Beschädigte Autos, abgeknickte Äste, zerstörte Oberleitungen: Das Ausmaß des Sturms und seine Kraft wurden manchen erst am Montag schmerzlich bewusst. Auch die Baustelle am Südflügel blieb vom Unwetter nicht verschont.

Stuttgart - Das Ausmaß des Sturms und seine Kraft wurden manchen erst am Montag schmerzlich bewusst. „Wir haben am Montag noch viele Anrufe von Leuten bekommen, die nach dem Wochenende eine böse Überraschung erlebt haben“, sagt Jörg Kurowksi, der Sprecher der Polizei. Autofahrer, die zur Arbeit wollten und feststellen, dass ihr Fahrzeug beschädigt worden ist, riefen bei der Behörde an. „Wir sind dann ausgerückt, um zu schauen, von welchem Dach der Ziegelstein gekommen ist, der die Delle verursacht hat“, sagt Jörg Kurowski.

 

Er macht keinen Hehl daraus, dass das heftige Gewitter letztlich ein Stück Arbeitsalltag für die Ordnungshüter war. „Natürlich sind wir Samstagabend personell kurzzeitig an Grenzen gestoßen, aber der Großteil unserer Einsätze in dieser Nacht bewegte sich im üblichen Rahmen und hatte mit dem Sturm nichts zu tun.“

Tatsächlich sieht die Bilanz des Unwetters für Stuttgart bei den Personenschäden eher glimpflich aus. In ganz Baden-Württemberg wurden 38 Personen verletzt, elf davon schwer. In der Landeshauptstadt erlitt nur ein Mann Platzwunden und Prellungen, nachdem ein Ast auf ein Buswartehäuschen in Untertürkheim gestürzt war.

Aus Sicht der Wetterforscher nicht ungewöhnlich

Polizei und Feuerwehr machen keine Angaben zum Ausmaß der Sachschäden. Allerdings spricht die Feuerwehr davon, dass es sich bei einem großen Teil der Einsätze bis zum Montagmorgen um Bagatellen gehandelt hat. Bei 32 von den insgesamt mehr als 300 Einsätzen musste die Feuerwehr allerdings Gefahren für die Sicherheit der Öffentlichkeit beseitigen. So etwa Äste, die zwar abgeknickt, aber noch nicht auf Straßen oder Gehwege gestürzt waren. Solche Einsätze hätten am Wochenende Priorität gehabt, sagt Florian Gödde, der Sprecher der Feuerwehr. „Den Rest haben wir nach und nach bis Montag abgearbeitet. Das Unwetter war keine ungewöhnliche Herausforderung für uns.“

Aus Sicht der Wetterforscher war es ebenfalls nicht ungewöhnlich – was die Stärke betrifft. Dennoch spricht Marco Puckert vom Deutschen Wetterdienst in Stuttgart von einem „herausragenden Gewitterereignis“: „Weil es nicht nur lokal gewütet hat wie sonst üblich.“ Die Wetterstation am Schnarrenberg hat Windstärke zehn gemessen. „Ich halte es für möglich, dass einzelne Böen in Stuttgart auch stärker waren“, sagt Puckert.

Besonderes schwer traf der Sturm den Stuttgarter Hafen. Beide Verladekräne für Container wurden beschädigt, einer ist seit dem Sturm um fünf Grad geneigt. Der Geschäftsführer Carsten Strähle rechnet damit, dass dieser Kran erst in Wochen wieder in Betrieb gehen kann. Der andere Kran sei aber nur leicht beschädigt. „Wir schätzen, dass wir mit ihm 70 Prozent des Containergeschäfts abwickeln können.“ Strähle nennt es Glück im Unglück, dass das Gewitter an einem Samstag über Stuttgart gezogen ist. „Am Sonntag konnten wir uns ganz um die Schäden kümmern und hatten nur an einem Werktag einen Totalausfall.“ Wie groß der Verlust des Hafens wird, kann Strähle im Moment noch nicht beziffern. „Ich bin aber nicht allzu sehr beunruhigt“, sagt er.

Auch die S-21-Baustelle betroffen

Mitarbeiter der Deutschen Bahn haben laut einem Sprecher des Unternehmens von Samstag auf Sonntag und von Sonntag auf Montag Nachtschichten eingelegt, um Schäden zu reparieren. Von Montagmorgen an sind die Züge im Nah- und Fernverkehr wieder gerollt. Ein Blitzschlag hatte die Oberleitungen über den Gleisen 15 und 16 getroffen. In der Nacht auf Sonntag waren zahlreiche Reisende am Hauptbahnhof gestrandet, weil die Züge nach Ulm und München erst wieder von Sonntagmorgen an fuhren. Ausfälle gab es auch im Regionalverkehr zwischen Stuttgart und Heilbronn sowie auf den S-Bahn-Strecken nach Schorndorf und Backnang.

Die Windböen wehten zudem bewegliche Teile des Bauzauns sowie Abdichtungsmaterial von der Abbruchkante des Südflügels auf den Bahnsteig von Gleis 16. Bahnkunden beschreiben dramatische Szenen während des Unwetters. Reinhold Willing, der Sprecher des Kommunikationsbüros für Stuttgart 21, räumt ein, dass Personen auf den Gleisen hätten verletzt werden können. „Wir haben die Gefahr unterschätzt“, sagt Willing. Die Bahn werde als Konsequenz aus dem Sturm alle losen Teile an der Abbruchkante entfernen, sichert der Sprecher des Bahnprojekts zu.