Die Weingärtner in Stuttgart sind zufrieden. Das gilt auch für Andreas Guigol, der in Mühlhausen für das Weinfactum Bad Cannstatt keltert.

Mühlhausen - Zeit, übrige Zeit, hat Andreas Guigol eigentlich keine. Wie alle Weinbauern jetzt – kurz vor der Lese. Jetzt geht es um die Feinarbeit: Geiztriebe und Nachblüher rausschneiden, das Blattwerk lichten – beispielsweise. Guigas, der Vorsitzende der Mühlhäuser Wengerter, hat eine lange Liste. Zumal er sich Urlaub gegönnt hatte. Klettern in Slowenien: „Ich war gottfroh, wieder daheim zu sein und endlich wieder einen guten Tropfen zu kriegen.“ Einen Cannstatter Riesling trocken, „beste Qualität“, wie alle Mühlhäuser Weine im Weinfactum Bad Cannstatt gekeltert: „Der kleinsten Weingenossenschaft in Württemberg“, wie Guigas betont.

 

Da klingt Stolz mit. Dafür darf man sich ein wenig Zeit für eine kleine Standortbestimmung im vereinseigenen Wengerthäusle am Prallhang des Neckars nehmen. Und einen besseren Ort könnte es dafür kaum geben. Weinberg und Häusle sind wie ein Symbol für das, was der Verein bereits geschafft hat. „Dem Weinberg drohte die Brache. Wir haben das selbst in die Hand genommen. Jetzt haben wir ihn verpachtet.“

Und schon dreht er sich die nächste Fluppe

Das Thema weckt seine Leidenschaft für den Wein, Guigas zückt ein Fläschle aus dem Eimer. Most. Apfelmost: „Wir Weinbauern müssen sparen, egal was es kostet“, lacht Guigas. Er lacht viel bei diesem Stündchen im Weinberg. Und schon dreht er sich die nächste Fluppe. Andreas Guigas ist ein kerniges Original, immer zu einem Spaß aufgelegt. Weinbau macht er im Nebenerwerb; hauptberuflich ist er Heilerzieher bei den Stettener Werkstätten. 60 Stunden-Wochen schrecken ihn nicht: „Man muss ein bisschen verrückt sein, um das hier zu machen.“ Aber er weiß, wofür er es macht: „Als wir vor neun Jahren angefangen haben, war der Berg tot.“ Und jetzt? „Wir haben noch viel Arbeit vor uns, aber auch schon manches geschafft.“

Etwa die Stuttgarter Steillagentage etabliert, diesen Sommer erstmals von Oberbürgermeister Fritz Kuhn eröffnet. Und im Terrassenhang bereits 20 Trockenmauern saniert, zudem eine „Mauer-Schule“ gegründet: „Damit das möglichst viele lernen können. Das Programm ist vorbildlich, das die Stadt da aufgelegt hat. Man muss auch mal loben.“ Für Rebstöcke wurden bereits 80 Patenschaften gefunden. Nebenbei pflegt der Verein ein Schulprojekt, das junge Leute in die Steillage bringt. Eine „Unkraut“-Pflanzaktion hat Wildkräuter wieder heimisch gemacht, Rebpaten haben im Frühjahr geholfen, 4000 Ampullen zur biologischen Bekämpfung des Traubenwicklers zu verteilen.

„Wir wollen nur beste Qualität“

Alles dient dem einen Zweck: „Erhalt der terrassierten Steillagen. Das ist eine Kulturlandschaft, das darf nicht kaputtgehen. Aber wir sind auf einem guten Weg, alle ziehen an einem Strang“, betont Guigas. Mitglied kann nur werden, wer in Mühlhausen eine Steillage bewirtschaftet. Erhalt der Steillagen ist aber kein Selbstzweck: „Wir wollen nur beste Qualität. Nur das Beste geht in den Eimer. Das sind keine Maschinenweine. Wir haben das Potenzial, über die Qualität den Standort Mühlhausen auch über die Region hinaus bekannt zu machen.“ In den Steillagentagen sieht Guigas einen Meilenstein: „Die Leute sehen, was wir machen – probieren, bemerken den Unterschied und sind bereit, einen Euro mehr zu zahlen.“ Für den Jahrgang 2015 dürfte das doppelt gelten. Guigas hat seinen Riesling durchgemessen: „90 Öchsle, schon jetzt. Das wird ein überdurchschnittlicher Jahrgang.“ Schnell noch eine Fluppe, schon ist er weg in seiner roten Knatterkarre. Der Weinberg ruft!