An einem ingenieurwissenschaftlichen Institut der Uni Stuttgart stehen drei leitende Mitarbeiter im Verdacht der Untreue im Umgang mit Drittmitteln. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Stuttgart - An der Universität Stuttgart ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen drei leitende Mitarbeiter eines ingenieurwissenschaftlichen Instituts. „Wir bestätigen, dass wegen Untreue ermittelt wird“, sagte Staatsanwalt Jan Holzner dieser Zeitung. „Die Ermittlungen dauern an.“ Angezeigt hatte den Fall die Universitätsleitung selbst – und zwar bereits vor zweieinhalb Jahren, wie jetzt erst bekannt wurde. „Wir haben am 1. April 2014 Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue gestellt“, sagte der Sprecher der Universität, Hans-Herwig Geyer, auf Anfrage.

 

Nach Informationen unserer Zeitung stehen der Institutsleiter und seine beiden Stellvertreter unter dem Verdacht, daran beteiligt gewesen zu sein, dass Einnahmen aus Aufträgen, die Institutsmitarbeiter für Industrieunternehmen erledigten, auf das Konto des Vereins der Freunde des Instituts umgeleitet worden sind. Eigentlich hätte das Geld aber in die Kasse des besagten Instituts fließen müssen. Vom Vereinskonto wiederum sollen „Aufwandsentschädigungen für Vereinsmitglieder für die Bearbeitung von Forschungsprojekten“ auf deren Privatkonten geflossen sein. Dies geht aus einem Geschäftsbericht des Vereins hervor, der dieser Zeitung vorliegt.

Alle drei leitenden Mitarbeiter des Instituts hatten und haben bis heute auch Funktionen in dem Förderverein, zwei von ihnen im Vorstand. Eine dieser drei Personen lehnte auf Anfrage jedwede Stellungnahme zu den Vorgängen ab, die anderen waren für Auskünfte nicht erreichbar.

Der Geschäftsbericht des Vereins listet fünfstellige Aufwandsentschädigungen für Mitglieder

Um welche Beträge zu Lasten der Hochschule es bei dem Verdacht auf Untreue insgesamt gegangen sein soll, sagte der Unisprecher nicht. Er sagte auch nicht, auf welchen Zeitraum sich der Verdacht bezieht. In dem Geschäftsbericht jenes Fördervereins aus dem Haushaltsjahr 2013 fällt unter Einnahmen der Posten „Einnahmen für Forschungsprojekte“ in Höhe von 20 468 Euro auf, bei den Ausgaben beträgt der Posten „Aufwandsentschädigung Mitglieder für Bearbeitung Forschungsprojekte“ laut Geschäftsbericht 21 167,90 Euro. Im Entwurf für den Haushaltsplan 2014 findet sich in dem Geschäftsbericht erneut eine Summe in Höhe von 19 000 Euro – einmal unter „Einnahmen Forschungsprojekte“ und einmal bei den Ausgaben unter „Aufwandsentschädigung Mitglieder für Bearbeitung Forschungsprojekte“. Das legt den Schluss nahe, dass sich diese Zahlungen über einen mindestens zweijährigen Zeitraum erstreckt haben könnten.

Als weiterer Posten in dem Geschäftsbericht des Vereins von 2013 schlägt eine „Rückzahlung Dienstreise“ an den Institutsleiter mit 1153,71 Euro zu Buche und wird unter dem Stichwort „Förderung wissenschaftlicher Austausch“ geführt. Die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden liegen im vierstelligen Bereich.

Zumindest unter die aktuellen Vereinsziele fallen eigenständige Forschungsprojekte nicht. Laut Homepage verfolgt der Verein das Ziel, die wissenschaftliche Forschung und den wissenschaftlichen Gedankenaustausch zu fördern. Auch solle die Begegnung ehemaliger Mitarbeiter und Personen, die mit dem Institut verbunden sind, mit den aktiven Mitarbeitern gefördert und so die Arbeit am Institut unterstützt werden, heißt es darin.

Der Vorsitzende des Fördervereins betont, alles sei „rein ehrenamtlich“

Der derzeitige Vereinsvorsitzende, der eine leitende Position in einem Industrieunternehmen hat, steht dem Verein erst seit einem Jahr vor. Zuvor war er allerdings Mitglied im Beirat des Vereins. Gegenüber dieser Zeitung erklärte er, von den im Fokus der Ermittlungen stehenden Vorfällen nichts zu wissen. „Das ist mir neu, da bin ich außen vor“, sagte er. Die Einnahmen des Vereins speisten sich ausschließlich aus Mitgliederbeiträgen und Spenden, versicherte er. Und: In dem Verein gebe es „keine Aufwandsentschädigungen – alles ist rein ehrenamtlich“, betonte der Vereinsvorsitzende, der in dem Universitätsinstitut selber promoviert hatte.

Ins Rollen gekommen war die Sache offenbar, weil die Hochschule ihre Buchhaltung geändert haben soll und Industrieaufträge seither über die zentrale Verwaltung gemeldet werden müssen. So soll es offenbar zwischen dem Institut und Geldgebern aus der Industrie zu Irritationen gekommen sein, als die Universität Mahnungen schickte, obwohl die Rechnung doch längst beglichen gewesen sein soll – allerdings an den Förderverein, also auf das falsche Konto.

Laut Uni gibt es keine weiteren Verdachtsfälle beim Umgang mit Drittmitteln

Die Hochschule werde sich zu Details nicht äußern, solange das Ermittlungsverfahren laufe, sagte deren Sprecher. Zu den Praktiken ihrer Buchhaltung und dazu, wie mit Aufträgen aus der Industrie und den Einnahmen daraus grundsätzlich umzugehen ist, werde sich die Uni im Laufe dieser Woche äußern, kündigte Geyer am vergangenen Donnerstag an. Auf die Anfrage nach möglichen weiteren Verdachtsfällen erwiderte der Universitätssprecher hingegen sofort: „Es gibt keinerlei Fälle von Unregelmäßigkeiten bei der Administration von Drittmitteln an der Uni Stuttgart.“