Andreas Fried hat auf Grundlage eines Segways einen Rollstuhl entwickelt, mit dem querschnittsgelähmte Menschen auch unwegsames Gelände erkunden können. Der F2 wird im Frühjahr in Serie gehen.

Urbach - Seit seinem 33. Lebensjahr sitzt Thomas Fried im Rollstuhl. Seit seinem 33. Lebensjahr ist er nie mehr auf einer Wiese gewesen. Die Aussicht von einer Almhütte genießen, vom Strand auf’ s Meer schauen: vorbei. Sonntägliche Spaziergänge mit der Familie über unbefestigte Wege durch den Wald – eine Qual für alle Beteiligten, und deswegen gestrichen. „Das geht einfach nicht. Die normalen Rollstühle sind für die Wohnung, für den Asphalt, für das Büro ausgelegt, aber schon Kopfsteinpflaster auf dem Marktplatz ist zum Verzweifeln“, sagt Andreas Fried.

 

Bei seinem Bruder Thomas konnte der Geschäftsführer von Fried Kunststofftechnik in Urbach jahrzehntelang beobachten, wie sehr der Radius von Rollstuhlfahrern durch ihr Gefährt eingeschränkt wird. Umso tragischer findet er, dass oft querschnittsgelähmte Menschen an den Rollstuhl gefesselt sind, die noch vor kurzem mit dem Motorrad, mit dem Mountainbike oder als Extremskifahrer unterwegs waren: „Meistens ist man in Folge eines Verkehrs-, Sport- oder Arbeitsunfalls querschnittsgelähmt. Von einem Moment auf den anderen ist man in seinem Körper gefangen.“

Wie kann man es nun körperlich behinderte Menschen ermöglichen, wieder aktiv am Leben teilzunehmen? Diese Frage hat Andreas Fried schon eine Weile beschäftigt. Vor etwa anderthalb Jahren ist er dann auf die Idee gestoßen, einen handelsüblichen Segway zu einem Elektro-Rollstuhl umzubauen. „In den USA oder in Italien gibt es das schon eine Weile, mittlerweile ist auch in Deutschland die Zeit dafür reif. Denn inzwischen ist der stehende Segway hierzulande etabliert“, erläutert er. Im Januar diesen Jahres hat er mit den Mitarbeitern seiner Firma begonnen, den Sport- und Freizeitrollstuhl zu entwickeln. Das Gerät besteht zunächst einmal aus Originalteilen eines Segways, nur dass ein Sitz aufgebaut ist und der Lenker kürzer ist. Verschiedene Entwicklungen sollen die Fahrt mit dem so genannten F2 für ihre Benutzer sicher und komfortabel machen. Zwei starke Elektromotoren geben den nötigen Antrieb für anspruchsvolle Steigungen, die Parkständer passen sich unebenem Untergrund an, Sitz und Fußbrett können an die Körpergröße angepasst werden. Damit die Füße nicht vom Fußbrett rutschen, sind die Ränder erhöht; umklappbare Armstützen erleichtern den Transfer von Rollstuhl zu Rollstuhl. „Wir haben versucht, für Vieles eine elegante Lösung zu finden“, sagt Andreas Fried, der nun zusammen mit Gerhard Fried die Freee Mobility GmbH gegründet hat, um das Gefährt zu vermarkten. „Eigentlich sind wir ja ein kunststoffverarbeitendes Unternehmen. Das hatte den Vorteil, dass wir technisches Know-how im Haus haben und zudem das Projekt überhaupt finanzieren konnten“, sagt Geschäftsführer Gerhard Fried. Ein sechsstelliger Betrag wurde in die Entwicklung gesteckt.

Im kommenden Frühjahr soll die erste Serie des F2 in Urbach montiert werden. Etwa 16 000 Euro wird ein Gefährt kosten. Andreas Fried ist gespannt, wie viele Elektrorollstühle verkauft werden können. „Das Interesse ist auf jeden Fall sehr groß“, berichtet er. Auf einer Fachmesse im September seien sie kaum mit den Probefahrten hinterhergekommen. „Wenn wir den Interessenten gesagt haben, dass sie einfach mal auf die Wiese fahren sollen, konnten sie es erst einmal nicht glauben. Und als sie gesehen haben, dass es funktioniert, haben sie gestrahlt“, berichtet Andreas Incorvaia, Mitarbeiter bei Freee Mobility. Bezeichnend fand Andreas Fried das Gespräch mit einer Mutter, die einen F2 für ihre Tochter kaufen möchte: „Sie meinte, dass dieser Rollstuhl auch für sie selbst mehr Freiheit bedeuten würde. Unser E-Rollstuhl kann auch die Angehörigen entlasten.“ Allerdings mussten Andreas Fried und Andreas Incorvaia schon Interessenten enttäuschen: „Man braucht für die Bedienung eine gewisse Rumpfstabilität. Wer zum Beispiel eine hohe Querschnittslähmung hat, für den ist der F2 nichts.“

Der F2 soll jedoch nicht nur an Privatleute, sondern beispielsweise auch an barrierefreie Hotels in Urlaubsregionen verkauft werden: „Die Rollstühle könnten dann an die Gäste vermietet werden“, sagt Andreas Fried. Er selbst plant eine Tour mit seinem Bruder, die ohne den F2 kaum möglich wäre: „Ich habe ihm versprochen, dass wir nach Namibia gehen.“ Thomas Fried sei mittlerweile fast nur noch mit dem Elektrorollstuhl unterwegs: „Seine Frau kauft sich jetzt ein Elektro-Fahrrad, damit sie mithalten kann“, sagt Andreas Fried und lacht.