Die Kammer kritisiert das Finanzverhalten der größeren Städte in der Region Stuttgart und des Landes in Zeiten von sprudelnden Steuereinnahmen. An der Stimmigkeit der jetzt vorgelegten Studie gibt es aber erhebliche Zweifel.

Stuttgart - Das Land und zahlreiche Kommunen in der Region Stuttgart sind am Dienstag von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart für ihren finanzwirtschaftlichen Kurs gerügt worden.

 

Obwohl sie 2016 erneut mit stärker sprudelnden Steuerquellen rechnen, würden die Landeshauptstadt und 21 von 25 Großen Kreisstädten weitere Schulden planen und teilweise die Personalausgaben steigern. Einige würden auch die Steuer-Hebesätze anheben. Speziell dafür habe die Wirtschaft angesichts des derzeitigen Einnahmenhochs für die Kommunen „kein Verständnis“, stellte IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter fest. Er nahm damit besonders Fellbach, Herrenberg, Kirchheim unter Teck und Weinstadt ins Visier.

Land soll sich selbst helfen

Dem Land kreidet die Vertretung der Wirtschaft an, dass es seinen Haushalt auf Kosten der Kommunen verbessern wolle – statt Ausgaben zu beschränken und auf die höheren Steuereinnahmen zu setzen. „Das Land befindet sich in einem Einnahmenhoch und ist aufgefordert und in der Lage, die Konsolidierung aus eigener Kraft zu bewältigen“, heißt es auch in der Zusammenfassung einer Studie, in der die Haushalte der Landeshauptstadt und der 25 Großen Kreisstädte der Region für 2016 untersucht wurden. Am Dienstag wurde die Studie von der IHK veröffentlicht. Erarbeitet hatte sie die Gesellschaft für Kommunalwirtschaft (Böblingen).

Laut Studie planen 22 Städte 2016 mit steigenden Gesamtsteuereinnahmen pro Einwohner. Am meisten veranschlagt die vom Daimler-Standort geprägte Stadt Sindelfingen, die Böblingen auf den zweiten Platz verdrängt hat. Auf Platz drei folgt Ditzingen. Speziell bei der Gewerbesteuer rechnen 18 der 26 Kommunen mit steigenden Bruttoeinnahmen pro Einwohner. Der Anteil an der vom Bund erhobenen Einkommensteuer wird überall höher eingeplant als 2015. Beim Anteil an der Umsatzsteuer schert nur Ostfildern aus.

„Bestrebungen des Landes unverständlich“

Trotz absehbar höherer Einnahmen steige – wie in den Vorjahren – vielerorts die Verschuldung. Blöcke von Fixausgaben würden gesteigert. Dabei wäre wegen Entwicklungen wie „flüchtlingsbedingt steigende Sozialkosten“ und wegen der Kosten der Eingliederung von Flüchtlingen eine vorausschauende Haushaltspolitik wichtiger denn je. Wegen dieser enormen Herausforderungen seien Bestrebungen des Landes unverständlich, den Kommunen finanzielle Spielräume zu nehmen. Land und Kommunen müssten endlich mit der Verbesserung der Haushalte Ernst machen und „sich einer ehrlichen Aus- und Aufgabenkritik unterziehen“, forderte Richter. Mit Sparsamkeit könne man sich mittel- und langfristig Handlungsspielräume erhalten – und die Wirtschaft brauche starke kommunale Partner und eine gute Infrastruktur.

Mit dem Einkommenshoch kämen Weinstadt, Herrenberg, Kirchheim unter Teck und Fellbach anscheinend immer noch nicht aus, wird in der IHK-Studie gerügt. Denn diese Städte würden die Gewerbesteuer-Hebesätze erhöhen. Andere Kommunen wie etwa Ludwigsburg wollten 2017 nachziehen. Die Grundsteuer-Hebesätze würden in Filderstadt, Kornwestheim, Fellbach und Eislingen sowie wiederum in Weinstadt und Kirchheim/Teck erhöht. Fast überall nehme die Stellenzahl zu, nur nicht in Winnenden. Dort plane man einen Abbau.

Die Autoren der Studie räumen eine „eingeschränkte Vergleichbarkeit“ der Daten ein. So hätten manche Städte Dienstleistungen und Personal an Eigenbetriebe ausgelagert oder besäßen große Vermögen, andere nicht. Die Methodik der Haushaltsaufstellung sei unterschiedlich. Darüber hinaus habe Stuttgart eine Sonderstellung und Sonderaufgaben. Der Vergleich sei dennoch eine wichtige Orientierungshilfe.

Von Finanzbürgermeistern kommt Kritik

Ingo Rust (SPD), Finanzbürgermeister in Esslingen, kann der Selbstkritik nur beipflichten. Die Studie sei nur bei Einnahmen und Steuer-Hebesätzen stimmig. Solche Daten gebe es aber auch beim Statistischen Landesamt. Bei den Ausgaben funktioniere die Studie gar nicht, weil noch nicht alle Kommunen vom kameralistischen auf das doppische Haushaltsverfahren umgestellt hätten. Wirkliche Vergleichbarkeit ergebe sich, wenn alle einen Konzernabschluss hätten – wie unter den Kommunen im Land bisher nur Esslingen.

Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) merkt an, die Autoren würden sogar für 2015 „nicht mit den Ist-Abschlüssen“ operieren, sondern mit Planzahlen. Sogar für 2016 habe Stuttgart inzwischen aussagekräftigere Daten als bei der Verabschiedung des Haushalts. So erwarte man jetzt für Ende 2016 eine deutlich geringere Pro-Kopf-Schuldensumme von 815 Euro, nicht mehr von 940 Euro. Fazit: „Das Resümee ist nicht ganz falsch, die Studie ist aber mit einer gewissen Vorsicht zu genießen.“ Föll rät, erst tätig zu werden, wenn es überall Rechnungsabschlüsse vom Vorjahr gibt. Sehr einverstanden ist er mit dem IHK-Appell ans Land. Stuttgart lehne wie andere Kommunen die simple Methode ab, „in andere Haushalte zu greifen, wenn man den eigenen Haushalt nicht in Ordnung bringen kann oder will“.