Ein Untersuchungsausschuss gilt als das „schärfste Schwert des Parlaments“. Manchmal fördert sie Akten zu Tage, die Minister stolpern lassen.

Stuttgart - Gemessen an seiner kurzen Amtszeit als Ministerpräsident verfügt Stefan Mappus bereits über erkleckliche Erfahrung im Umgang mit parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Zwei Tage vor Heiligabend 2010 war er, damals noch Regierungschef, schon einmal als Zeuge vor einen Untersuchungsausschuss getreten. Damals wurde der Polizeieinsatz im Schlossgarten, der als „schwarzer Donnerstag“ in die Annalen des Landes einging, verhandelt. Mappus legte einen starken Auftritt hin. Der Mann verfügt über Chuzpe, und sein Wille zum entschlossenen Auftreten gewinnt an Kraft aus dem weitestgehenden Verzicht auf selbstkritische Reflexion. Am Ende sprach die schwarz-gelbe Ausschussmehrheit Mappus vom Vorwurf der unstatthaften Einflussnahme auf die Polizei frei, die Opposition von SPD und Grünen sah in ihrem Minderheitenvotum das Gegenteil bewiesen.

 

Kein unpolitisches Gremium

Untersuchungsausschüsse nehmen eine Zwitterstellung ein. Sie sind kein Gericht, verfügen aber über Kompetenzen, die über die üblichen parlamentarischen Verfahren hinausreichen. Sie sind Teil des Kontrollinstrumentariums eines Parlaments gegenüber der Exekutive, also der Regierung. Vom „schärfsten Schwert des Parlaments“ ist die Rede, eigentlich handelt es sich aber um das „schärfste Schwert der Opposition“. Denn der Ausschuss ist ja kein unpolitisches Gremium, und seine Mitglieder, allesamt Abgeordnete, geben bei Sitzungsbeginn auch nicht ihre Parteibücher ab. Die Mehrheitsverhältnisse werden im Ausschuss getreulich abgebildet. In der Regel versuchen die Regierungsfraktionen, Schaden von der Regierung abzuwenden. Allerdings verfügt die Opposition in einem Untersuchungsausschuss über einen größeren Spielraum, als dies sonst im Parlamentsbetrieb der Fall ist. Das beginnt schon mit der Einsetzung des Ausschusses. Dafür bedarf es keiner Mehrheit im Parlament; es genügt die Unterschrift eines Viertels der Landtagsmitglieder oder des Antrags zweier Fraktionen. Gegenstand der Untersuchung müssen Sachverhalte sein, „deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt“ und die innerhalb der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten des Parlaments liegen. So heißt es im Untersuchungsausschussgesetz. Wie in einem Gerichtsverfahren können Beweisanträge gestellt werden. Für die Beweisaufnahme stehen Zwangsmittel zur Verfügung. Konkret: Wer als Zeuge benannt ist, muss erscheinen. Andernfalls drohen Ordnungsgeld oder gar Erzwingungshaft. Der Zeuge tut gut daran, die Wahrheit zu sagen, sofern er nicht über ein Zeugnisverweigerungsrecht verfügt. Das ist dann der Fall, wenn er strafrechtliche Ermittlungen am Hals hat.

Zugriff auf Akten

Der Ausschuss kann auf Akten zugreifen, auch auf Regierungsakten, dies aber nicht grenzenlos. Das Oppositionsansinnen, einen Untersuchungsausschuss zu dem von der Regierung Günther Oettinger geplanten Verkauf von spätmittelalterlichen Handschriften aus Baden einzusetzen, scheiterte 2007 am Staatsgerichtshof. Der Verkauf war noch nicht vollzogen gewesen; nicht abgeschlossenes Regierungshandeln aber entziehe sich dem Zugriff eines Untersuchungsausschusses, befanden die Richter.

Untersuchungsausschüsse lösen fast immer bange Gefühle auf Regierungsseite aus. Auch Akten, Mails, Briefe sind interpretationsfähig. Zeugen können sich verplappern; womöglich verwickeln sie sich in Widersprüche; um dies zu verhindern, berufen sie sich im Zweifel auf Erinnerungslücken, was gar kein gutes Bild abgibt. Der typische Vorhalt in einem Untersuchungsausschuss lautet, dass ein Zeuge – zum Beispiel ein Ministerpräsident oder ein Minister – etwas anderes sagt, als in den Akten steht. Dann steht der Vorwurf im Raum, vor dem Gremium die Unwahrheit gesagt zu haben. Das bietet den Stoff für eine Rücktrittsforderung.

Ex-Minister Döring stolperte über ein Aktenstück

Kurzum: Das Geschehen im Untersuchungsausschuss unterliegt potenziell einer gewissen Dynamik. Das bewies der Flowtex-Ausschuss, der in den Jahren 2002 bis 2005 zwar keine schützenden Hände der Landespolitik über die beiden Ettlinger Großbetrüger Manni Schmider und Klaus Kleiser zu identifizieren vermochte. Dennoch läutete er das politische Ende zweier FDP-Minister ein. Ein Ermittler berichtete von einem Aktenstück, das den damaligen Wirtschaftsminister Walter Döring als Nutznießer einer Umfrage auswies, die widerrechtlich finanziert worden war. Ein Zufallsfund. Mit Flowtex hatte die Umfrageaffäre fast nichts zu tun. Döring aber musste abtreten und wurde wegen uneidlicher Falschaussage bestraft. Seine Parteifreundin, die Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck, hatte ihm am Telefon Ermittlungsdetails verraten. Sie wurde wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses abgeurteilt.