Die Bandbreite im Bereich Street Art ist riesig. Es gibt Details wie aufgeklebte Fliegenpilze, es gibt Textergüsse und es gibt klassisches Graffiti. Letzteres hat es Janis Rozkalns angetan. Der 27-Jährige studiert an der Kunstakademie in Stuttgart Architektur.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Die Bandbreite im Bereich Street Art ist riesig. Es gibt Details wie aufgeklebte Fliegenpilze zu entdecken, verteilt über die ganze Stadt. Es gibt herrlich falsche Textergüsse, bei denen man gerne mit einer roten Sprühdose die Fehler korrigieren möchte. Und es gibt klassisches Graffiti, die den Betondschungel etwas bunter macht.

 

Letzteres hat es Janis Rozkalns ganz besonders angetan. Der 27-Jährige stammt aus Riga, der Hauptstadt Lettlands, und studiert an der Kunstakademie in Stuttgart Architektur. Rozkalns ist ein angenehmer Zeitgenosse. Ruhig, zurückhaltend wählt er seine Worte mit Bedacht aus. Seine Herangehensweise an Street Art oder Graffiti ist eine ungewöhnliche: In seiner Masterarbeit bei Professor Mark Blaschitz versucht er, anhand der im Graffiti gebräuchlichen Muster und Strukturen eine Gebäudefassade zu gestalten. Klingt verrückt, ist es vielleicht auch, zeigt aber einmal mehr, das Graffiti längst keine Schmiererei mehr darstellt, sondern Gegenstand akademischer Studien geworden ist.

Die universelle Graffiti-Sprache

Janis Rozkalns Beschäftigung mit der Materie ist auch deshalb so spannend, weil er in seiner Kindheit in der ehemaligen Sowjetunion Graffiti überhaupt nicht kannte. „Erst in den 90er Jahren kam Graffiti kam bei uns auf“, erinnert sich Rozkalns. Heute gebe es einerseits einen eigenen Street-Art-Stil in Riga. „Andererseits ist die Sprache des Graffiti eine sehr universelle“, findet Janis Rozkalns. Den Unterschied zwischen seiner Heimat Riga und seiner Wahlheimat Stuttgart nimmt er unabhängig von Street Art ganz bewusst wahr: „Riga ist völlig flach, Stuttgarts Topografie dagegen eine Herausforderung. In Riga gibt es 700 Jahre alte Gebäude neben Plattenbauten: Diesen krassen Kontrast findet man in Stuttgart nicht.“ In Stuttgart fühle er sich dafür längst heimisch: „Die Stadt ist nicht die schönste der Welt, man muss sie sich erarbeiten. Dank meiner Freunde läuft es für mich hier aber sehr gut.“

Für seine Abschlussarbeit an der Aka hat er im Netz zu den verschiedensten Street-Art-Ausprägungen recherchiert. „Die Ausdrucksformen werden immer individueller: Es gibt zum Beispiel Künstler, die in einem dreckigen Tunnel ihr Kunstwerk mit einem Hochdruckreiniger erstellen, indem sie ihre Zeichnungen quasi kärchern.“ Dieses Prinzip sollte dringend in Stuttgart adaptiert werden: Dann könnte sogar eine Kehrwoche zum Street-Art-Happening umgewidmet werden. „Andere Künstler pflanzen Moos nach einem ganz speziellen Schema und gestalten dadurch zum Beispiel eine Mauer künstlerisch“, fährt Janis Rozkalns fort.

Hall of Fame in Bad Cannstatt

In Stuttgart hat es den Studenten immer wieder zur Hall of Fame nach Bad Cannstatt gezogen. Dort hat er die Formensprache der Künstler studiert. Für seine Arbeit hat er Graffiti abfotografiert, in seine Einzelteile zerlegt und aus den Grundmustern dann Häuserfassaden gestaltet. „In dieser Entwurfsmethodik versuche ich, aufgrund eines Bildes ein Gebäude entstehen zu lassen“, so Rozkalns. Damit gehe er den entgegengesetzten Weg der Erlkönige, die in der Automobilbranche eingesetzt werden. „Dort wird versucht, durch wilde Muster das Kopieren der Form unmöglich zu machen. Ich will durch das Kopieren von Mustern eine neue Form erschaffen.“

Wer hätte das gedacht, dass schwäbische Häuslebauer eines Tages von Sprayern lernen könnten.

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