Agierte die Polizei beim Einsatz im Schlossgarten verhältnismäßig? Die Kritiker der Aktion sagen nein.

Stuttgart - Der Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten ist nach Auffassung von Sigrid Klausmann-Sittler völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Ehefrau des Schauspielers und Stuttgart-21-Gegners Walter Sittler sagte gestern vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags aus: "Ich dachte, das ist wie Krieg." Klausmann-Sittler hatte am 30. September an dem Protest gegen den Baumfälleinsatz teilgenommen und war selbst von einem Wasserwerfer getroffen worden. "Der Wasserstrahl erwischte mich mit voller Wucht am Rücken", berichtete sie. "Ich wurde nach vorne katapultiert und war pudelnass." Noch nach Tagen habe sie unter Rückenschmerzen gelitten.

Für die Zeugin Klausmann-Sittler stellt sich der Polizeieinsatz als unverhältnismäßig dar, zumal die Demonstranten nach ihrer Beobachtung "zutiefst friedlich" agiert hätten. Anders hingegen die Polizei. So habe sie einen Demonstranten gesehen, der auf dem Boden lag und von einem Polizisten mit dem Schlagstock traktiert worden sei. Einem anderen Mann "ist das Blut vom Kopf heruntergelaufen". Auf die Frage des Abgeordneten Ulrich Müller (CDU) nach ihrer Einschätzung der Rechtslage im Schlossgarten antwortete die Zeugin: "Ich sehe die rechtliche Situation so, dass ich blockieren und sitzen kann, dann vielleicht weggetragen werde und dafür eine Verwarnung bekomme und etwas zahlen muss." Auf die Frage, ob die Menge mehrfach aufgefordert worden sei, den Weg frei zu machen, sagte sie, dies könne sie bestätigen. "Das habe ich mehrfach gehört." Sie sei weggegangen, aber nicht wegen der Aufforderung der Polizei, sondern aus Angst vor dem Wasserwerfer.

Blockaden waren rechtswidrig


Der von den Regierungsfraktionen bestellte Sachverständige Thomas Würtenberger, Staatsrechtsprofessor an der Universität Freiburg, schloss vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass es sich bei den Protesten im Schlosspark um eine Spontandemonstration gehandelt habe. Diese Feststellung ist aus Sicht der Regierungsmehrheit wesentlich, weil die Polizeiführung ihr Vorgehen mit dem Polizeigesetz begründet. Der Stuttgarter Polizeipräsident und Einsatzleiter Siegfried Stumpf hatte vor dem Untersuchungsausschuss geltend gemacht, der Protest im Schlossgarten könne sich nicht auf das Versammlungsrecht nach Artikel acht des Grundgesetzes berufen. Stumpf sprach vergangene Woche von "Verhinderungsblockaden", denen sich die Polizei ausgesetzt gesehen habe. Dieser Ansicht schloss sich Würtenberger am Montag an. Die Blockaden seien nach dem Platzverweis durch die Polizei nicht nur rechtswidrig, sondern auch unfriedlich gewesen.

Zugleich räumte der Staatsrechtler aber ein, dass das bloße Sitzen und Sichwegtragen lassen laut Bundesverfassungsgericht keine Nötigung darstelle. Wenn durch die Sitzblockade mehrere Fahrzeuge hintereinander am Weiterkommen gehindert würden, sei dies rechtswidrig, aber noch nicht unfriedlich, sondern tatsächlich in einem "Zwischenbereich".