Eine Grundgesetzeänderung zu Gunsten von Bundeswehreinsätzen im Inneren hat die Verteidigungsministerin sich abgeschminkt, weil die SPD nicht mitmacht. Aber trainieren sollen die Soldaten dafür. Das geht im Rahmen der Verfassung.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Zwei Wachsoldaten am Eingang des schmucklosen Gebäudes 29 b richten die Augen gerade aus und werfen das Gewehr über. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen macht auf ihrer diesjährigen Sommerreise Station beim Kommando für territoriale Aufgaben in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin. Militärische Ehren zum Empfang sind in jedem Fall geboten, auch wenn der ministerielle Besuch am Ende nicht mehr ist als ein „Quicky“. Einschließlich der Pressekonferenz ist die Ministerin nicht einmal zwei Stunden an dem Ort, der im Fall eines Bundeswehreinsatzes im Inneren von zentraler Bedeutung wäre. Würde die Polizei bei einer sogenannten Großterrorlage die Unterstützung von Soldaten im Rahmen der Amtshilfe anfordern, dann wäre das Kommando in Berlin, in dem die Fäden für alle zivil-militärischen Operationen im Inland zusammenlaufen, die entscheidende Koordinierungsstelle. Das ist jedenfalls wahrscheinlich, es sei denn das Verteidigungsministerium zöge beim Präzedenzfall die Entscheidungen wegen der politischen Brisanz der Materie an sich. Sie hoffe, dass es niemals dazu komme, hat Ursula von der Leyen am Mittwoch in Berlin noch einmal betont. Doch wenn es dazu komme, dann müsse sichergestellt sein, dass die Alarmketten stimmten, die Zuständigkeiten klar seien und jeder wisse, welche Fähigkeiten die Bundeswehr bereitstellen könne.

 

Trendwende mit dem Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr

Erst mit dem jüngsten Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr, das Anfang Juli vorgestellt wurde, hat die Bundesregierung sich darauf verständigt, dass die Soldaten Einsatzszenarien wie im Terrorfall, die bisher als alleinige Aufgabe der Polizei galten, künftig gemeinsam mit der Polizei üben sollen. Klassische Fälle von Amtshilfe sind dagegen, wenn Soldaten angefordert wurden, um Sandsäcke gegen Hochwasser zu stapeln, wenn Behörden einen besonders schweren Gegenstand durch unwegsames Gelände transportieren wollten und dazu eines der schweren Geräte der Bundeswehr benötigten, oder zuletzt bei der Flüchtlingshilfe. Zwei Millionen Einsatzstunden wurden in den vergangenen Monaten von Soldaten abgeleistet, in Spitzenzeiten waren mehr als 9000 Bundeswehrangehörige im Flüchtlingseinsatz und noch heute leisten an die 400 Soldaten Amtshilfe beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Operationszentrale „Flühi“ (Truppen-Abkürzung für Flüchtlingshilfe) besucht von der Leyen auch. Bravourös sei es, was die Truppe da geleistet habe, betont sie, und dass sie nur positive Rückmeldungen aus den Ländern erhalte.

„Wir müssen gut vorbereitet sein“

Von der Leyen hob bei dem Besuch hervor, dass sie jetzt keine Grundgesetzänderung zu Gunsten weiter reichender Einsätze der Bundeswehr im Inneren anstrebe. Das war bei der Vorbereitung des Weißbuchs zwar ihre Absicht und wird von der Union seit Jahren propagiert. Doch da die SPD dies abgelehnt hat und die Grenzen der Verfassung als ihre „rote Linie“ definiert hat, will die Ministerin nun „ganz pragmatisch“ die bestehenden Möglichkeiten ausschöpfen. „Ich sehe keine Mehrheit für eine Grundgesetzänderung“ sagte sie. Möglich sei die Amtshilfe in Ausnahmesituationen - etwa einer terroristischen Großlage mit „katastrophischen Ausmaßen“; so hat es das Bundesverfassungsgericht in seinem einschlägigen Urteil formuliert. Es seien zwar seit vielen Jahren Pläne für solche Einsätze vorhanden. Diese seien aber nicht ausreichend aktualisiert bezüglich der „Erfahrungen, die wir in den letzten ein, zwei Jahren gemacht haben“, sagte sie mit Blick auf große Anschläge wie Paris oder Brüssel. Wenn eine solche Lage eintrete, „dann müssen wir gut vorbereitet sein“, fügte die Ministerin hinzu. Deshalb müssten solche Szenarien geübt werden, und zwar mit der Bundespolizei und der Polizei der Länder. Ende August will Ursula von der Leyen sich erstmals mit Innenminister Thomas de Maizière und Vertretern der Innenministerkonferenz von SPD- sowie unionsregierten Ländern zusammensetzen und beginnen die Details zu klären.