Städte und Kreise dürfen ihre finanziell angeschlagenen Kliniken weiterhin mit Zuschüssen unterstützen und Verluste ausgleichen. Das hat das Oberlandesgericht Stuttgart am Donnerstag in zweiter Instanz entschieden.

Stuttgart - Der Landkreis Calw verstößt nicht gegen das Wettbewerbsrecht der EU, wenn er die Verluste der Kreiskrankenhäuser Calw und Nagold aus dem Kreishaushalt ausgleicht, Ausfallbürgschaften übernimmt und Investitionszuschüsse gewährt. Das hat der zweite Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart am Donnerstag entschieden und damit die Berufung des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK) gegen ein Urteil des Landgerichts Tübingen zurückgewiesen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen (Aktenzeichen Oberlandesgericht Stuttgart: 2 U 11/14).

 

Der Senat verweist darauf, dass laut dem EU-Gesetzgeber Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, von der Anzeigepflicht befreit sind. Das gelte unter anderem für Krankenhäuser, die medizinische Versorgungsleistungen und Notfalldienste erbringen. Diese könnten staatliche Beihilfen erhalten, die Definition und Organisation liege bei den Mitgliedstaaten. Da die Kreiskliniken des Landkreises im Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen sind, liegt nach Auffassung des Senats „keine unzulässige Beihilfe vor“.

Krankenhäuser zählen zur Daseinsvorsorge

„Das ist ein guter Tag für den Kreis, für Baden-Württemberg und ganz Deutschland“, kommentierte der Calwer Landrat Helmut Riegger (CDU) die Entscheidung. Damit sei bestätigt, dass der Landkreis mit seinem Defizitausgleich rechtmäßig und zum Wohle der Patienten gehandelt habe. Bestätigt wurde damit auch, dass die öffentlichen Krankenhäuser zur Daseinsvorsorge zählen. „Das ist ein ein wichtiges Signal für die stationäre medizinische Versorgung im ländlichen Raum“, sagte Riegger.

Erleichtert ob dieses Urteils zeigte sich auch der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, Eberhard Trumpp. Während private Träger ihre Kliniken einfach schließen könnten, wenn es sich nicht mehr rechne, seien die Landkreise auch in finanziell schwieriger Zeit zum Krankenhausbetrieb „gesetzlich verpflichtet“. Trumpp appellierte an den Bundesverband der Privatkliniken, nach der erneuten Niederlage vor Gericht das Verfahren zu beenden und statt dessen gemeinsam mit den öffentlichen Trägern gegenüber Bund und Land für eine auskömmliche Krankenhausfinanzierung zu kämpfen.

Privatkliniken prüft Revision vorm Bundesgerichtshof

Die Klägerseite war zum Verkündungstermin in Stuttgart erst gar nicht erschienen. Das Urteil sei nach der Verhandlung vor zwei Wochen und den Äußerungen des Richters zu erwarten gewesen, erklärte Thomas Bublitz, der Hauptgeschäftsführer des BDPK. Er will die Urteilsbegründung abwarten, geht aber davon aus, dass der Vorstand das Urteil vorm Bundesgerichtshof anfechten wird. Bublitz hält an der Auffassung fest, dass der Defizitausgleich ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht sei.

Hier gehe es nicht um die Daseinsvorsorge, zumal es rund um den Kreis Calw etliche weitere Krankenhäuser gebe. Es handle sich vielmehr um den „Ausgleich unwirtschaftlichen Handelns und um ein Privileg, das nur öffentliche Kliniken“ erhielten. Benachteiligt seien somit die kirchlichen Krankenhäuser und die privaten Krankenhausträger. Das Bestreben auf Bundesebene, unrentable Kliniken aufgrund von Qualitätskriterien zu reduzieren, würde durch die Beihilfe ausgehebelt.

Rote Zahlen im Kreis Calw, Zukunftspläne gebilligt

Die beiden Kliniken des Landkreises Calw in Calw und Nagold schreiben tiefrote Zahlen. 2012 musste der Kreis 4,4 Millionen zuschießen. Der tatsächliche Verlust lag bei 6,2 Millionen Euro, 1,8 Millionen Euro hatten mit dem noch vorhandenen Eigenkapital verrechnet werden können. In 2013 betrug das Minus 4,45 Millionen Euro. Im Etat 2014 stehen 4,6 Millionen Euro als Defizitausgleich bereit. Das wird nicht ausreichen.

Der Landeskrankenhausausschuss hat jetzt das Medizinkonzept des Klinikverbunds Südwest gebilligt, dem der Kreis Calw angehört. „Unsere Pläne sind bestätigt“, berichtet Landrat Riegger: In Calw ist ein Neubau (33 Millionen Euro), in Nagold eine Sanierung und Erweiterung (30 Millionen) geplant.