Die Chauvet-Höhle im Tal der Ardèche ist ein einzigartiges Zeugnis frühzeitlicher Kunst. Weil die Malereien in der Höhle so empfindlich sind, ist sie aber nur für Wissenschaftler zugänglich. Nun gibt es aber eine täuschend echte Kopie. Der französische Präsident François Hollande hat sie eröffnet – von 25. April an ist sie für Besucher zugänglich.

Stuttgart - Urgeschichtsforscher wie Kunstfreunde sind sich einig. Die Malereien, die unsere Vorfahren vor 36 000 Jahren mit Holzkohle und Ocker an den Wänden der 230 Meter in den Berg hineinführenden Chauvet-Grotte hinterlassen haben, sind von einmaliger Schönheit.

 

Das heißt, einmalig ist die Schönheit von nun an eben nicht mehr. Die in der Steinzeit aufgetragenen, von der Unesco als Kulturerbe der Menschheit ausgewiesenen Kunstwerke sind nämlich mitsamt der sie umgebenden unterirdischen Felslandschaft erfolgreich kopiert worden. Investitionen von 55 Millionen Euro, 6000 digitale Fotos, Laser- und 3D-Technik sowie eine Menge Kunstharz, Beton und Lehm haben es möglich gemacht. Die Replik befindet sich ganze zwei Kilometer von der 1994 im südfranzösischen Ardèche-Tal entdeckten Höhle entfernt. Die Kopie hält sich bis zur hintersten Freske und Felsspalte ans Original, sieht man einmal davon ab, dass die Grundfläche beim Abkupfern von 8500 auf 3500 Quadratmeter geschrumpft ist.

Mit der Kopie wird die Höhle endlich zugänglich

Hier wie da riecht es nach Lehm, beträgt die Temperatur 13 Grad, prangen auf Felsreliefs die Beutetiere unserer Vorfahren wie auch die Bestien, die ihnen Furcht einflößten. Hier wie da gluckst Wasser, zieren Rentierknochen, Bärenschädel und Feuerstellen den Boden. Anders freilich als im Original, wo der mit Atemluft und Schweiß Feuchtigkeit verbreitende, Bakterien einschleppende Mensch am besten draußen bleibt, ist er im „Caverne du Pont d’Arc“ genannten Nachbau willkommen.

Frankreichs Staatschef François Hollande hat die Caverne am Freitag mit Kulturministerin Fleur Pellerin und 1500 Ehrengästen eingeweiht. Als „außergewöhnliches Abenteuer“ hat Hollande den Bau der Caverne du Pont d’Arc gerühmt. Vom 25. April an sollen dann auch gewöhnliche Sterbliche Zutritt haben. Jährlich 350 000 bis 400 000 Besucher werden erwartet. „Wer die Höhle betritt, wird der Magie des Ortes verfallen und vergessen, dass er nicht das Original erkundet“, prophezeit Pascale Terrasse, der Direktor des Nachbaus. Jean-Michel Geneste, Leiter des Nationalen Zentrums für Urgeschichte, hält die nach dem Höhlenforscher Jean-Marie Chauvet benannte Grotte für „die großartigste und reichhaltigste Europas“. Ihre Entdeckung habe über den Haufen geworfen, was man bis dahin über Höhlenmalerei zu wissen glaubte, erzählt Geneste. Staunend habe man zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Wandgemälde auch Höhlenbären, Löwen, Leoparden oder Rhinozerosse zeigten. Sein Kollege Henry de Lumley zeigt sich nicht minder ergriffen von Größe und Reichtum der Grotte. Wenn er sie betrete, sagt der Historiker, überkomme ihn ein Gefühl wie beim Betreten einer Kathedrale.