steuern hierzulande sind sehr moderat.

Stuttgart - Solche Summen wecken Begehrlichkeiten. Einen Überschuss von fast acht Milliarden Euro hat allein der Bund im vergangenen Jahr erwirtschaftet, auch Länder, Gemeinden sowie Sozialversicherungen haben deutlich mehr eingenommen als ausgegeben. Das Statistische Bundesamt hat mit seiner Veröffentlichung diese Zahlen jetzt amtlich gemacht; in der Größenordnung abgezeichnet hatten sie sich schon zuvor. Da ist es kein Wunder, dass auch die Debatte über die Verteilung dieses stattlichen Geldschatzes nicht erst jetzt einsetzt. Die große Koalition in Berlin ist sich bislang gänzlich uneinig, alle Optionen finden Befürworter: Die einen wollen mit den Mitteln die Investitionen ankurbeln, die anderen liebäugeln mit Steuersenkungen für die Bürger oder präferieren einen Schuldenabbau.

 

50 Milliarden Euro gespart – dank der Europäischen Zentralbank

Für alle diese Varianten gibt es gute Argumente, die aber wegen der bevorstehenden Bundestagswahl keine durchschlagende Wirkung entfalten werden. Die endgültige Entscheidung wird die künftige Bundesregierung treffen. Dies bedeutet einen Zeitgewinn, was der Sache nur guttut. Denn der Überschuss suggeriert zwar wirtschaftliche Stärke, stellt aber nur eine Momentaufnahme dar, die eine Analyse der Lage und der Herausforderungen nicht ersetzt. Erinnert sei nur daran, dass die staatlichen Kassenwächter im vorigen Jahr durch die faktische Abschaffung der Zinsen Ausgaben von fast 50 Milliarden Euro gegenüber Jahren mit Normalzinsen vermeiden konnten. Auch das deutsche Exportwunder – verbunden mit sprudelnden Steuerquellen – speist sich zu einem nicht geringen Teil aus der Schwäche des Euro. Niemand weiß, wie lange das so bleibt.

Die größten Fragezeichen liefert freilich die Politik, allen voran der amerikanische Präsident Donald Trump mit der nationalistischen Parole „America first!“. So müssen sich die Unternehmen in Deutschland unter anderem darauf einstellen, dass ihre US-Konkurrenten steuerlich entlastet werden. Zum gleichen Mittel wollen auch die Briten greifen, um die Folgen ihres Brexit-Beschlusses für die eigene Wirtschaft abzumildern. Darauf wiederum wollen nun offenbar die Unionsparteien reagieren, die nach den Worten des CSU-Finanzpolitikers Hans Michelbach am Konzept für eine Unternehmenssteuerreform arbeiten.

Ein undurchdringlicher Steuerdschungel

Das ist mit Blick auf den undurchdringlichen deutschen Steuerdschungel grundsätzlich gewiss nicht falsch. So verdient es Anerkennung, wenn sich die Steuerfachleute der Parteien Gedanken darüber machen wollen, ob Personen- und Kapitalgesellschaften künftig nicht vielleicht doch gleich behandelt werden können. Und für jede Art von Vereinfachung sollte auch immer Raum sein. Aber darum geht es nicht in erster Linie. Die Union trifft zumindest Vorbereitungen, in einen internationalen Wettbewerb um die Senkung der Unternehmenssteuern einzutreten. Damit begäben sich die Schwesterparteien allerdings auf einen Irrweg.

Natürlich muss auch ein wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland mit einem international konkurrenzfähigen Steuersystem aufwarten. Das erfordert freilich keine radikale Kürzung. Die Qualität des Standorts Deutschland würde einen Platz im oberen Drittel der Steuerrangliste gewiss rechtfertigen. Nach Berechnungen der internationalen Wirtschaftsorganisation OECD liegen die deutschen Unternehmenssteuern aber sogar unter dem Durchschnitt der Industrieländer. Auf diesem Gebiet gibt es also überhaupt kein Defizit.

In den zurückliegenden Jahren hat die internationale Gemeinschaft, repräsentiert durch die G 20, einige Fortschritte im Kampf gegen Steuerhinterziehung und fragwürdige Deals, gegen Schlupflöcher und Oasen für Steuervermeider erzielt. Aber es bleibt noch sehr viel zu tun. Es wäre fatal, wenn dieser Prozess jetzt auf halbem Weg abgebrochen würde.