Ein Ludwigsburger, der seine Freundin angegriffen hat und von einem Spezialeinsatzkommando vom Dach eines Hochhauses geholt wurde, muss für fünf Jahre ins Gefängnis. Die Richter sprachen von einer „krankhaften Beziehung“ – in jeder Hinsicht.

Ludwigsburg - Nahezu regungslos sitzt der Mann auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts, als die Mitglieder der 9. Schwurgerichtskammer am Donnerstag ihr Urteil verkünden. Dabei weiß er von diesem Moment an, dass er die nächsten Jahre im Gefängnis verbringen muss – dementsprechend betroffen reagieren seine Angehörigen.

 

Zu fünf Jahren Haft wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilen die Richter den 39-Jährigen, genau eine Woche vor seinem 40. Geburtstag. Sie sehen es als erwiesen an, dass der Mann im vergangenen Oktober in Ludwigsburg seine Freundin angegriffen, bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und mit einem Messer am Hals verletzt hat. Man werte die Attacke mit dem Brotmesser als Versuch, die 37-Jährige zu töten, sagt der Vorsitzende. „Sie konnten nicht darauf vertrauen, dass ihre Freundin überlebt.“ Während des Prozesses hatte der Mann zwar eingeräumt, seine langjährige Partnerin attackiert zu haben – die Absicht, sie umzubringen, stritt er aber ab.

Dominanz statt Verzweiflung beim Angeklagten

Die Beziehung zwischen dem gelernten Kaufmann und der Zahnarzthelferin nannte das Gericht „in jeder Hinsicht krankhaft“. Während der Angeklagte seine Macht und Dominanz ausgespielt habe, sei die Frau von ihm abhängig gewesen. Über die zehn Jahre der Bekanntschaft erlebte das Paar laut der Richter eine „Achterbahnfahrt“ mit Trennungen und Versöhnungen, im Grund sei die Beziehung aber „pathologisch“, auch geprägt durch die „manipulative Macht“ des 39-Jährigen. Im Lauf der fünf Prozesstage war immer wieder zur Sprache gekommen, dass das Paar mehr als nur einmal versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Nach seiner Inhaftierung berichteten Justizbeamte von Suizidversuchen des Angeklagten im Gefängnis, zweifelten aber an deren Ernsthaftigkeit. „Wenn er sich wirklich hätte umbringen wollen, dann hätte er eine Gelegenheit finden können“, sagte ein Psychologe der Haftanstalt.

Ähnlich wie in der Beziehung sehen die Richter auch die Verhältnisse an jedem Samstag im Oktober: Als seine Freundin aus der Wohnung flüchten wollte, verfolgte er sie, holte sie im Treppenhaus ein und würgte sie mit beiden Händen, bis die Frau bewusstlos war. Als kurze Zeit später die Polizei eintraf, verschanzte er sich mit seinem Opfer in der Wohnung ihrer Mutter. Warum die 37-Jährige dem Angeklagten freiwillig in den sechsten Stock des Wohnhauses im Stadtteil Eglosheim folgte, sei „nicht zu begreifen“, sagt der Vorsitzende.

Der Mann muss die Kosten des Einsatzes nicht tragen

Hinter der Türe hielt der Mann eine 20-Zentimeter-Klinge an den Hals seines Opfers. „Wenn ihr reinkommt, bringe ich uns um“, habe der Angeklagte gerufen, erklärten die Richter. Weil die Beamten trotzdem versuchten, die Türe einzutreten, begann er, seine Drohung umzusetzen – und schnitt der 37-Jährigen in den Hals. Weil sie geistesgegenwärtig in die Klinge griff, verletzte sie sich schwer an den Fingern, überlebte aber. Der Angeklagte floh dagegen über den Balkon auf das Dach des Hochhauses und drohte, sich herunterzustürzen. Erst am Sonntagnachmittag, rund 20 Stunden nach dem Angriff, überrumpelte ihn ein Spezialkommando der Polizei.

Durch das Urteil muss der Mann die Kosten des Verfahrens zahlen, zudem hatte er während der Verhandlungen angeboten, dem Opfer 25 000 Euro Schmerzensgeld zu überweisen. Für die Kosten des Polizeieinsatzes muss er dagegen nicht geradestehen. Wie Peter Widenhorn, Sprecher des Ludwigsburger Präsidiums erklärt, schließt die Verfolgung von Straftaten – und um eine solche handelt es sich – eine Kostenforderung aus. Nur wer einen Einsatz der Beamten mutwillig auslöse, werde danach zur Kasse gebeten.