Hessens Ministerpräsident sagt als Zeuge vor dem Biblis-Ausschuss, seine Landesregierung habe bei der Stillegung von Biblis keine Fehler gemacht. Einen Anlass für Schadenersatz des Landes an RWE sieht er nicht.

Wiesbaden - Zumindest den Humor hat der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) nicht verloren. Das zeigt seine Antwort auf die scheinbar mitleidige Bemerkung des SPD-Abgeordneten Norbert Schmitt am Freitag im Biblis-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags. „Kein schöner Tag für Sie heute“, sagte der Oppositionspolitiker, „gestern die Queen und jetzt die Befragung hier.“ Bouffier kontert trocken: „Ach wissen Sie, ich empfinde das als Steigerung.“

 

Dabei ist der Anlass der fast ganztägigen Vernehmung des Regierungschefs und seiner damaligen Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) vor dem Ausschuss gar nicht so lustig: Dem Land Hessen drohen nach einer Klage des RWE-Konzerns 235 Millionen Euro Schadenersatz wegen der inzwischen vom Gericht für rechtswidrig erklärten Stilllegungsverfügung für das südhessische Atomkraftwerk nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima. Als einzige Landesregierung hatte die hessische damals einen Verzicht auf die Anhörung des Kraftwerksbetreibers in die Anordnung geschrieben. Doch Bouffier ist sicher: „RWE hat keinen Anspruch auf Schadenersatz.“ Schließlich hätte der Konzern ja 2011 Biblis wieder anschalten können, dies aber nicht getan.

Ein umstrittenes Telefongespräch mit Röttgen

Vorsichtshalber haben Bouffier und Puttrich aber noch eine zweite Verteidigungslinie: Das Land habe seinerzeit nur Beschlüsse des Bundes umgesetzt, also in Auftragsverwaltung gehandelt und sei damit nicht haftbar zu machen. Zu dem in aller Eile beschlossenen dreimonatigen Atommoratorium zur Überprüfung der Reaktorsicherheit ist dem Ministerpräsidenten sonnenklar: „Der Bund hat das ohne die Länder entschieden.“ Schließlich hätten sie davon erstmals erfahren, als sie montags in den Nachrichten hörten, dass der damalige Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) die Stilllegung der Atommeiler angekündigt habe, beteuerten Bouffier und Puttrich unisono vor dem Ausschuss. Auch wenn die Länder die Beschlüsse politisch mitgetragen hätten: Rechtlich hätten sie nur entsprechende Beschlüsse des Bundes umgesetzt.

Der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen, ebenfalls ein CDU-Mann, hatte das vor ein paar Monaten vor dem Ausschuss ganz anders geschildert. In der Woche nach Fukushima habe er seiner Länderkollegin Puttrich in einem Telefonat klipp und klar gesagt, dass die Verantwortung bei den Ländern liege. Also müssten auch die zahlen, wenn die RWE-Klage Erfolg hat, klang unausgesprochen mit. Dieses Telefongespräch aber schloss die heute als Europaministerin im Kabinett sitzende CDU-Politikerin kategorisch aus. Da müsse sich Röttgen täuschen und die Abläufe verwechseln. Ein solches Telefonat habe erst drei Monate später im Juni stattgefunden, nachdem Hessen empört zur Kenntnis genommen habe, dass sich der Bund seiner Verantwortung entziehen wolle, versicherte Puttrich.

Die ältesten AKW sollten ganz weg vom Netz

Und Bouffier weiß ganz genau: Bundeskanzlerin Angela Merkel habe bei dem seinerzeit im Nachhinein doch noch anberaumten Gespräch mit dem Ministerpräsidenten zugesichert, sie werde „die Länder nicht im Regen stehen lassen“, wenn es Ärger gebe. Selbst bei seinem umstrittenen Brief an den damaligen RWE-Chef Jürgen Großmann mit der Auskunft, bei einem Wiederanfahren von Biblis nach Ablauf der drei Monate werde das Land dagegen vorgehen, berief sich Bouffier auf den Bund: Dort sei ganz klar gewesen, dass die ältesten Atommeiler inklusive Biblis endgültig vom Netz bleiben sollten. Und erneut wies der CDU-Politiker Unterstellungen als ehrenrührig und absurd zurück, er habe den Brief an Großmann geschrieben, um dem Konzern zu Entschädigungen zu verhelfen.

Eine wichtige Rolle spielt in dem Ausschuss auch, dass das Land bei der Stilllegungsverfügung Warnungen vor dem Verzicht auf die RWE-Anhörung ignoriert habe. Laut Puttrich lag das an der Eilbedürftigkeit. Man habe keine Verzögerung in Kauf nehmen wollen. Ihre Frage, ob es auch Fälle ohne eine solche Anhörung gebe, sei nach rechtlicher Prüfung bejaht worden, begründete die Ministerin ihr Vorgehen.