Eine Initiative will auf dem Diakonissenplatz im Stuttgarter Westen ein paar Beete anlegen. Es geht ihr um Geselligkeit und um sinnliches Naturerleben. Der Bezirksbeirat beäugt das skeptisch.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Kann man etwas dagegen haben, dass Bürger ein bisschen gärtnern – Tomaten gießen, Erdbeeren ernten und beglückt an Blütenkelchen schnuppern? Ja, kann man. Um ein Haar hätte der Bezirksbeirat West eine Initiative ausgebremst, die auf dem Diakonissenplatz ein paar Beete anlegen wollen. Das Gelände ist für die Jugendverkehrsschule reserviert und öffentlich nicht zugänglich. Die Initiative aus rund 30 Anwohnern hatte ausgehandelt, dass sie ein paar Flächen bewirtschaften darf und einen Schlüssel für das umzäunte Areal bekommt. Das Projekt ist auf ein Jahr befristet, ein entsprechender Vertrag harrt bloß noch seiner Unterzeichnung. Man wollte nun noch den Bezirksbeirat über die Details unterrichten.

 

Doch statt Wohlwollen und Lob für das nachbarschaftliche Engagement schlugen dem Initiator des Projekts, Tomislav Knaffl, Skepsis und Kritik entgegen. Gleich mehrere Bezirksbeiräte mäkelten, dass sie vor „vollendete Tatsachen“ gestellt würden und nicht früher vollumfänglich informiert worden seien. Fraktionsübergreifend wurde kritisiert, dass die Initiative als geschlossene Gesellschaft aufträte. Ob denn andere da auch mitgärtnern dürften, wollte man wissen und ob das geerntete Obst und Gemüse auch gerecht aufgeteilt oder gar verkauft würde und falls ja, an wen der Erlös gehe. Rolf-Peter H. Kress (AfD) stellte die Sinnhaftigkeit von Urban Gardening generell in Frage: „Ich bin nicht dafür, dass man in der Stadt Grünflächen bewirtschaftet. Das ist etwas für Notzeiten.“

Am Konzept der essbaren Städte orientiert

Initiator Knaffl versuchte zu erklären, dass es ihm und seinen Gärtnerkollegen in spe keineswegs darum gehe, ihren Hunger zu stillen oder einen lukrativen Gemüsehandel zu eröffnen. Auch könne jeder mitgärtnern, der wolle und alle dürften von den Früchten kosten. „Ich mache das, weil ich Leute kennen lernen will und weil ich gerne gärtnere.“ Die Initiative orientiere sich an dem Konzept der essbaren Städte.

Was das bedeutet, erklärt die rheinland-pfälzische Stadt Andernach – eine der ersten deutschen Städte, die essbar wurden – auf ihrer Homepage: „Neben der attraktiven Gestaltung der Grünflächen der Stadt sollen diese gleichzeitig im Sinne einer Multifunktionalität ökologische, ökonomische und auch ästhetische Funktionen gleichermaßen unterstützen. Erklärtes Ziel der Umgestaltungen ist es, zukünftig die städtischen Grünflächen der Stadt wieder erlebbarer zu machen. Hierbei soll das städtische Grün nicht nur für die Augen, sondern auch durch Duft und Geschmack erlebbar gestaltet werden.“

Diakonissenplatz wird umgestaltet

Doch eine knappe Mehrheit im Gremium blieb skeptisch. Vor allem ein Argument verfing: Der Diakonissenplatz soll, sobald die Jugendverkehrsschule an den Vogelsang umgezogen ist, umgestaltet werden. Im Vorfeld wird es eine öffentliche Beteiligung geben. „Wenn das Gardening-Projekt gut läuft, was ihm zu wünschen ist, dann sind wir hinterher in unserer Entscheidung über den Diakonissenplatz nicht mehr frei. Dann entsteht ein gewisser Druck“, so SPD-Bezirksbeirat Heinrich Schneider. Am Ende bliebe das ursprünglich auf ein Jahr befristete Urban-Gardening-Projekt womöglich auf Dauer.

Nachdem neun Räte gegen das Gärtnern votierten und acht dafür, wurde kurz überlegt, das Projekt zu kippen. Am Ende wollte man dann noch nicht so hartherzig gegen die Gärtner auftreten. Es war vermutlich Martina Lemke von den Grünen, die das Ruder herumriss, als sie sagte: „Es gibt weitaus Schlimmeres, als wenn sich Bürger um ein Stück Land kümmern wollen.“