Norbert Fiebig, Präsident des Reiseverbands, sieht auch in Zeiten zunehmender Onlinebuchungen für Reisebüros und etablierte Veranstalter eine gute Zukunft. Aber sie müssten ihren Kunden auch einen Mehrwert bieten.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Immer mehr Verbraucher planen und buchen ihren Urlaub über das Internet. Dennoch ist Norbert Fiebig überzeugt: Stationäre Reisebüros wird es auch in Zukunft geben. Überlebenswichtig ist aber die gute Beratung, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbands. orbert Fiebig, der Präsident des Deutschen Reiseverbands, sieht auch in Zeiten zunehmender Onlinebuchungen für Reisebüros und etablierte Veranstalter eine gute Zukunft. Aber sie müssen den Kunden auch einen Mehrwert bieten.

 
  Herr Fiebig, immer  mehr Reisen werden online gebucht. Große US-Konzerne wie Amazon, Google und Apple könnten bald massiv in den deutschen Markt drängen. Haben traditionelle Veranstalter eine Zukunft?
Amazon wäre sicher ein Wettbewerber, der nicht zu unterschätzen ist. Der Konzern besitzt extrem viele detaillierte Kundendaten, die fürs Onlinegeschäft sehr wertvoll sind. Wir werden nicht verhindern können, dass neue Wettbewerber kommen. Die Zeiten des exklusiven Reiseclubs sind vorbei, es drängen immer mehr Unternehmen in unseren Markt. Die schnellsten und besten Anbieter werden sich durchsetzen.
Gehören dazu die etablierten Unternehmen?
Ja, auf jeden Fall. Viele Veranstalter und Reisebüros haben sich auch im Onlinegeschäft inzwischen gut positioniert. Neue Anbieter drängen zwar mit Macht und viel Kapital ins Reisegeschäft, aber dabei werden auch Milliardenbeträge von Finanzinvestoren verbrannt, um Marken aufzubauen und Kunden zu gewinnen.
Mit welchen Strategien können stationäre Reisebüros überleben?
Die persönliche Beratung spielt im Reiseverkauf eine zentrale Rolle. Wer das gut macht, wird anonymen Onlineanbietern immer voraus sein. Kunden wissen es sehr zu schätzen, wenn der Berater aus eigener Erfahrung Reiseziele, Hotels oder Ausflüge empfehlen kann. Manche kommen verzweifelt ins Reisebüro, weil sie durch die Flut von Flug- und Hotelangeboten im Internet komplett verwirrt worden sind und bei der Auswahl und Buchung kompetente Hilfe brauchen.
Dennoch schrumpft die Zahl der Reisebüros seit Jahren. Experten erwarten einen weiteren Rückgang von derzeit knapp 10 000 auf unter 8000 bis zum Jahr 2025.
Es ist richtig, dass rund ein Drittel der Reisebüros in den letzten zwölf Jahren verschwunden ist und es noch einen weiteren Rückgang geben wird. Der Gesamtumsatz der stationären Vermittler aber ist über die Jahre hinweg stabil geblieben. Das Geschäftsmodell funktioniert also, zuletzt nahm die Zahl der Agenturen sogar erstmals seit langem wieder leicht zu. Für die Reiseveranstalter ist das Reisebüro der kostengünstigste Vertriebsweg. Und nirgendwo anders ist die Kundenzufriedenheit höher.
In Verbrauchertests haben allerdings Reisebüros zeitweise ziemlich schlecht bei der Beratungsqualität abgeschnitten. Von Beratungsfehlern ist die Rede.
Wenn der Kunde keinen Mehrwert im Reisebüro bekommt, wird er nicht wiederkommen. Das ist die große Herausforderung. Denn 80 Prozent der Kunden kommen heute schon gut informiert durch das Internet in die Reisebüros. Wenn der Kunde mehr weiß als der Berater, haben wir ein Problem. Deshalb müssen die Mitarbeiter qualifiziert und ständig weitergebildet werden und natürlich auch selbst die wichtigen Reiseziele aus eigener Anschauung kennen.
Es gibt Forderungen auch aus der Branche, den Reiseverkauf stärker zu reglementieren und Befähigungsnachweise einzuführen, um die Beratungsqualität zu sichern. Was halten Sie davon?
Natürlich ist auch unserem Verband daran gelegen, dass die Kunden gut beraten werden. Aber in erster Linie sollte der Ausleseprozess dem Markt überlassen werden. Wer Kunden schlecht berät, wird im harten Wettbewerb nicht überleben. Wer stärkere Regulierung fordert, sollte auch sagen, wer das organisieren und bezahlen soll. Wenn nur noch gut ausgebildete Experten Reisen organisieren und verkaufen dürfen, wären Zugangsbarrieren und strenge Kontrollen nötig. Man sollte nicht Regelwerke schaffen, die uns die Luft abschnüren und die Gewerbefreiheit beschränken.
Mit der Pauschalreise- und der Vermittler-Richtlinie will auch Brüssel die Branche stärker in die Pflicht nehmen. So sollen Reiseanbieter nur unter bestimmten Bedingungen auch Versicherungen verkaufen dürfen.
Das halten wir für falsch. Reiseversicherungen sind ein unverzichtbarer Teil unseres Geschäfts, und es ist ein Service, wenn der Kunde diesen Schutz gleich mit der Buchung aus einer Hand bekommen kann. Man sollte den Verbraucherschutz nicht übertreiben und die Kunden in Watte packen wollen. Das ist der falsche politische Ansatz.
Der Branche droht ein Fachkräftemangel. Sind die Jobs im Reisebüro und bei Veranstaltern zu unattraktiv und schlecht bezahlt?
Gerade bei jungen Leuten gilt die Reisebranche als sexy und aufregend, man kommt rum und hat viel mit Menschen zu tun. Die Bezahlung muss der Aufgabe angemessen sein, allerdings sind die Ertragsmargen gerade bei Reisebüros gering und das schlägt natürlich auch auf die Gehälter durch. Da der Job in der bunten Reisewelt aber attraktiv ist, werden wir auch weiterhin genügend Mitarbeiter finden.
Manche Kunden lassen sich im Reisebüro ausführlich beraten und buchen dann anderswo im Internet. Sollte die Branche Beratungsgebühren einführen?
Das wäre kaum durchsetzbar und würde Kunden wohl eher abschrecken. Wir müssen vielmehr den Kunden bewusst machen, dass Reiseangebote im Reisebüro zum gleichen Preis und damit genauso günstig und schnell gebucht werden können wie im Internet. Die gute persönliche Beratung erhält er sogar kostenlos dazu. Beratungsklau ist unfair und eine Frage von Anstand und Moral. Wer als Kunde gut beraten wird, sollte das auch anerkennen und seine Reise bei dem Verkäufer buchen.